Die In fusoriengeme inschaften, die die pelagischen Gebiete d e r e rw äh n ten Abschnitte
des Baikalsees besiedeln, stimmen bis in die E inz elheiten v o llständig überein. Das w ird im
Grunde genommen durch die fü r sie gemeinsamen hydrologischen Bedingungen bestimmt,
die gewöhnlich als „ re in b a ikalische“ bezeichnet u n d in K ü rz e folgendermaßen c h a ra k te r
is ie r t werden können: große räum lich e A u sdehnung u n d g roße Tiefen; W inde u n d B ra n dungen;
gewöhnlich, selbst im Sommer, nied rig e T em p e ra tu ren des Wassers; geringe
Menge su sp en d ie rte r und au fgelöster o rg anischer Substanzen; geringe Menge an o rg an ischer
Substanzen; seh r große tägliche und jä h rlic h e Gleichmäßigkeit d e r physikalisch-chemischen
Bedingungen, in ho rizo n ta le r wie auch in v e rtik a le r Richtung.
In biologischer Beziehung zeichnen sich alle diese Teile des Sees d u rch ein in q u a lita tiv
e r H in sic h t spä rlich e s P la n k to n au s; es schließt als Grundelemente au ß e r den In fu so rie
n noch 2—3 Fo rm en Diatomeen u n d 2 Fo rm en Crustaceen ein.
Im nachstehenden werden w ir a u f die fü r die Ökologie d e r In fu so rien wichtigsten
F a k to re n des physikalisch-chemischen u n d biologischen Milieus dieser Be zirke n ä h e r ein-
gehen. Aus d e r vergleichenden B e tra ch tu n g des A rtenbestande s d e r In fusoriengeme insch
a ft des P e lag ia ls im H a u p tb a ik a l u n d in den offenen B uchten u n d Ba ien bei n ied rig e r
T em p e ra tu r einerseits u n d d e r Gemeinschaft p elagischer In fu so rien derselben Regionen des
Sees hei h oher T em p e ra tu r u n d d e r In fu soriengeme inschaft se ichter Ba ien u n d abgeschlossener
Buchten an d e re rse its g eh t deutlich h e rv o r, d aß sie sehr wenig gemeinsame A rten
aufweisen, daß sich also die Sonderstellung des A rten b e stan d s d e r vorliegenden Gemeinsc
h a ft pelagischer In fu so rien vollkommen deutlich au sp rä g t. (S. A n h an g I u n d S. 241, 251.)
Die In fu so rien g ru p p e , die im B a ik a lp e la g ia l bei nied rig en T em p e ra tu ren vorkommt,
ersche int als eine d e r ch a rak te ristisch e n Gru p p en d e r Plank to n b ev ö lk e ru n g des B a ik a lsees
u n d zugleich a ls die in te re ssan te ste Gruppe u n te r den In fu so rien dieses Sees. H ie rh e r
gehören folgende F ormen:
Amphileplus trachelioides Z a c h . Prorodon morula sp. nov.
Askenasia elegans B 1 o c h m. Spathidiosus bursa gen. nov. sp. nov.
Coxliella helix B r . f. minima f. nov. Spathidium campanella sp. nov.
Didinium nasulum S t. Sphaerophrya melosirae sp. nov.
Didinium cinctum V o i g t Staurophrya elegans Za ch.
Heliocometes conspicuus Z a c h . Stentor roeselii E h r b g.
Holophrya saginata P e n a r d Stentor multiformis O.F.M.
Lembadion conchoides F a u r. - F r. Strombidionopsis setigera S t o k e s
Liliimorpha viridis gen. nov. sp. nov. Strombidium viride S t.
Longilricha flava gen. nov. sp. nov. Sulcigera comosa gen. nov. sp. nov.
Marituja pelagica gen. nov. sp. nov. Tintinnidium fluviatile K e n t f. cylindrica f. nov.
Mucophrya pelagica gen. nov. sp. nov. Tintinnopsis davidoffii var. cylindrica D a d a y f. minima f. nov.
Ophryog\ena pelagica sp. nov. Tintinnopsis meunieri K o f o i d f. minima f. nov.
Prorodon garganellae sp. nov. Vorticella pelagica sp. nov.
In den pelagischen Gebieten des Baikalsees w u rd en von u n s somit 28 In fu so rie n formen
festgestellt. S e lbstverständlich k a n n diese L iste n ich t als erschöpfend gelten.
W ird in B e tra c h t gezogen, daß das pelagische P la n k to n in q u a lita tiv e r Hin sich t
ä u ß e rs t sp ä rlich is t u n d in sge samt ohne In fu so rien n u r gegen 15 Tie r- u n d Pflanzenformen
um faß t, so is t es augenscheinlich, daß die In fu so rien g ru p p e , die v o r allem in bezug a u f die
A r te n q u a n titä t alle ü b rig en Planktonbewohner zusammengenommen ü b e rtrifft, im P la n k ton
des Baikalsees in q u a lita tiv e r H in sic h t eine ä u ß e rs t wesentliche Rolle spielt.
Außerdem is t d a ra u f zu verweisen, d aß die ü b rig en baikalischen P lanktonbewohner
dem Makro- u n d Mesoplankton angehören u n d n u r eine geringe Anzahl von mikroplanktischen
A rte n aufzuweisen ist. N annoplanktische Fo rm en jedoch, z. B. F lag e lla ta , wurden
in dieser Region des Sees weder von den frü h e re n F o rsch e rn , noch von m ir vorgefunden,
u n d es is t m it gewisser Wah rsch e in lich k e it anzunehmen, daß das Nanno p lan k to n des B a ikalsees
in seinem Grundbestand au s In fu so rien besteht; im Mikroplankton f ä llt den In fu sorien
ebenfalls in q u a lita tiv e r u n d q u a n tita tiv e r H in sic h t u n te r allen ü b rig en Gruppen
die wesentlichste Rolle zu.
Die q u a n tita tiv e Rolle dieser G ruppe is t gleichfalls seh r ansehnlich, da einige A rten
im pelagischen P la n k to n des Baikalsees eine seh r reiche E n tw icklung erre ich en können.
A u f diese F ra g e werden w ir im Nachfolgenden gen au e r eingehen.
A u f jeden F a ll spielen die In fu so rien im pelagischen P lan k to n des Baikalsees, v ie lle
ich t auch im P lan k to n a n d e re r Wasserbecken, eine viel g rö ß e re Rolle, als b ish e r au f
Grund der sp ä rlich en L ite ra tu ra n g a b e n v e rm u te t werden konnte.
Nich t alle von den oben a u f gezählten Infu so rien fo rm en hab en im P lan k to n des Ba ika l-
pe lag ia ls die gleiche Bedeutung, u n d je nach dem Grad ih re r B e te iligung teilen w ir sie in
nachstehende K a teg o rien ein:
a) L e i t e n d e p e l a g i s c h e I n f u s o r i e n . Zu dieser K a teg o rie rechnen w ir die F o r men,
die m it dem pelagischen Gebiet q u a lita tiv u n d q u a n tita tiv am engsten verwachsen
sin d und deswegen die fü h ren d e Rolle spielen. Sie bilden gleichsam den Grundstock in der
G ruppe d e r pelagischen In fu so rien des Baikalsees.
E s sind dies:
Liliimorpha viridis gen. nov. sp. nov. Prorodon morula sp. nov.
Longitricha flava gen. nov. sp. nov. Spathidiosus bursa gen. nov. sp. nov.
Marituja pelagica gen. nov. sp. nov. Sulcigera comosa gen. nov. sp. nov.
Mucophrya pelagica gen. nov. sp. noy> Tintinnidium fluviatile S t. f. cylindrica f. nov.
In te re s s a n t is t die origine lle Zusammensetzung dieser Gruppe: au ß e r Tintinnidium fluviatile
sind alle A rte n n eu u n d gehören, m it Ausnahme von Prorodon morula, zu neuen
G attungen. F ü r 2 dieser F ormen, Liliimorpha viridis u n d Sulcigera comosa, sind in A n b
e tra c h t ih re r eig en a rtig en Org an isa tio n neue F am ilien gebildet worden. Von allen von
uns im Ba ika lsee k o n sta tie rten neuen In fu so rien -A rten geben die pelagischen F o rm e n den
g rö ß ten Anlaß, in ihn en E n d em ik e r zu v e rm u ten (s. S. 285). D e r erste P la tz u n te r diesen
F o rm en muß Marituja pelagica e in g e räum t werden. Dies In fu so r is t im ganzen ausgedehnten
P e lag ia l des Baikalsees v e rb re ite t u n d g e lan g t d o rt in manchen J a h re n zu einer
rie sen h a ften E n tw icklung. So b e tru g im J u n i 1927 die Zahl der \i<irituja I rulividuen im
P la n k to n des südlichen B a ik a l im Bezirk M a ritu j bei 15 m Tiefe n ic h t weniger wie 70 000
E x em p la re in 1 ccm. Die q u a n tita tiv e Bedeutung dieses In fu so rs w ird noch d ad u rch v e r g
rö ß e rt, daß Marituja in v e rtik a le r R ich tu n g seh r große Tiefen e rre ic h t und z. B. in ziemlich
b e trä ch tlich e r A nzahl in Tie fen von 600-—700 m angetroffen wurde. M. pelagica kommt
im P la n k to n des P e lag ia ls im L au fe des ganzen J a h re s vo r; diese F o rm v e rä n d e rt n u r im
Z usammenhang m it d e r T em p e ra tu r u n d N ah ru n g ih re v e rtik a le Verb re itu n g .
Das sehr ch a rak te ristisch e Suctor Mucophrya pelagica m it seinem in eine Schleimh
a u t geh ü llten K ö rp e r u n d seinen fa llsch irm äh n lich en Zysten, w ird ebenfalls a lle ro rten
im P e lag ia l, u n d zwar in g ro ß e r Menge im L au fe des ganzen J a h re s angetroffen, obgleich
dies Suctor keine so massenhafte E n tw ic k lu n g e rre ic h t wie Marituja.
Liliimorpha viridis, Longitricha flava, Prorodon morula, Spathidiosus bursa, Sulcigera
comosa, Tintinnidium fluviatile f. cylindrica spielen eine besonders große Rolle im
Win te r- u n d F rü h ja h rs p la n k to n des Baikalsees. Im März 1928 stieg im Be zirk von S ta tio n