E igenschaften imstan d e schon d nrch ih r dominantes Verh a lten , ohne jede Isolie ru n g , sieh
durchzusetzen. D aß die M ig ra tio n bzw. S ep a ra tio n die notwendige Bedingung fü r die n a tü r liche
Z uchtwahl darstelle, wie W a g n e r irrtüm lich e rw e ise vorausgesetzt h a t, k a n n ebenfa
lls n ich t zutreffen, denn die n a tü rlic h e Z uchtwahl is t ja in n e rh a lb ein e r abgesonderten
P o p u la tio n gen au so wirk sam wie hei einem Individuen-Bestande, d e r se it Ja h rta u s e n d e n
k e in e r Isola tio n sw irk u n g ausgesetzt wa r. Obwohl Mo r i t z W a g n e r wußte, daß es neben
d e r geographischen Iso la tio n auch noch eine edaphische g ib t (wie namen tlich aus seinen
Auseinandersetzungen m it W e i s m a n n h e rvorgeht), v e rk a n n te er, daß in d e r N a tu r a u ß e r dem
noch eine physiologische Iso lie ru n g (S. 145) weit v e rb re ite t ist, d eren a rtb ild e n d e Bed
eu tu n g n a tu rg em äß n ic h t m in d e r hoch is t wie die der räum lic h en Sonderung.
T rotz dieser E inw ände, die d e r W a g n e r sehen „S ep a ra tio n sth eo rie “ gemacht werden
müssen, g eh ö rt sie dennoch zu den wichtigsten Hypothesen d e r Abstammungslehre. Im
n ächsten Absch n itt soll n u n e rö rte r t werden, inwieweit sich die räum lich e Sonderung an
d e r Umgestaltung d e r Geschöpfe ta tsä ch lic h beteiligt.
3. Die Wirkung der Isolation.
Wie schon im v o rig en K a p ite l e rw äh n t worden ist, hab en einige Forsch e r, wie Mo r i t z
W a g n e r u n d G u 1 i c k, die A n s ic h t v e rtre te n , daß die räum lich e Iso la tio n eine sehr
wesentliche Vorbedingung z u r Abän d e ru n g d e r A rte n sein müsse. Gerade die Anschauungen
G u l i c k s (1905), deren Grundlage die V a r ia b ilitä t d e r A ehatinellen bildet, sind deswegen
bemerkenswert, weil sie die morphologische Differenzierung in e rs te r L in ie au f die
Iso la tio n als solche zu rü ek fü h ren ; G u l i c k g la u b t nämlich, daß d ie -S o n d e ru n g a n sich
schon d u rch au s genüge, um eine morphologische V e rän d e ru n g der Organismen zu v e rursachen,
ganz gleich, ob sich dabei die Umweltsbedingungen v e rä n d e rn oder nicht.
W e i s m a n n h a t ab e r schon im J a h r e 1868 a u f die wichtige Tatsache au fmerksam
gemacht, d aß die A u fsp a ltu n g ein e r A r t in Ra ssen auch o h n e j e d e r ä u m l i c h e I s o l
a t i o n möglich ist. Auch E i m e r v ersuchte zu zeigen, daß verschiedene „V a rie tä te n “ der
Mauereidechsen au ch d an n entstehen u n d sieh e rh a lten können, wenn keine Iso lie ru n g e rfolgt.
E r t r i t t also (vgl. 1881, S. 306) d e r An sich t W a g n e r s — d aß eine E n ts teh u n g neu e r
F o rm en ohne Sonderung unmöglich sei — d u rch au s entgegen. Zu bemerken is t allerdings,
daß E i m e r u n te r Lacerta muralis verschiedene A rte n (Formenkreise) v e rstan d en h a t, die
m ite in an d e r in d e r Gegenwart d u rch ke in e Übergänge v e rb u n d en sind. Trotzdem is t diese
Fe stste llu n g E i m e r s im allgemeinen ric h tig : w ir kennen eine Menge von Beispielen, die
zeigen, daß eine Species am gleichen Orte in zwei oder m eh r verschiedenen, d u rch au s konsta
n te n P h a se n a u ftritt, ohne d aß irg en d e in e J ä r ä um lic h e oder p h y s io lo g is c h e !-^ Is o lie ru
n g vorliegt. E s sei h ie r n u r a n die a llb ek an n te „olivacea1' Phase d e r verschiedensten
Mauereidechsen (z. B. Lacerta sicula, •melisellensis, doderleinii, muralis) e rin n e rt, die in
manchen Gegenden meh r oder weniger zahlreich neben normal gezeichneten E x em p la ren
vorkommt. Auch die erythronotus-Phase u n se re r Zauneidechse (Lacerta agilis) ste llt ein
Beispiel fü r die gleiche E rsch e in u n g d a r.
Wen n also d e r Formenwandel auch ohne räum lich e Iso la tio n möglich ist, worin besteht
dan n ih re deszendenztheoretische Bedeutung? Nun, ganz zweifellos d a rin , daß die Isolation
a u f a rtum b ild en d e Vorgänge d u rch V e r h i n d e r u n g e i n e r K r e u z u n g bzw. V e rmischung
m it den Artgenossen des u rsp rü n g lich en Wohna re a ls e inwirkt. Diese Bedeutung
d e r räum lich en Sonderung is t n ich t n u r von L. v. B u c h und Mo r i t z W a g n e r , sondern
auch von W e i s m a n n m it N achdruck hervorgehoben worden; le tz te re r h a t diese Kreu-
Zungsverhinderung als „ A m i x i e “ (Nichtvermischung) bezeichnet (1872, S. 49). Die W ir k
u n g der Amixie k a n n n u n entweder d ad u rch zu r Geltung kommen, daß bei der abgesond
e rten P o p u la tio n u rsp rü n g lich e Merkmale k o n se rv ie rt werden: die n ich t iso lie rte P o p u la
tio n bildet neue V a ria tio n en aus, während die abgesonderte a lte zu e rh a lten sucht, indem
die neuen V a ria tio n en der A u sgangspopulation a u f den isolierten Be stand infolge der
Amixie n ich t ü b e rg re ifen können. Das wird b e s tä tig t d urch die bek an n te Tatsache, daß
bei Inselo rg an ismen vielfach palingenetische Merkmale Vorkommen. F e rn e r k a n n die Amixie
das A rtb ild d ad u rch v e rän d e rn , daß zufällig n u r ganz bestimmte V a ria n te n aus einer
P o p u la tio n abgesondert werden, die nach dem Isolationsprozeß entweder eine V erminderu
n g d e r indiv id u e llen V a ria tio n sb re ite oder ab e r im Gegenteil eine erhöhte A u fsp a ltu n g
d e r V a r ia b ilitä t v e ru rsa ch en können, ohne daß eine gru n d sä tz lich neue V a ria tio n a u f t
r itt; auch d a fü r g ib t es verschiedene Beispiele, n amentlich u n te r den inselbewohnenden
L acertiden. Am bedeutsamsten is t ab e r die Amixie — u n d d am it auch die räum lich e Sond
e ru n g JK ilfü r die Umge sta ltu n g des in su la re n Artb ild e s gegenüber dem kontin en ta len
durch K o n s e r v i e r u n g n e u a u f t r e t e n d e r V a r i a t i o n e n in n e rh a lb des isolie rten
In d ividuenbestandes, d e r eine ganz selbständige Kreuzungsgemeinschaft bildet. E in e neue
V a ria tio n v e rm ag sich also d u rch die Unmöglichkeit einer R ü ckkreuzung m it an d e rs gea
rte te n In d iv id u e n d e r Au sgangspopulation u n te r Umständen sehr leicht durchzusetzen
u n d so das A rth ild meh r oder weniger s ta rk zu v e rän d e rn . D a rau s erhellt, daß die
wesentlichste W irk u n g der räum lic h en Sonderung grundsätzlich, a u f die d e r u nm itte lb a re n
physiologischen (sexuellen) h in au s lä u ft: die räum lich e S ep a ra tio n ste llt im Grunde genommen
nichts anderes als eine i n d i r e k t e s e x u e l l e I s o l a t i o n d a r.
In e rs te r L in ie b e ru h t also die W irk u n g der räum lic h en Sonderung a u f der Amixie,
u n d in den weitaus meisten F ä llen wird eine K reu zu n g sv e rh in d e ru n g zu r E rh a ltu n g von
neuen V a ria tio n en u n d d am it auch zu r V e rän d e ru n g des Artb ild e s fü h ren . I s t die Amixie
eine unvollkommene E i- e tw a wenn es sich um Geschöpfe m it seh r h oher V a g ilitä t h an de
lt , so w ird die individuelle V a r ia b ilitä t zwar d ad u rch keineswegs immer e ingeschränkt,
ab e r die A u sbildung rassensche idender Va ria tio n en , die g e rade fü r die Inselorganismen
So bezeichnend sind, ganz bedeutend erschwert. Wie jedoch W e i s m a n n R m Gegensatz
zu r S ep a ra tio n sth eo rie W a g n e r ¿ ¿ » g e z e ig t h a t, b rau ch en isolierte Individ u en b e stän d e
keineswegs immer eine Divergenz aufzuweisen, selbst wenn in isolierten A re a len verschiedene
Lehenshedingungen herrsch en ; denn ebenso wie die Amixie d u rch au s n ic h t immer
zu r Herau szü ch tu n g n eu e r V a ria tio n en fü h re n muß, b ra u c h t auch ih r Gegenstück, die Pan -
mixie, n ich t in allen F ä lle n sämtliche V a ria tio n en zu vernich ten , wie auch die moderne
Vere rb u n g sleh re gezeigt h a t. Gerade die Höhe d e r individuellen V e rän d e rlich k e it wird
dad u rch n u r wenig beeinflußt; dagegen w ird die A u sbildung r a s s e n s c h e i d e n d e r
V a ria tio n en von d e r Amixie weitgehend b egünstigt, von der P anm ix ie gehemmt. — P l a t e
(1907, S. 462) is t der Ansicht, daß eine geographische Iso la tio n d an n g a r keinen F o rm e n wandel
bewirken könne, wenn a u f dem neuen W o h n a re a l zu fä llig g enau die gleichen
Lebensbedingungen herrsch en wie a u f dem alten. Indessen scheint es, wenigstens a u f Grund
von u n se ren E rfa h ru n g e n üb e r die Bedeutung d e r Umweltsfaktoren fü r den Rassenwandel
inselbewohnender K rie ch tie re , daß sich bei diesen Geschöpfen trotzdem im L au fe d e r Zeit
eine Divergenz einstellen kann.
Durch geographische Amixie werden in den meisten F ä llen n u r gleichgültige Me rkmale
herausge züchtet. Sobald ab e r eine neue V a ria tio n einen Se l ek t i o n swe r t h a t, is t sie
imstande, sich auch ohne eine — d urch räum lich e Sonderung bedingte — K reu zu n g sv e r