E n d lich sei noch die ganz v e reinzelt au ftre ten d e E rs ch e in u n g erw äh n t, daß zwei im
Alte rsk le id ein an d e r in hohem Maße äh n lich e Inselechsen g e rad e im Ju g e n d k le id eine
re c h t au ffä llig e Divergenz zeigen. So sehen die beiden tie f schwarz g e fä rb te n Echsen
Lacerta melisellensis pomoensis von d e r a d ria tisch en In se l Porno u n d L. melisellensis
galvagnii von K am ik im ad u lten Zustande e in an d e r ä u ß e rs t äh n lich ; letztere Basse
is t n u r g rö ß e r als erstere. In d e r Ju g e n d zeigt ab e r pomoensis noch eine deutliche S tre ifenzeichnung,
während galvagnii eine ganz u ndeutliche Zeichnung a u f weist un d , nach
K ä m m e r e r (1926, S. 4), n u r wenig h e lle r is t a ls ih re extrem melanistischen Alten.
6. Skelett.
N u r wenig is t b ish e r üb e r die anatomischen B e sonderheiten inselbewohnender K rie ch tie
re b ek an n t geworden; alles, was w ir d a rü b e r wissen, bezieht sich a u f o s t e o l o g i s c h e
Merkmale. Be i manchen In se lrep tilie n m a ch t sich eine re c h t s ta rk e Red u k tio n bestimmte
r Skelettelemente b emerkbar: so weist d e r P a n z e r einiger Riesenschildkröten d e r Gala-
pagos-Inseln, n amentlich von Testudo abingdoni, eine erhebliche R ü ckbildung au f, indem
seine Be standteile n u r d u rch ungewöhnlich dün n e und leichte Knoch en p la tten re p rä s e n tie
r t werden. Ähnliches findet m an auch bei d e r H a ftz eh e rg a ttu n g Tarentola: die in su la re
n A rten dieser Ga ttu n g — Tarentola cubana (Kuba) u n d T.gigas (Kapverdische Inseln),
auch Tarentola delalandii ( K a n a r e n z e i c h n e n sich v o r ih re n k o n tin en ta len V e rwandten
d u rch das F eh len ein e r Knochene inlage im Augendach aus. W ä h re n d hei Lacerta muralis
in d e r S ch lä fen h au t Verknöcherungen Vorkommen, fehlen solche d e r maderensischen
Lacerta dugesii, die ja von muralis ah stammt, nach S i e b e n r o c k (1894, S. 249) völlig.
Beme rkenswert is t auch, daß die Bewohner k le in ste r E ilan d e — wie Lacerta sicüla coe-
rulea vom F a rag lio n e u n d Lacerta melisellensis melisellensis von Melisello — ebenfalls
keine V erknöcherung d e r Temporalregion a u f weisen. Indessen is t diese E rs ch e in u n g k e ineswegs
a u f In se ln b e sch rän k t; denn auch a u f dem F e stlan d g ib t es L a c e rtid en m it un-
v e rk n ö ch e rte r Schläfengegend.
A ndere Inselechsen zeigen wiederum ein ganz entgegengesetztes V e rh a lten . So h a t die
bekannte Kana ren -Ech se Lacerta galloti zwar einen bis a u f einige wenige K nochenplatten
red u z ie rten Schläfenpanzer. Bei Lacerta atlantica vom gleichen A rch ip e l is t dagegen der
Schläfenpanzer re c h t g u t entwickelt. A m s tä rk s te n ausgebildet is t ab e r d e r S chläfenp
an z e r bei d e r am weitesten modifizierten Lacerta simonyi (in d e r Subspecies stehlini), bei
de r e r nach S i e b e n r o c k (a. a. O. S. 248) au s 19 Knoch en p la tten besteht; diese sta rk e
V e rknöcherung der Sch lä fen h au t findet jedoch e rs t im A lte r s ta tt. Die gleiche Eidechse
zeichnet sich fe rn e r d u rch besonders s ta rk e E n tw ick lu n g d e r verschiedensten F o rts ä tz e am
Schädel aus, wie sie sonst von keinem an d e ren V e rtre te r d e r L ace rtid en fam ilie e rre ic h t
wird. Besonders eigentümlich is t bei Lacerta simonyi stehlini schließlich auch die V e rm
eh ru n g d e r Zacken an den Z ähnen m it zunehmendem A lte r: S i e b e n r o c k h a t d a ra u f
hingewiesen, daß junge Stücke von Lacerta simonyi dreizackige K ro n en hab en (ebenso wie
Lacerta galloti u n d lepida), wäh ren d sie bei Alten ste ts vierz a ck ig sind; vierzackige
Zähne tre te n nämlich sonst bei k e in e r an d e ren Lacerta-F o rm au f. U n te r allen Ang eh ö rigen
dieser G a ttu n g h a t Lacerta simonyi die meisten Zähne: 24— 25 in jed e r M ax illa rh ä lfte
(bei galloti 18—19, lepida 21, viridis 21—23). Auch d e r in su la re Coluber anthonyi h a t
u n te r seinen nä ch sten festländischen V e rwandten (U n te rg a ttu n g Masticophis) die zahlre
ich sten Max illa rz äh n e (19—23). — E in seh r s ta rk ausgehildetes S k e le tt h a t fe rn e r der
Komodo-Waran, Varanus komodoensis; seine H a u t zeichnet sich d u rch Ve rknöcherungen
aus, und am Schädel f ä llt die mächtige E n tw ick lu n g d e r S u p ra o rb ita lia besonders auf.
Auch u n te r den te rre s tris ch en Inse lsch ild k rö ten g ib t es n ic h t n u r Formen m it schwachem,
verk ümme rtem P an z e r; n ich t wenige Galapagos-Schildkröten zeigen g e rad e das Gegenteil:
so haben Testudo vicina und becki (Albemarle), T. darwini (James) u n d T. porteri (Indefa-
tigable) au ffa llen d dicke u n d schwere P an z e r.
Über die osteologischen E igentüm lich k e iten d e r Inselschlangen weiß m an noch weniger.
N u r T h o m p s o n (1913, S. 156) erw äh n t, daß bei inselbewohnenden Schlangen die
W irhelzahl häufig h öher sei als bei entsprechenden A rten vom K o n tin en t; in e in e r als
P riv a td ru c k erschienenen, m ir unzugänglichen S c h rift (vgl. d a rü b e r die Bemerkungen
B a r b o u r s 1917b, S. 3— 4) h a t e r üb e r diese E rs ch e in u n g bei Achalinus spinalis u n d Cal-
liophis macclellandii k u rz berichtet.
III. Ökologisches Sonderverhalten der Insel-Kriechtiere.
1. Aufenthaltsorte.
W ir wenden u n s n u nm eh r zu r Be sprechung derjen ig en Inselmerkmale zu, die au f
ökologischem (hzw. ethologisehem) Gebiete liegen; denn ebenso wie u n te r den morphologischen
Kennzeichen fa llen auch in d e r Lebensweise d e r In se lk rie eh tie re mancherlei Züge
au f, denen man a u f dem F e stlan d e weit se ltener begegnet. Von diesen E ig entümlichkeiten
sollen v o r allem A u fen th a ltso rte , Nah ru n g se rw e rb , A k tiv itä tsp e rio d e , Bewegung und
Seh'wanzautotomie besprochen werden.
W äh ren d a u f dem P e stlan d e viele R e p tilien als stenotop bezeichnet werden müssen,
indem sie n u r einen bestimmten L ebensraum bewohnen, is t das a u f In se ln vielfach nich t
d e r P a ll. Infolge Mangels an K o n k u rren te n oder sog a r Feinden werden viele a u f dem Ko n tin
e n t oder g roßen In se ln stenotope Fo rm en a u f kle in e ren E ilan d e n eurytop. Die beiden
Eide chsen Lacerta sicula cettii u n d L. doderleinn schließen sich a u f Sizilien in ih rem Vorkommen
gewöhnlich aus: jene bewohnt m it besonderer Vorliebe Felswände, M auern usw.,
diese dag-egen g ra sig e H änge; a u f d e r kleinen In se l P a n te lle ria feh lt Lacerta doderleinil
vollständig, u n d Lacerta sicula cettii is t d o rt ü b e ra ll g egenwä rtig. Die kleine Glatteehse,
Ablepharus boutonii, bevorzugt a n d e r K ü s te Osta frik a s u n d a u f einigen grö ß e ren In se ln
zu ih rem A u fen th a lte die Zone d e r Korallenriffe, wohin dem z a rten T ie rchen im allgemeinen
n u r ganz wenige K o n k u rre n te n oder F einde folgen; a u f den winzigen In se ln E u ro p a
un d J u a n de Nova in d e r S tra ß e von Mocambique — beide m it einer sehr s ta rk v e ra rm ten
L a n d fau n a f^ p scheint diese E chse ab e r d u rch au s eu ry to p zu sein. — A b e r au ch das
Verschwinden eines Biotops a u f ein e r In se l k a n n ein Geschöpf zum A u fen th a lt in einem
ganz an d e ren L ebensraum zwingen: d e r Grüne Leguan (Iguana iguana), ein Bewohner
des tropischen Regenwaldes in S ü d am e rik a , lebt a u f den westindischen In se ln A ru b a und
Bonaire, die je tz t k a um bewaldet sind, a u f Felsklippen.
A u ß e r dieser Tendenz zum E u r y t o p i s m u s bzw. zu r V erg rö ß e ru n g d e r ökologischen
Valenz fa llen bei In se lrep tilie n noch d re i Besonderheiten au f, die m it ih re n A u fen tha
ltso rten in Z usammenhang stehen u n d vielleicht a u f ernährungsbiologischen Ursachen
beruhen: erstens eine Vorliebe fü r den A u fen th a lt in u nm itte lb a rs te r Nähe menschlicher
Siedelungen („An th ro p o p h ilie “), zweitens eine Bevorzugung d e r B ru tp lä tz e m a rin e r Vögel
und d ritte n s eine Neigung zu r lito ra len bzw. h a lbm a rin en Lebensweise.