Aus dieser Tabelle e rg ib t sich, daß Bothrops jararaca die schwächste T o x iz itä t besitzt;
diese Schlange friß t, nehen kle in e ren Nagern, au ch Frösche. Bothrops atrox h a t eine
stä rk e re T o x iz itä t u n d e rn ä h r t sich n u r von Nagern. Den weitaus höchsten Grad h a t je doch
die T o x iz itä t bei Bothrops insularis e rre ic h t, die ja ausschließlich a u f die E rb eu tu n g
d e r kleinen, seh r behenden B rachyspizas d e r Queimada-Insel angewiesen is t; u n d schon
die gerin g ste B e rü h ru n g m it dem Giftzahn dieser In se lo tte r mu ß den augenblicklichen
Tod ih re r Beu te tie re zu r Folge haben.
Dagegen is t das Gift der schwarzen Inse lra sse von Notechis scutatus von d e r Chap-
pell-Insel —■ in se iner neurotoxischen E ig en sch a ft ” weniger wirk sam a ls b e i d e r F e s tlandsform;
das h ä n g t offenbar m it ih re r N ah ru n g zusammen, die in le ich t zu e rbeutenden
u n d in g roßen Mengen vorh an d en en Ju n g tie re n des S tu rm tau ch e rs Puffinus tenuirostris
besteht. E s is t ü b e rh a u p t bemerkenswert, d aß die Gifte d e r beiden morphologisch doch
so wenig differenzierten Bassen, wie je n e r beiden au s tra lis ch en N a tte rn , eine so b e trä c h tliche
Verschiedenheit “W. auch noch in a n d e re r Beziehung B fe zeigen, wie sie sonst n u r
zwischen verschiedenen A r te n ein e r G a ttu n g beobachtet werden ( K e l l a w a y & T h o m son,
1932),
3 . A k t iv itä ts p e r io d e .
Ganz allgemein k a n n m an sagen, d aß d e r w eitaus g rö ß te T e il inselhewohnender
K rie c h tie re sich aus echten T ag tie ren zusammensetzt. E s sin d me ist Geschöpfe, die im
Sonnenschein ih re volle A k tiv itä t entfa lten , a n trü b e n Tagen oder n a ch ts sich dagegen
au s den Versteckplä tz en n u r selten oder g a r n ic h t h e ra u s wagen. E in ausgesprochenes
N a ch ttie r u n te r den In se lrep tilie n is t v o r allem die Brückenechse (Sphenodon punctatus),
die am T age n u r se lten die v o n ih r bewohnten Höhlen v e rlä ß t. Auch die Mehrzahl der
Haftz eh e r oder Geckonen fü h r t eine näch tlich e Lebensweise. Doch g ib t es d a ru n te r au f
In se ln re c h t bezeichnende T ag tie re . Dazu gehören v o r allem die A r te n d e r G a ttu n g Phel-
su nt <i (Madaga skar u n d ben a ch b a rte In se ln sowie Andamanen) sowie manche Sphaerodac-
tylus- u n d v o r allem Lygodactylus-Formen (z. B. d e r g rü n e Lygodactylus thomensis von
den westa frik an isch en In se ln Sao Thome u n d P rin c ip e ). E in e weitere Ausnahme s te llt d e r
sonst ganz ausgesprochen näch tlich e Hemidactylus turcicus a u f dem k le in en d a lm a tin ischen
E ila n d Veli B a rja k d a r, den K ä m m e r e r d o rt merkwürdigerweise a ls ein T ag tie r
k ennen g e le rn t h a t. Auch d e r k leine Blattfinger-Gecko, Phyllodactylus europaeus, scheint
a u f d e r winzigen In se l T ine tto (bei Spezia) eher ein Tag- als ein Nachtleben zu führen.
F ü r die E rscheinung, daß a u f In se ln die A k tiv itä tsp e rio d e d e r K rie c h tie re m it besond
e re r Vorliebe a u f die T a g e s z e i t v e rleg t wird, mögen noch zwei Be ispiele a n g e fü h rt
werden. W äh ren d die kle in e u n d re c h t a lte rtüm lich e Eide chsenfamilie d e r X an tu s iid e n
sich äh n lich wie die H a ftz eh e r aus ch a rak te ristisch e n D u n k e lh e itstie ren zusammensetzt
I ich habe selbst Xantusia vigilis u n d henshawi län g e re Z e it im T e rra r ium geh a lten ,
w urde die in su la re Biesenform Xantusia riversiana a u f d e r In se l S an Nicolas (K a lifo rnien)
von V a n D e n b u r g h und S l e v i n im p ra llste n Sonnenschein jag en d beobachtet.
Auch die sonde rbare In se lo tte r Bothrops insularis von d e r b ra silian isc h en In se l Quei-
mad a Grande is t tro tz ih re r v e rtik a le n Nach tp u p ille d u rch au s ein T agtie r.
E s is t k la r, d aß diese Ä n d e ru n g der A k tiv itä tsp e rio d e offenbar d am it in Zusammenh
an g zu b rin g en ist, daß es a u f In se ln fü r die K rie ch tie re v ie l weniger F e in d e bzw.
K o n k u rren te n g ib t als a u f dem Festlan d e ; der Übergang zum Tagleben von Bothrops insularis
is t vielle ich t d u rch die entsprechende A k tiv itä tsp e rio d e ih re r B e u te tie re (s. oben)
b edingt worden. A u f der In se l Veli B a rja k , wo d e r sonst n ä chtliche Hemidactylus turcicus
a ls T ag tie r lebt, fehlen soga r L a z e rten v ö llig , so daß die im Vergleich m it diesen weit
empfindlicheren u n d schwächeren Scheibenfinger-Geckos ih re A k tiv itä tsp e rio d e u n g e s tö rt
a u f die Tageszeit verlegen konnten. Ganz ähnlich v e rh ä lt es sich übrig en s auch m it der
kalifornischen Biesen-Xaufwsia; dieses T ie r k en n t m an von d re i Inseln: S an Nicolas,
S an ta B a rb a ra u n d San Clemente. A u f den beiden e rsten g ib t es ü b e rh a u p t kein e anderen
Beptilien, u n d a u f S an Clemente kommt n u r noch eine kleine Echse, Uta stansburiana
hesperis, vor.
V ielleicht haben manche In se lk rie eh tie re ü b e rh a u p t die Neigung — etwa au s e rn ä h rungsbiologischen
G r ü n d e n E - ih re A k tiv itä tsp e rio d e zu v e rg rö ß e rn . So fan d K ä m m e r
e r (1926, S. 241) Lacerta sicula cazzae, ein ch a rak te ristisch e s Tag- u n d Sonnentier, au f
d e r ad ria tiseh en In se l Cazziol auch noch na ch Sonn en u n te rg an g au ß e rh a lb d e r S chlupfwinkel
vor. E in Gegenstück dazu s te llt vielleicht die kleine, sonst du rch au s am Tage a k tiv e
Glattechse Leiolopisma noctua a u f H aw a i d a r, die d o rt na ch P e r k i n s (1903, S. 366) auch
a u f In sek ten J a g d macht, die an s L ampenlicht herangeflogen kommen.
4. Bewegung und Verhalten.
Mit d e r A u sb ild u n g eines plum p en u n d g ed rungenen H ab itu s werden viele in se lbewohnende
K rie ch tie re n a tu rg em äß in ih ren B e w e g u n g e n weniger 'Schnell u n d gewandt.
D am it stimmen n u n die Beobachtungen verschiedener A u to ren überein, die
berichten, daß n ic h t wenige Inseleidechsen sich d u rch langsame, schwerfällige F ortbewegun
g gegenüber den festländischen A rte n auszeichnen. K ä m m e r e r (1926, S. 222) h a t
d a rü b e r re c h t au s fü h rlich e Mitteilungen gemacht. Diesen möchte ich hinzufügen, daß ich
a u f d e r In se l Linosa die d o rt lebende Mauereidechse (Lacerta filfölensis laurentii-mülleri)
äls re c h t trä g e T ie re k ennen g e le rn t habe: in lV i r S Stu n d en k o n n ten w ir 9 mein Heise
g e fü h rte D r. G i e s 1 e r u n d ich • - ü b e r 100 E x em p la re dieser Eidechse u n d etwa ebenso
viele Walzenschleichen (Chalcides ocellatus linosae) fangen, wobei w ir alle rd in g s von
e inigen L in o san e rn u n te rs tü tz t worden sind. Auch der e igenartige kohlschwarze Cnemi-
dophorus lemniscatus nigricolor von den kleinen Los Boques-Inseln an d e r venezolanischen
K ü s te soll na ch P e t e r s (1873, S. 77) in seihen Bewegungen n ich t schnell sein: in einer
h alben S tunde w u rd en v o n zwei Sammle rn gegen 80 S tück dieser Eidechse gefangen. Ganz
das gleiche h a t n u n au ch fü r seh r viele an d e re Eidechsen a u f Inseln, besonders fü r so
extreme F o rm e n wie Macroscincus, Ccmolophus usw. Geltung. J a soga r von e in e r In se lschlange,
dem schwarzen Notechis scutatus. wird berichtet, daß sie weniger a k tiv sei als
die k o n tin en ta le F o rm ( K e l l a w a y 1932, S. 54).
E s is t fre ilich n ich t immer leich t zwischen d e r L angsamkeit der Inselechsen und
ih rem Ma n g e l an S c h e u einen Untersch ied zu machen, w orauf ja au ch K am m e r « :*
m it Be cht hingewiesen h a t. In den meisten F ä llen geh t nämlich die g e rin g e Gewandtheit
inselbewohnender Echsen H an d in H an d m it ein e r gewissen F u rc h tlo s ig k e it oder, wenn
man will, „Z ahmheit“ . Das b ekannteste Beispiel d a fü r ste llen die großen, re c h t trä g e n
u n d fu rchtlosen Leguane d e r Galapagos-Inseln, Conolophus u n d Amblyrhynchus, dar.
Auch die Filfola-Eidechse (Lacerta filfölensis filfölensis), ein seh r plump gebautes Geschöpf,
is t keineswegs sehr behend; wie von verschiedenen Beobachtern hervorgehohen
worden ist, zeichnet sich ab e r dieses T ie rchen gleichzeitig auch d urch eine au ffa llen d gerin
g e Scheuheit aus. In an d e ren F ä lle n können dagegen furch tlo sen Inselechsen re c h t
schnelle, gewandte Bewegungen zukommen. So habe ich z. B. Lacerta sicula coerulea im