
W ir u n terscheiden in diesem pelagischen Komplex: die leiten d en F ormen, welche
in q u a n tita tiv e r Beziehung v o rh e rrsch en u n d den H a u p th in te rg ru n d dieser In fu so rien g
ru p p e bilden; fe rn e r die Formen, welche eine u n te rg eo rd n e te Rolle spielen, u n d schließlich
die Formen, welche se lten u n d in g e rin g e r Z ahl Vorkommen.
Zu den leitenden F o rm e n müssen gestellt werden:
Zoothamnium limneticum
Vorticella monilata
Amphileptus trachelioides
Epistylis rotans
Burselia spumosa
Stentor roeselii
U n te r ih n en hab en die g rö ß te Bedeutung die v ie r letzten A rte n u n d besonders Vorticella
monilata, welche ein E p ib io n t a u f verschiedenen Anabaena-A rten , sowie a u f Synedra
ist, u n d welche die Algenoberfläche in Gestalt eines dichten Anflugs bekleidet, d e r a u s mehre
re n Zehnern von In d iv id u e n besteht.
Das In fu so r Amphileptus trachelioides, das im P la n k to n des Baikalsees hei n ie d rigen
T em p e ra tu ren eine u n te rg eo rd n e te Rolle spie lt, en twickelt sich u n te r diesen v e rä n d e rten
Bedingungen in v ie l g rö ß e re r Z ahl; den H ö h epunkt der E n tw ick lu n g e rre ic h t diese
F o rm in den seichten B uchten u n d in den Seeteilen v o r d e r Mündung d e r Flüsse.
In bedeutend g e rin g e re r Zahl u n d in se lteneren F ä lle n kommen folgende Fo rm en vor:
D id in ium n a su tum Euplotes harpa
Cyclolrichium vir id e Staurophrya elegans
Die ü b rig en A rte n kommen n u r a ls E inz elexemplare vor.
Das A u ftre te n dieser Infuso rien g eme in sch a ft im P e lag ia lg eb ie t des Baikalsees wird
d u rch verschiedene U rsachen bedingt.
Vo r allem können diese, u n d au ch andere, n ich t h a ikalische Elemente, von au ß en in
den H a u p tte il des Ba ika lsees gelangen, h in au sg e trag en m it den S trömungen oder h e ra n getrieben
d u rch W inde au s Seebezirken m it an d e ren hydrologischen Bedingungen,
an welche diese F o rm e n e igentlich an g ep aß t sind. E s is t n a tü rlic h , daß in diesen F ä llen
n ic h t n u r die Zusammensetzung der F a u n a d e r entsprechenden Schichten des gegebenen
Pelagialgebietes, sonde rn auch die T em p e ra tu r und, was die H au p ts a ch e ist, d e r Chemismus
dieser Schichten v e rä n d e rt se in wird ; das g ib t u n s die Möglichkeit, die H e rk u n ft
dieser Gewässer u n d des von ihn en h in au sg e trag en en P lan k to n s festzustellen.
E in d e ra rtig e s P la n k to n k onnte man z. B. im J u l i 1928 an d e r westlichen K ü s te des
nördlichen Baika lsees k o n sta tie ren : nach Süden von d e r L andzunge K u r la en th ie lt das
oberflächliche P la n k to n im P e lag ia lg eb ie t des Sees in 3 km vom U fe r u n d weiter nach
Norden eine beträ ch tlich e Z ahl d e r n ich t b a ikalischen See- u n d See-Teichelemente, u n te r
ihn en Vorticella monilata, Epistylis rotans, Stentor roeselii, Burselia spumosa, die im Geb
ie t des n ördlichen seichten Bezirks, in d e r Mündung des K itschera-Flusses, im Angar-
schen Ssor gewöhnliche F o rm e n sind. Nach den Angaben von K u s n e t z o w und T s c h e r -
h a k o w (1930) v e rb re ite t sich die W irk u n g d e r F lüsse an d e r westlichen K ü s te noch
weiter nach Süden, wovon d e r herabgesetzte CaO-Gehalt u n d die höheren T em p e ra tu ren
in den oberflächlichen Schichten des Pelagialgebietes dieses Bezirkes zeugen. In den tie fe ren
, h ä rte re n u n d k ä lte re n b aikalischen Gewässern b ehalten das P la n k to n u n d die In fu so
rien a rten ih ren gewöhnlichen b aikalischen C h a rak te r.
Das E rsch e in en dieses n ichthaikalischen Infusorienkomplexes im Pelag ia lg eb ie te des
H auptsees k a n n au ch eine re in ö rtliche E rsch e in u n g sein, welche im P e lag ia lg eb ie t selbst
entsteht. In diesen F ä llen w ird die g en an n te E rs ch e in u n g d u rch eine tem p o rä re Stö ru n g
d e r gewöhnlichen Bedingungen, vornehmlich d e r T em p e ra tu rb ed in g u n g en in diesem Gebiet
des Sees h e rb e ig e fü h rt; sie f ä llt m it den P erioden des stillen u n d warmen W e tte rs zusammen.
W äh ren d dieser gewöhnlich k u rzd au e rn d en P erioden, bei E rw ä rm u n g d e r oberflächlichen
Gewässer im P e lag ia lg eb ie t des Baikalsees üb e r 8°—10°, schwindet d e r ganze
Infusorienkomplex, welcher a n die gewöhnlichen nied rig en b aikalischen T em p e ra tu ren
an g e p a ß t ist; e r w ird ra sc h d u rch diese „nichtbaikalische“ Gemeinschaft ersetzt, in d e r die
gewöhnlichen See- u n d Teichformen die H au p tro lle spielen. Neben dieser H a u p tv e rä n d
e ru n g des Infusorienkomplexes des P elagialgebietes v e rä n d e rt sich fre ilich auch die
Zusammensetzung des ü b rig en P lan k to n s dieser Schichten. Die b a ikalische pelagische
F lo ra u n d F a u n a schwindet zwar n ich t ganz au s d e r e rw ä rm ten Schicht; ab e r sie t r i t t in
den H in te rg ru n d , u n d die H au p tro lle beginnen im P lan k to n die Fo rm en zu spielen, die
u n te r den gewöhnlichen Bedingungen des Pelagialgebietes dieses Sees n ic h t Vorkommen,
sonde rn fü r das Sommerplankton d e r Seen u n d Teiche des g em äßigten Typs, sowie fü r die
seichten, g u t d u rchw ä rm te n Teile des Baikalsees eigentümlich sind. Im P h y to p lan k to n e r scheinen
in bedeutender Z ah l Anabaena flos aquae, die als lebendes S u b s tra t fü r Vorticella
monilata dient, Coelosphaerium, Uroglena volvox, Eudorina elegans, zahlreiche fa rb lose
u n d g e fä rb te F lag e lla ten . Im Zooplankton herrsch en die R o ta to rien vo r: Anuraea
cochlearis u n d A. aculeata, Notholca longispina, Conochilus, Synchaeta, Polyarthra, Tri-
arthra, Asplanchna u. a., es erscheinen die Cladoceren Bosmina, Leptodora, die gewöhnlich
im P la n k to n des Baikalsees fehlen. Diese E n tw ick lu n g n ich tb a ik a lisch e r Elemente
im P e lag ia lg eb ie t des Baikalsees wurde von u n s zum Beispiel im J u li 1928 an d e r Ko-
telnikowski-Landzunge beobachtet; am 18. V II. wurden h ie r im Pelag ia lg eb ie t noch sehr
nied rig e oberflächliche T em p e ra tu ren (3,78°) beobachtet, u n d das oberflächliche sp ä rlich e
P la n k to n wies einen vollkommen baikalischen C h a rak te r auf. Im L au fe m eh re re r nachfolgender,
se h r wa rm e r u n d s tille r Tage begannen die oberflächlichen Schichten sich ra sch zu
e rwärmen, u n d am 30. V II. e rre ic h te die O berflä chentempera tur 14,50°. W äh ren d dieser
Periode e r fä h r t das P lan k to n d e r oberflächlichen Schichten eine g rü n d lich e Verän d e ru n g ;
in ihm erscheinen die oben e rw äh n ten n ichthaikalischen Elemente, u n te r ihnen alle le iten den
F o rm en d e r in Rede stehenden Infusoriengeme inschaft.
E in ähnliches Bild wurde von u n s au ch am 3. V I II . 1928 noch weiter na ch Süden,
gegenüber d e r L andzunge M a la ja Kossa, in l 1/!—2 km vom Ufer, bei ein e r Oberflächentem
p e ra tu r von 12,20° (um 9 U h r morgens) beobachtet; fe rn e r im J u l i 1927 im Gebiet der
Uschkan ji-In se ln bei einer Ob e rflä chentempera tur von 13,70° u n d a n ein e r Re ihe von
an d e ren P u n k te n ; die Lage dieser P u n k te , sowie die Angaben d e r hydrologischen Tagebücher
d e r E x p ed itio n in bezug a u f diese P u n k te , fü r die entsprechenden Tage, speziell
fü r den CaO- u n d Si02-Gehalt, schließen die Möglichkeit aus, das E rs cheinen d e r obenerwäh
n ten Fo rm en h ie r d u rch H in au s trag en oder H e ran tre ib en derselben au s den seichten
Bezirken zu deuten.
E s scheint uns, daß das E rsch e in en u n d die E ntw ick lu n g dieser Gemeinschaft im
Pelag ia lg eb ie t vornehmlich d u rch zwei U rsachen bedingt werden: ersten s d u rch die E rh ö h
u n g d e r W a sse rtem p e ra tu r, u n d zweitens d u rch die q u a lita tiv e u n d q u a n tita tiv e Ve rän d e ru
n g d e r N ah ru n g s Vorräte in d e r e rw ä rm te n Wasser schicht.