D a ra u s is t e rsichtlich, daß fü r ein landbewohnendes R e p til n ic h t leicht, o ft sehr
schwer, ja zumeist soga r ganz unmöglich ist, diesen Voraussetzungen fü r eine erfolgreiche
E inw an d e ru n g nach einer abgelegenen In se l zu entsprechen; is t doch schon die W a h r scheinlichkeit,
daß Treibholz von der S tröm u n g einfach ins fre ie Meer fo rtg e trag en u n d
im g ü n stig s ten F a lle f l wieder a n die K ü sten eines Kontin en te s g e fü h rt wird, bedeutend
g rö ß e r als die Möglichkeit eines Verschlagenwerdens nach irg en d einem kleinen E ilan
d weit d rau ß en im Ozean. E in e in su la re Besiedelung d u rch re in p assive A u sb re itu n g sm
itte l k an n d a h e r bei R e p tilien n u r einen A u s n a h m e f a l l darste llen . W ir können also
den Anschauungen derjen ig en Autoren, die das Zustandekommen der H e rp e to fau n en au f
iso lie rt liegenden E ilan d e n oder Archipelen ausschließlich d u rch p assive Zuwanderung
e rk lä re n wollen, im allgemeinen - i- e in ig e Ausnahmen wurden a u f S. 9, 14— 15 e rw äh n t
— n ic h t beipflichten; vielmehr werden w ir ste ts zu e rst a n die Möglichkeit eines u rsp rü n g lichen
Vorkommens zu denken haben.
Selbst in d e r n eueren L ite ra tu r w ird me rkwürdigerweise noch re c h t oft an d e r großen
Bedeutung p a s siv e r A u sb re itu n g sm itte l fü r K rie ch tie re u n d an d e re te rre s tris ch e Geschöpfe
festgehalten. Die durch D a r w i n s klassische S childerung (1845) als Musterbeispiel einer
in su la ren F a u n a b e rü hm t gewordenen Galapagos g elten z. B. noch bei v ielen als du rch au s
ozeanischen U rsp ru n g s; ih re T ie rw e lt e rk lä rte D a r w i n selbst d u rch p assive E inw an d e ru
n g . Dieser A nsicht schloß sich au ch W a 11 a c e an, d e r ja auch die Azoren, K a n a re n u n d
Be rmudas, fe rn e r Madeira, St. Helena, H aw a i usw. a ls ozeanische E ilan d e au ffa ß te . F ü r
die westindische Inselwelt, besonders fü r die Großen Antillen , ste llte der am erikanische
Pa läontologe M a t t h e w (1919) die — meiner An sich t na ch u n h a ltb a re (vgl. S. 31)
Hypothese au f, d aß die L an d tie re d o rth in ohne jede L an d v e rb in d u n g d u rch „fortu ito u s
d isp e rsa l“ g e lan g t seien. Abgesehen von d e r schon erwäh n ten , ganz in d isk u tab len An sich t
G u p p y s , daß In se ln immer iso lie rt gewesen seien, n im m t in dieser Beziehung auch der
b ekannte T ie rgeograph D a h l einen seh r extremen S tan d p u n k t ein. Die Galapagos sin d fü r
ih n n a tü rlic h ozeanischen U rsp ru n g s (1921/23, 2, S. 13, 24); selbst so ausgesprochene L an d tie
re der Galapagos wie die riesigen Sch ild k rö ten (Testudo) wurden se iner An sich t nach
ausnahmsweise einmal d u rch eine Flu tw e lle ins Meer g e fü h rt und haben d an n treibend
durch geeignete S tröm u n g und günstig en Win d eine In se l e rre ich t. „Wollte man der Schildk
rö ten wegen f rü h e re L an d v e rb in d u n g en annehmen“ , sa g t D a h l , „so würde m an sich in
die grö ß ten Schwierigkeiten verwickeln. Namentlich wä re schon das vollkommene Fehlen
a lle r nich t fliegenden Säuge tie re a u f den Inse ln ganz u n v e rstän d lich .“ E in e n äh e re B e g rü n dun
g d e r k o n tin en ta len N a tu r d e r Galapagos soll e rs t sp ä te r (S. 34) gegeben werden; h ie r sei
n u r d a ra u f hingewiesen, daß nichtfliegende S äu g e r a u f den Galapagos Vorkommen, sogar
in einer endemischen Gattung. Selbst solche Inseln, die von endemischen Amphibien bewohnt
werden, h ä lt D a h l fü r ozeanisch: z. B. die Seychellen, wo ja b ek an n tlich sehr
eigentümliche Fro sch lu rch e u n d n amentlich Blind wühlen leben, fü r die eine p assive tr a n s m
a rin e Z uwanderung eine Unmöglichkeit ist. Den Re ichtum d e r R ep tilien fau n a a u f den
Seychellen e rk lä rt D a h l dad u rch , daß in den T ropen Bäume besonders o ft entwurzelt
u nd im Meere tre ib en d zu den In se ln g e fü h rt werden. Nach D a h l (a. a. 0 . S. 26) sollen
sog a r alle (!) T atsa ch en d a ra u f h in weisen, daß Mad ag a sk a r von jeh e r eine In se l war.
Solche Hypothesen können ab e r niemals das Zustandekommen der g e s a m t e n L an d fau
n en so a lte r Inseln, wie der Galapagos, der Seychellen oder g a r Madagaska rs, e rk lä ren.
Die ü b e rau s au ffa llen d e Tatsache, daß alle d e ra rtig e E ilan d e in e rs te r L in ie von
a l t e r t ü m l i c h e n Geschöpfen besiedelt sind, die von moderneren, geg enw ä rtig a u f dem
F e stlan d e lebenden T y pen oft m eh r oder weniger deutlich abweichen, die ja schließlich
ebenso g u t a u f tra n sm a rin em Wege nach allen diesen In se ln gelangen müßten, haben
D a h l sowie die an d e ren Zoogeographen d e r gleichen R ich tu n g v ie l zu wenig oder g a r
n ich t beachtet. Auch is t ih n en offenbar g a r n ich t aufgefallen, daß ja in d e r Gegenwart
auch um g ek eh rt d e r T ra n s p o rt d e r T ie re von so großen und vegetationsreichen In se ln
wie von M a d ag a sk a r zurück nach dem K o n tin en t n ich t n u r wahrsche inlich, sonde rn sog
a r ganz sicher sta ttfin d en müßte, wenn schon einmal eine so reiche in su la re L an d fau n a
wie die madagassische es fe rtig g eb ra ch t h a t, die In se l ausschließlich m it H ilfe pa ssiv e r
A u sb re itu n g sm itte l zu erre ichen. Alle d e ra rtig e F ra g e n erledigen sich ab e r von selbst,
wenn man die A nsicht v e r tr itt, daß die te rre s tris c h e T ie rw e lt na ch diesen In se ln n ich t
an d e rs a ls a u f dem Landwege — a ls diese Gebiete noch in lan d fe ste r Ve rb in d u n g m it den
K o n tin en ten stan d en — g e lan g t ist.
Bei den Auto ren , die a n d e r hohen zoogeographischen Bedeu tu n g tra n sm a rin e r T ie rtra
n sp o rte festh a lten , g ilt die „Neubesiedelung“ d e r V ulkaninsel K r a k a t a u , deren T ie rwelt
im J a h r e 1883 d u rch die bek an n te E ru p tio n angeblich ganz v e rn ich te t worden ist,
als ein wichtiges A rg um en t fü r die R ich tig k e it ih re r Ansichten. Zu der K ra k a ta u -F a u n a
muß n u n zunächst bemerkt werden, daß die Lage d e r In se l — in d e r schmalen Sunda-
S tra ß e , zwischen S um a tra u n d J a v a .-anj fü r die p assive Zuwanderung von L an d tie ren
ganz au ß e ro rd en tlich g ü n stig ist. Von R e p tilien sin d von K ra k a ta u zu r Zeit folgende
8 A rten bek an n t: Hemidactylus frenatus, Cosymbotus platyurus, Lepidodaetylus lugubris,
Varanus salvator, Mabuya multifasciata, Emoia atrocostata, Python reticulatus und Cro-
codylus porosus. N u r die 3 H a ftz eh e r u n d Mabuya multifasciata sind ausgesprochene
L an d tie re ; die ü b rig en sind keineswegs wasserscheu, u n d die kleine Glattechse Emoia atrocostata
k a n n m an schon fa s t a ls „Meeresechse“ bezeichnen. Und da die 3 Geckonen weit
v e rb re ite te , eu ry to p e F o rm e n sind, w ürde eine tra n sm a rin e Zuwanderung lediglich von
Mabuya multifasciata schwierig zu e rk lä re n sein. Aber vielle ich t b ra u c h t man auch h ie r
g a r n ich t a n p assive A u sb re itu n g zu denken.
S c h a r f f (1925) h a t nämlich die seh r einleuchtende A n sich t zum A usdruck gebracht,
daß eine restlose A u s ro ttu n g des Tie r- u n d Pflanzenlebens a u f K r a k a ta u im J a h r e 1883
g a r n ich t bewiesen sei; u n d es is t in d e r T a t g a r n ich t unwahrsche inlich, d aß manche n ie dere
Organismen wie Spinnen, In sek ten , Mollusken — u n d vie lle ich t auch Eidechsen
sich in F e lssp a lten u n d E rdlöchern, u n te r Steinen usw. zu re tte n vermochten. In diesem
Zusammenhänge is t es seh r bemerkenswert, daß die neue Pflanzendecke n ic h t an der
K ü s te K ra k a ta u s zu g rü n e n begann, sonde rn in d e r Mitte d e r Insel; denn auch von bo ta nischer
Seite wird neuerd in g s au sdrücklich hervorgehoben, daß die V e rn ich tu n g säm tlich
e r Pflanzen nach dem Ausb ru ch unwahrsche inlich sei: B ä c k e r (1929) h ä lt es d u rch au
s fü r möglich, daß gewisse F a rn e a u f K r a k a ta u den A usbruch üb e rleb t haben. J e d e n fa
lls vermögen auch die neueren, ü b e rau s so rg fä ltig en A u sfü h ru n g en D a m m e r m a n s
(1922, 1929) ü b e r die angeblich neu zugewanderte K ra k a ta u -F a u n a die Bedenken gegen
die Annahme ein e r rad ik a len Ve rn ich tu n g d e r gesamten Organismenwe lt n ic h t zu zerstreuen.
Daß man b a ld na ch d e r E ru p tio n a u f K ra k a ta u viele A rten n ich t gefunden h a t,
die geg enw ä rtig d o rt häufig sind, k a n n nämlich meiner An sich t nach lediglich a u f die
V e rm in d e ru n g d e r in d iv id u e llen Be stände durch die gewaltige K a ta s tro p h e zu rü ck g e fü h rt
werden.
Bevor n ic h t weiteres Beobachtu n g sma te ria l zu diesen u n d ähnlichen Besiedelungsfrag
e n von In se ln zusammengetragen wird , müssen w ir d u rch au s das 10. „biogeographische
Zoologica. Heft 84. 3