A. Die Herkunft der insularen Reptilien-Faunen.
I. Die Ausbreitung der Insel-Reptilien.
1. Das gegenwärtige Verbreitungs-Areal.
In den wä rme ren Meeren g ib t es n u r ganz wenige E ilan d e , die n ic h t von Rep tilien
bewohnt wären. Ebenso wie alle g rö ß e re n In se ln d e r g emäßigten u n d heißen Zonen, weisen
auch a lle kleinen und soga r kleinsten E ilande , die bald als ste ile F e lsklippen, ba ld als
einsame Vulkangipfel aus dem Meere emporragen, oder ab e r a ls flache Kora llen a to lle sich
üb e r die F lu te n erheben, in d e r Regel ein meh r oder m in d e r reiches K rie ch tie rleb en auf.
Und zwar sind es n ich t etwa ausschließlich m a rin e A rte n — wie Seeschildkröten oder
Seeschlangen die jene winzigen L a n d sp litte r besuchen: au ch so ausgesprochene L an d tie
re , wie die vielg e sta ltig en Eidechsen, kommen d o rt v o r — n ic h t selten soga r als einzige
V e rtre te r d e r v ie rfü ß ig en Tie rwelt. Das A re a l d e r fü r L an d k rie ch tie re bewohnbaren
E ilan d e k a n n zuweilen n u r ein p a a r Dutzend Q u ad ra tm e te r umfassen; F i s h e r (1930,
S. 95) b e rich te t üb e r das Vorkommen ein e r k leinen Echse, Anniella nigra, a u f ein e r n u r
50 X 60 F u ß g roßen und 8—9 F u ß hohen K lip p e an d e r kalifo rn isch en K ü s te (Monte-
r e y County), u n d die Ausmaße mancher, von Lazerten oder Geckos besiedelten Scoglien
des Mittelmeeres sind auch n ic h t viel g rößer. Die Oberfläche jen e r k a lifo rn isch en K lip p e
soll soga r gelegentlich von We llen sp ritz e rn n ich t ganz versch o n t bleiben; das is t deswegen
bemerkenswert, weil te rre s tris ch e K rie ch tie re -^1 so anspruchslos sie au ch sonst sind
— doch a lle E ilan d e meiden, deren höchste E rh eb u n g vom Meerwasser benetzt werden
kan n . Und niemals werden von L an d rep tilien solche In se ln bewohnt, die vom Meere —
wenn auch ganz gelegentlich einmal — völlig ü b e rsp ü lt werden; auch die ü b rig e te r re strisch
e Tie r- und Pflanzenwelt pflegt ja a u f d e ra rtig e n E ilan d e n entweder ganz zu fehlen
oder ab e r n u r d urch einige wenige In d iv id u e n , die n u r ein kümmerliche s Dasein fü h ren ,
v e rtre te n zu sein.
Ih re n g rö ß ten Fo rm en re ich tum en tfa lten die In se lrep tilie n n a tu rg em äß in d e r T ro penzone,
besonders in den beiden g roßen Inselmeeren: d e r In su lin d e u n d den A n tillen;
nahezu jedes E ilan d dieser gewaltigen Archipele, die sich au s vielen Tausenden großer
u n d k le in e r In se ln zusammensetzen, h a t seine besondere H e rp e to fau n a . Ab e r auch au f
vielen an d e ren In se lg ru p p en d e r wä rme ren Meere, wie in d e r melanesischen Inselwelt,
a u f den Galapagos und den k alifornischen Inseln, a u f den Seychellen, Maskarenen, K a p v
erden, K an a ren , den Mittelmeerinseln u n d vielen anderen, tre te n die K rie ch tie re in g ro ß e r
F o rm e nm a n n ig fa ltig k e it au f; u n d viele A rten h aben d o rt zahllose Rassen ausgebildet. In
den Meeren d e r k ü h le ren Regionen n im m t ab e r das Krie ch tie rleb en ra sch a n Arten-, R a ssen
u n d In d iv id u en z ah l ab u n d e rlisch t in k a lten völlig. W äh ren d den südlichen P o la r k
re is ü b e rh a u p t k e in K rie c h tie r e rre ich t, wird der nördliche — was das Vorkommen au f
In se ln b e trifft —• von ein e r A r t, nämlich von u n se re r Waldeidechse (Lacerta vivipara) sog
a r ü b e rsch ritten : dieses T ie rchen lebt a u f einigen F jo rd -E ilan d en des n ördlichsten N o rwegen
(auf Magerö is t es a lle rd in g s noch n ich t nachgewiesen); nirgends is t sonst die V e rbreitungsgrenze
d e r R e p tilien so weit n a ch Norden vorgeschoben wie hie r. Man ken n t
fe rn e r diese k leine Echse von e inigen In se ln a n den K ü s te n d e r Barents-See, so z. B. von
J e re tik u n d Kolgujew; auch a u f In se ln des Weißen Meeres (Solovezk) lebt sie. Von einem
Inselvorkommen d e r K reu zo tte r (Vipera berus) n ördlich des P o la rk re ise s ist m ir dagegen
n ichts bekannt.
Wenn w ir n u nm eh r die Grenzen d e r in su la ren V e rb re itu n g dieser K a ltb lü tle r ku rz
be tra ch ten (Abb. 1), so is t zunächst festzustellen, daß diese Geschöpfe im hohen Norden des
Atlan tisch en Ozeans |p§ wie z. B. a u f Islan d u n d Grönland — tro tz ih rem Vorkommen fa st
am Nord k ap geg enw ä rtig fehlen; ab e r au ch schon die F ä rö e r u n d die S hetland-Inseln sind
von R e p tilien n ich t bewohnt. An d e r a tlan tisch e n K ü s te Nord am e rik a s h ö rt das in su la re
Reptilien-Leben erheblich südliche r a u f als in E u ro p a : denn es re ic h t n u r bis N e u f u n d lan
d ; A r l d t s A ngaben (1907, S. 320) üb e r die H e rp e to fau n a N eu-Fundlands b edürfen
übrigens ganz entschieden ein e r erneuten B e stätigung, pp Im Süden des A tla n tik g ib t es
noch Eidechsen a u f F eu e rlan d : das is t d e r südlichste P u n k t, den diese Wirb e ltie rk la sse
je tz t a u f u n se re r E rd e ü b e rh a u p t e rre ic h t. A u f den F a lk lan d -In s e ln fehlen dagegen K rie ch tie
re völlig. Ebensowenig kommen te rre s tris ch e R e p tilien a u f folgenden a tlan tisch en
E ilan d e n vor: a u f d e r In se l St. P a u l, die — im Gegensatz zum re in vulk an isch en E ilan d
gleichen Namens im Ind isch en Ozean — au s sedimentä rem Gestein besteht, d an n au f
Ascension, St. Helena (wo a b e r je tz t H a ftz eh e r eingeschleppt sind) u n d T rin id a d im sü d