Ä u ß e rst au ffa llen d erscheinen h ie r: die se h r kleine Amplitude, die seh r engen Grenzen
fü r eine Reihe wich tig ste r physikochemischer F ak to ren , wie z. B. t°, pH, 0 2, in denen
sich diese eupelagische F o rm a u fh ä lt, wie die allgemeine Stenökie u n d Stenotopie dieser
F o rm. Dies e n tsp ric h t vollkommen d e r Anpassung von Tintinnidium a n das P e lag ia l
des offenen Baikalsees, das im Allgemeinen se h r k o n sta n te Bedingungen aufweist, in sbesondere
in den tie fe ren Schichten. I n bezug a u f die T em p e ra tu r k a n n T. m it sehr g ro ß
e r Gewißheit den k a lt-stenothermen A rten , in bezug a u f Sauerstoff den Steno-Polyoxy-
bionten zugezählt werden. E ndlich, in bezug a u f die E rn ä h ru n g e rsche int es a ls P hyto-
p lanktonophag.
Wenn man also gewisse Grundzüge d e r Ökologie von T. fluviatile f. cylindrica im
B a ika lsee a ls meh r oder m in d e r g e k lä rt b e tra ch ten k an n , so is t h insichtlich d e r Ökologie
d e r typisch en F o rm T. fluviatile in diesem See n u r wenig zu sagen, da diese F o rm im B a ikalsee
selten vorkam.
T. fluviatile f. typica fan d en w ir im J u li 1928 in d e r Ba rgusin-B ai, in d e r Gegend,
die d u rch den B a rg u s in -F lu ß beeinflußt wurde, im P la n k to n des Nördlichen Seichtwassers,
gegenüber d e r Mittle ren Mündung u n d fe rn e r im Oberflächenplankton des Mushi-
n a j-Haff (westliches Ufe r des n ördlichen Ba ika l) ; in allen diesen F ä llen bei ziemlich hohen
T em p e ra tu ren : von 8,25—17,57^S?
In A n b e tra ch t dessen, daß u n se re U n te rsu ch u n g en von 1926—28 den ganzen B a ik a lsee
umfaß ten , w ir eine seh r große Anzahl von fixie rten u n d n ic h t fixie rten P ro b e n d u rch s
tu d ie rten u n d Tintinnidium ke in einziges Mal v orfanden, is t anzunehmen, daß die
typische F o rm im Gegensatz zu d e r forma cylindrica in den Bedingungen des Pe lag ia ls
des offenen Baikalsees n ich t vorkommt.
Was d ie L ite ra tu ran g a b en ü b e r d ie Ökologie von T. flu v ia tile angeht, so w ird d a n k dem Gehäuse, welches d ie Möglich
k e it verschafft, d ie Anwe senhe it dieses In fu so rs a u c h in fix ie rte n P ro b en festzustellen, T. fluviatile im Vergleich zu
den ü b rig en Ciliaten in hydrobiologischen Untersuchungen h äu fig e r erwähnt. Alle L ite ra tu ran g a b en sind d a rin einig, daß
d ieses In fu so r e in e re in planktische Form d a rs te llt; se in e ökologische Amplitude is t ziemlich gro ß : Es w u rd e im Pelagial
g ro ß e r Seen wie des Ladoga-Sees ( S k o r i k o w , ' 1909), d e s Großen P lö n e r Sees ( Z a c h a r i a s , 1893), im See Pestowo
( S k o r i k o w , 1904), S pankau ( S a m s o n o w , 1908), im Michigan-See ( K o f o i d , 1894), Ilmen-Se e ( R y l ow , 1926),
in e in e r Reihe d än isch e r Seen ( W e s e n b e r g - L u n d , 1908), im S ee Tschorkal ( B e h n i n g , 1927)*) gefunden. F e rn e r
w u rd e es m eh rm a ls im Pla n k to n e in ig e r F lü sse k o n sta tie rt, z. B. in d e r Wolga b e i Saratow ( B e h n i n g , Z y k o w , 1902),
d e r Oka ( S a s s u c h i n , 1923), Newa, Newa-Bucht ( R y l ow , 1923; S k o r i k o w , 1909), U ra l ( M u r a w e i s k y , 1922),
Rhone ( A n d r é , 1924) usw. Schließlich w u rd e e s häufig auch im Heleoplankton verzeichnet: in d e n Teichen bei P e te rh
of ( R y l ow , 1927), b e i Helsingfors ( L e v a n d e r , 1894), in d e r Va llé e d e l ’Oise ( F a u r é - F r e m i e t , 1924) u .a . m.
— in a llen aufgezählten F ä llen — stets als obligatorisch p lan k tisch e Art.
Was d ie V e rteilu n g d ie se r Form nach den J ah re sz e ite n an b e lan g t, so fä llt d a s Maximum ih r e r Entwicklung nach den
Angaben e in ig e r Autoren ( L a u t e r b o r n , A n d r é , S k o r i k o w u. a.) auf d ie k alten Monate; nach an d e re n je doch
( R y l ow) w ird T. fluviatile häufige r im Sommer angetroffen. Es ist leich t möglich, d aß in d e r Natur m e h re re ökologische
u n d morphologische Rassen von T. fluviatile e x istie re n , v ie lle ich t sogar auch m eh re re morphologische Varietäten,
da in d e r L ite ra tu r häufig auf d ie V a riab ilitä t d e r Form und d e r Ausmaße sein es Gehäuses sowie sein es Kö rp ers selbst
hingewie sen wurde.
Tintinnidium semiciliatum Sterki (Abb. 65, 6 6 ).
Die Ausmaße u n d die F o rm des Gehäuses werden bei T. semiciliatum des Baikalsees
durch beträchtlich® V a r ia b ilitä t gekennzeichnet. E s kommen In d iv id u e n v o r, die ein
regelmäßiges zylindrisches Gehäuse m it g e stutz tem H in te ren d e aufweisen, wie dies von
S t e r k i (1878), d e r diese A r t zu e rst festg e ste llt h a t, angegeben wurde (Abb. 65). In die von
S t e r k i gelieferte Beschreibung dieser F o rm h a t sich zweifellos ein Dru ck feh le r (S. 464)
*) Übrigens is t es b e i we item nicht ausgeschlossen, daß d ie aus dem salzigen See Tschorkal stammende, von A. L.
B e h n i n g als T. flu via tile b ezeichnete Form b ei g enauerem Studium — nich t n u r des Gehäuses, so n d ern auch des Körpe
rs d e s In fu so rs in lebendem Zustand =4-5 sich als A rt e rweisen w ird , d ie sich e h e r T. musicola n äh e rt.
eingeschlichen. F ü r die L änge des Gehäuses w ird 0,40 mm, f ü r die B re ite 0,035 mm fe stgestellt;
wahrsche inlich is t in der e rsten Ziffer na ch dem Komma eine 1 weggelassen; t a t sächlich
muß die Länge des Gehäuses 0,140 mm angenommen werden. Diese Ziffer en tsp
r ic h t auch vollkommen d e r Abbildung, die d e r V e rfa sse r d e r Beschreibung beifügt, wie
auch den von ihm a u f S. 461 angegebenen K ö rp e ra u sm aß en des Infu so rs: Länge von
0,140 mm bis 0,180 mm ohne Membranellen. Dieser F eh le r is t sp ä te r in den A rb e iten von
D a d a y (1886—87), S. 524, u n d von G. E n t z j u n . (1909) a u f S. 131 wiederholt worden.
D e ra rtig e zylind risch e Gehäuse sind gewöhnlich n ic h t üb e r 135 ja lan g , im Quers
c h n itt erre ich en sie 55 ja. In denselben P o p u la tio n en werden au ch fingerhutförmige Gehäuse
angetroffen, die a n der Mündung e rw e ite rt sind u n d sich ein wenig gegen das h in te
re ab g e ru n d e te E nd e v erschmälern. Die Länge solcher Gehäuse u n d die We ite ih re r
Mündung sind im D u rch sch n itt denen d e r zylindrischen Gehäuse gleich. F e rn e r kommen
o ft längere, bis 170 ja lan g e Gehäuse v o r u n d v e rh ä ltn ism äß ig schmälere — bis 60 ja im
Durchmesser d e r Mündung. Sie sind fin g e rh u tfö rm ig gebaut, wobei die eine Seite des Gehäuses
p la tte r, die an d e re m eh r vorgewölbt e rsche int; das H in te r ende des Gehäuses ist
s ta rk v e rschm ä le rt (Abb. 6 6 ). Schließlich is t a u f eine k ü rz e re u n d v e rh ä ltn ism äß ig weitere
Modifikation hinzuweisen: das Gehäuse h a t eine rege lmäß ig zy lindrische F o rm m it einem
sich g leichmäßig u n d b re it ab ru n d en d en H in te r ende; die Länge dieser Morphe ü b e rste ig t
bei erwachsenen E x em p la ren k e inenfalls 68—70 ja, bei einem Durchmesser d e r Mündung
von 48 ja. Diese letzte F o rm is t von gelber F a rb e , die in d e r oberen H ä lfte heller, in der
u n te re n d u n k le r e rsche int, wäh ren d die v o rh e rg en an n ten Morphen vollkommen farblos
sind. W a s fe rn e r die schleimige Konsistenz des Gehäuses a n lan g t, so is t sie bei dieser
Modifikation ebenfalls ein wenig verschieden. Be i den d re i e rsten Morphen is t die schleimige
S ubstanz se h r porös, z a rt, leich t z e rrinnend, besonders in d e r äu ß e ren Schicht; diese
Eigen sch a ften haben zu r Folge, daß die Oberfläche des Gehäuses ein ungeordnetes, zerzaustes
Aussehen h a t; an diesen Schleimflocken h a ften le ich t verschiedene im Wasser
su spendierte P a rtik e lc h en , Algenhülsen, D e tritu sk lüm p ch en u. a. Die schleimige Substanz
des Gehäuses d e r letzten, gelb g e fä rb te n Morphe is t kompakt, die Gehäusewände sin d g la tte
r, das Gehäuse se lbst sie h t o rdentlicher aus.
A u f d e r Oberfläche des Gehäuses von T. semiciliatum sind gewöhnlich, au ß e r F rem d kö
rp e rn , n ic h t zahlreich v e rtre te n e s ta rk lichtbre chende K ö rp e rch en wah rn ehmb a r, die
g rö ß ten te ils d u rch eine unreg e lm äß ig dreieckige F o rm gekennzeichnet sind. D e r K ö rp e r
des In fu so rs is t am Grund des Gehäuses m it Hilfe eines Stiels befestigt, d e r entsprechend
der Länge des Gehäuses län g e r oder k ü rz e r se in kan n . Außerdem tr ä g t das obere D ritte l
des K ö rp e rs se itlich noch einen kegelförmigen p rotopla smatischen Höcker von nich t
b e trä ch tlich e r Größe, m it dessen H ilfe sich das In fu so r auch noch an d e r Seitenwand des
Gehäuses befestigt. Das Vor d e r ende des K ö rp e rs is t ein wenig v e rb re ite rt, die P e risto-
malscheibe ein wenig gegen die v en tra le Seite abgeschrägt, wie dies, n u r in stä rk e rem
Maße, bei den In fu so rien d e r G a ttu n g Strombidium d e r F a ll ist. Längs des Randes der
Peristomalsche ihe zieh t sich ein b re ite r w a lla rtig e r Saum, die p e ristomale Lippe, die a u f
ih rem in n e ren R ande 16 ( S t e r k i k o n s ta tie rt 15—20) mächtige, a n den E n d en gespaltene
Membranellen trä g t.
Die S tru k tu r des p eristomalen A p p a ra ts e n tsp ric h t d e r Beschreibung, die S t e i n ,
G. E n t z u n d an d e re U n te rsu ch e r fü r T. fluviatile u n d an d e re T in tin n o id en ge lie fe rt
haben. Die Peristomalsche ihe zeichnet sich d u rch ih re au ß e ro rd en tlich e Beweglichkeit
aus: o ft heb t sie sich u n d wölbt sich k u p p e la rtig . Der exzentrisch angeordnete Mund
Zoologica. Heft 83. 16