So w a r z. B. am 22. VI. 1927, als w ir Beobachtungen ü b e r die v e rtik a le V e rb re itu n g
von Marituja pelagica an stellten, d e r v e rtik a le V e rlau f d e r T em p e ra tu r im offenen B a ikalsee
gegenüber M a ritu j wie folgt:
in Tiefe von m: 0 50 100 200 300 500 700 1000 1300
Celsiusgrade 3 ,7 0 j§ 3,30 3,38 3,59 3,60 3,48 3,40 3,36, 3,36
Im F e b ru a r—März 1928, als Beobachtungen a n epibionten In fu so rien ange ste llt w u rden,
v e rä n d e rte n sich die T em p e ra tu ren a u f einer Stre cke von 1300 m a n n äh e rn d um 3°.
S ch ä rfe ren T em p e ra tu rv e rän d e ru n g en u n te rla g die P ro b e schon nach d e r E ntnahme ,
besonders im W in te r, wenn die P ro b e n bei einem F ro s t bis 30° u n d m eh r entnommen werden
mußten; im Sommer, a n warmen Tagen, w u rd en die P ro b e n bei d e r D u rch sich t ebenfa
lls s ta rk d u rchw ä rm t. Um diese schädlichen Einflüsse zu vermeiden, g eb rau ch ten w ir
Thermosflaschen, in welche das M a te ria l sofort nach dem E rh a lte n g eb ra ch t wurde. U n te r
Beobachtung dieser Vo rsichtsmaßnahmen blieben die In fu so rien fü r 2— 3 Stunden, zuweilen
auch län g e r, am Leben. Die in den Thermosflaschen in s L ab o ra to rium g ebrachten
Gammariden wurden in ve rd u n k e lte A q u a rien m it en tsprechender T em p e ra tu r gebracht,
zusammen m it den a n . ih n en festsitzenden In fu so rien ; sie lebten m eh re re Tage, wobei
einige epibionte. In fu so rien sich soga r v e rm eh rten . Die E xistenz der Gammariden u n d der
In fu so rien könnte, wie es scheint, wenn nötig v e rlän g e rt werden; dabei m ü ß ten ab e r, ab gesehen
von der T em p e ra tu r, auch die ü b rig en entsprechenden Bedingungen u n te rh a lte n
werden: die Sauerstoffmenge, die N ahrungsbedingungen usw. Wenn die Vorsich tsmaß n
ahmen in bezug a u f die T em p e ra tu rv e rän d e ru n g en n ich t getroffen wurden, so gingen
die In fu so rien ra sc h zugrunde.
Au f Grund u n se re r Beobachtungen a u f dem B a ika lsee u n d a u f Grund ih re s V e rgleichs
m it den experimentellen Angaben von R e g n a r d k a n n m an annehmen, daß der
F a k to r des Druckes in gewissen S ch ran k en fü r die In fu so rien g l e i c h g ü l t ig s t ; diese
Grenzen sin d so weit, d aß sie selbst in den tie fsten Süßwasserbecken n ic h t e rre ic h t werden;
deshalb k a n n man annehmen, daß d e r D ru ck fa k to r als solcher in d e r Ökologie u n d
Morphologie d e r S ü ßwasserinfusorien p ra k tis c h keine Rolle spielt. Dasselbe g ilt, w ie es
scheint, in hohem Maße au ch f ü r die Seeinfusorien.
N u n gehen w ir zu den ü b rig en Beme rkungen über, welche m an a u f Grund der in der
g rap h isch en Tabelle gegebenen Da ten in bezug a u f die Vertikale V e rb re itu n g d e r In fu so r
ie n im B a ika lsee machen kan n .
Die V e rte ilu n g d e r In fu so rien a u f verschiedener Tiefe zeichnet sich d u rch große U n gleichmäßigkeit
aus: wie au s d e r g rap h isch en Tabelle ersehen werden k an n , is t die ü b e rwiegende
Mehrzahl d e r A rten , nämlich 130 A rten von d e r Gesamtzahl von 192, d. h. etwa
68%, in den e rsten 10—12 m kon z en trie rt. U n te rh a lb dieser Grenze nimmt die Zahl der
A rte n sc h a rf ab, u n d a u f allen üb rig en Tiefen des Baika lsees bis a u f 1320 m kommen n u r
0- A rte n vor, d. h. ca. 22%' d e r Gesamtzahl der von u n s im Ba ika lsee gefundenen In fu so r
ie n a rte n . T ie fer als 300 m steigen n u r 29 A rte n h e rab , die g rö ß te von uns u n te rsu ch te
Tiefe, 1320 m, w ird n u r von 12 In fu s o rie n a rte n ,d .h . von etwa 6% d e r Gesamtzahl erre icht.
Diese q u a lita tiv e V e ra rm u n g m it zunehmender Tiefe wird im allgemeinen in bezug
a u f die Mehrzahl der Gruppen der T ie rw e lt der tie fen Seen beobachtet. Diese E rsch e in u n g
findet ih re n a tü rlic h e E rk lä ru n g n ich t in d e r elektiven W irk u n g des Druckes oder der
Tiefe als solcher, sonde rn in d e r g rößeren M a n n ig fa ltig k e it d e r Bedingungen in den lito ra
le n u n d seichten Seebezirken im Vergleich m it den gle ich a rtig en Bedingungen des Ben-
thalgebietes, v o r allem im Vergleich m it den N ahrungsbedingungen dieses Gebietes.
Die Grenze von 10—-12 m, die von der Mehrzahl d e r In fu so rie n a rte n des Baikalsees
e rre icht, wird , is t g e rad e die u n te re Grenze d e r V e rb re itu n g d e r benthischen Algen u n d
d e r re ich sten E p ip h y ten - u n d Seeboden-Mikroflora, die fü r viele In fu so rien als N ah ru n g
dient, sowie die a n n äh e rn d max ima le u n te re Grenze d e r e rw ä rm te n u n d an P la n k to n und
T ry p to n reichen Gewässer in den großen Seichtwasserbezirken. Es is t seh r n a tü rlic h , daß
die Gruppe der In fu so rien , die in d e r V e rtik a lric h tu n g bis a u f eine Tiefe von 10— 20 m
v e rb re ite t sind, vornehmlich au s F o rm e n besteht, die einen B e stan d te il d e r L ito ra lg em e in schaften
u n d d e r Gemeinschaften des P elagialgebietes d e r se ichten B e z irk q b ild en (s. S. 253).
D a rau f, daß w ir in dieser Gruppe keine echten stenobathen F o rm en v o r uns haben, die
n ich t in beliebiger Tiefe leben können, u n d d a ra u f, daß die Z u gehörigkeit derselben zu bestim
m ten Tiefen im Ba ika lsee d u rch die Bedingungen bestimmt wird, welche n u r m it der
Tiefe v e rb u n d en sind, in welcher diese F o rm e n Vorkommen, weist d e r Umstan d hin, daß
z. B. in den Tiefseen d e r Schweiz einige von diesen A rte n bis in seh r große Tiefen v e r b
re ite t sind, Wie es aus der g rap h isch en Tabelle ersehen werden k a n n (vgl. die g e s trichelten
Stre ifen).
Die Gruppe d e r In fu so rien , welche von der Oberfläche bis in eine Tiefe von ca. 200
bis 300 rn v e rb re ite t sind, schließt vornehmlich pelagische F o rm e n ein, welche a n das Gebiet
des offenen B a ika lsees gebunden sind. N u r einige wenige A rte n dieser P e lagial-
gemeinschaft ste igen u n te r die gen an n te Grenze h inab, welche auch m it d e r allgemeinen
Grenze der ä u ß e rsten V e ra rm u n g des P lan k to n s im Ba ika lsee zusammenfällt; das sind die
A rte n Sphaerophrya melosirae u n d Swlcigerä comosa, die in ein e r Tiefe von 400 m g e fu n den
wurden, Mucophrya pelagica, in einer Tiefe von 500 m u n d Marituja pelagica, die
y p " e Tiefe von 700 m u n d meh r e rre ic h t. Die epibionten In fu so rien , die am Boden des Sees
leben, steigen tie f er h in ab als die p lan k tisch en Formen, u n d m it Ausnahme von Marituja
pelagica sind a lle 25 A rten , die w ir a u f g rö ß e re n Tiefen als 500 m fanden, festsitzende, an
Gammariden befestigte Formen.
Die Artzusammensetzung der Gruppe der sitzenden In fu so rien , welche im Baikalsee
von d e r K ü s te bis a u f seh r g roße Tiefen u n d bis a u f die Grenztiefen v e rb re ite t sind, is t in sofern
interessant,; a ls alle diese Fo rm en au ß e rh a lb des Baikalsees seh r gewöhnlich sind,
n ämlich in verschiedenen kleinen Wasserbecken, wie z. B. Lagenophrys labiata, Carche-
■simn spcclabile, Vortieella crassicauUs, Dendrocometes paradoxus, Lagenophrys ampulla,
Spirochona gemmipara, Tokophrya cyclopum, T. lemnarum, Zoothamnium affine, Z. pa-
rasita.
Im Äuß e ren dieser A rte n konnten w ir g a r keinen U nterschied zwischen den lito ra len
und den Tiefseeformen finden. Es w urde n u r eine gewisse, dabei ab e r u ndeutlich ausgesprochene
Tendenz zu r V e rrin g e ru n g d e r Größe bei den in g ro ß e r Tiefe lebenden F ormen
b eo b a ch te t
Schließlich muß man die Gruppe d e r festsitzenden In fu so rien erwähnen, d ie von u n s
im Ba ika lsee n u r in bedeutenden Tiefen angetroffen wurden, u n d die a u f den ersten Blick
gleichsam eine Gruppe von stenobathen Tiefseeformen d a rstellen. W ir ste llten bloß 15
solche A rte n fest. U n te r ihn en findet sich ab e r Acineta tuberosa, die im L ito ra lg eb ie t des
Meeres u n d in se ichten Süßwasserbecken seh r gewöhnlich ist, fe rn e r Vortieella sinuata,
die von Z a c h a r i a s in Ufricwiaria-Tümpeln gefunden wurde, Acineta truncata, Dacly-
lophrya collinii u n d Vortieella sertularium, die im L ito ra lg eb ie t des Meeres Vorkommen.