Tatsache zu rü ek zu fü h ren ist, daß es sich bei ihn en um eine noch re c h t ju n g e T ie rg ru p p e
handelt, die a u f viele In se ln n ich t m eh r gelangen konnte; die meisten ä lte re n E ilan d e
sind ja in der T a t v o n Schlangen ganz unbewohnt: so z. B. Neu-Seeland, Neu-Kaledonien,
K an a ren , K ap v e rd en . Au f d e r an d e ren Seite fehlen ab e r Schlangen auch a u f zahllosen
kleinen u n d kle in sten E ilan d e n jü n g e ren E n ts teh u n g sd a tum s feb eine E rscheinung, die je dem
Besucher der m ed ite rran en Scoglien v e r tra u t ist. H ie r is t n u n zu berücksichtigen,
daß diese R e p tilien g ru p p e a u f dem F e stlan d e niemals in so in d iv id u en re ich en Beständen
au fzu tre te n pflegt wie sehr viele E ide chsenarten: das h a t n a tü rlic h zu r Folge, d aß S chlangen
v ie l weniger Aussicht haben, in einer wirk lich lebensfähigen P o p u la tio n a u f ein sich
vom Festlan d e absonderndes E ila n d zu gelangen als die Eidechsen. Außerdem lassen sich
Schlangen n ich t so leicht vom Menschen verschleppen wie manche Echsen: das e rk lä rt
wieder ih r F eh len fa s t a u f allen re in ozeanischen Inseln, wie z. B. den Atollen; n u r der
leich t verschlepp b a re Typhlops braminus u n d m a rin e A rten kommen d o rt gelegentlich vor.
Besonders selten Wird m an n a tü rlic h a u f ä lte ren In se ln den stammesgeschichtlich
jü n g sten S ch langengruppen begegnen, zu denen die p ro te ro g ly p h en u n d solenoglyphen
Giftschlangen gehören. So sin d z. B. alle In se ln des gewaltigen westindischen Archipels
(m it Ausnahme von M a rtin iq u e u n d St. Lucia), fe rn e r die Galapagos u n d Mad ag a sk a r
m it den ben a ch b a rten E ilan d en , dan n K o rsik a u n d S a rd in ie n völlig f re i von 9 fü r den
Menschen g e fäh rlieh e nM SG ifts ch lan g en . Aber au ch schon die Opisthoglyphen tre te n a u f
In se ln zurück: von 83 Schlangenformen, die man bishe r vom westindischen A reh ip e l k ennt,
sind -E a u ß e r d e r einen solenoglyphen A r t Bothrops atrox — n u r 3 opisthoglyph, alle
üb rig en dagegen ganz harmlos.
E s en ts te h t n u n die F ra g e : g ib t es ü b e rh a u p t Inseln, die a u s s c h l i e ß l i c h v o n
S c h l a n g e n , n ich t ab e r gleichzeitig auch von Eidechsen besiedelt sind? Solche S chlangeninseln
g ib t es n u n in d e r T a t, sie sind alle rd in g s ä u ß e rst selten. Die A rten z ah l der
Schlangen a u f ein e r In se l w ird ja g rö ß e r, je um fan g re ich e r u n d fe stlan d äh n lich e r die I n sel
ist. A u f g roßen k o n tin en tn ah en u n d n ic h t besonders a lten In se ln ü b e rtrifft soga r die
Zahl d e r S ch lan g en a rten fa s t immer die d e r Eidechsen. So g ib t es a u f d e r festlan d n ah en
In se l H a in a n 20 Eidechsen- u n d 34 Schlang en a rten ; a u f den Großen S u nda-Inseln S umatr
a , Borneo u n d J a v a is t die Z ahl d e r Schlangenspeeies ebenfalls höher als die d e r E ch sen.
Auch a u f dem F e stlan d e h e rrs c h t im allgemeinen ein ganz ähnliches V e rh ä ltn is: im
k o n tin en ta len N o rd am e rik a (geographisch äbgegrenzt wie bei S t e j n e g e r & B a r b o u r ,
1933) kommen a u f 108 E ide ch sen a rten n ich t weniger als 135 Schlangen (n u r E u ro p a m acht
eine m e rkwürdige Ausnahme, indem d o rt 46 Eideehsenspecies n u r 32 Schlangen gegenüberstehen).
Gliedert sich n u n eine In se l vom F e stlan d e ab, wo die E ide ch sen fau n a besonders
a rm ist, so k a n n u n te r Umständen die in su la re H e rp e to fau n a im wesentlichen aus
Schlangen bestehen. Das is t z. B. an d e r Ostküste d e r V e reinigten S ta a ten d e r F a ll: die
n u r 14 Meilen vom F e stlan d e (Virginia) en tfe rn te Hog-Insel w ird nach B r a d y (1925,
S. 110) zwar von 4 Schlan g en a rten (Heterodon contortrix, Opheodrys aestivus, Coluber
constrictor, S alrix sipedon sipedon) bewohnt, ab e r von k e in e r einzigen Eidechse; a u ß e rdem
kommen d o rt n u r noch einige S ch ildkröten u n d eine K rö te n a r t vor. Au f d e r In se l
B a y n e (Britisch-Kolumbien) leben ebenfalls n u r Schlangen (Thamnophis sirtalis concin-
nus), a b e r keine Eidechsen. Ebenso v e rh ä lt es sich m it der südlichsten K u rilen -In se l Ku-
n a sch iri, wo von R e p tilien n u r zwei N a tte rn a rte n , Elaphe climacophora u n d E. quadri-
virgata Vorkommen. E in anderes Beispiel f ü r eine d e ra rtig e Zusammensetzung der
H e rp e to fau n a ste llt die bek an n te Schlangeninsel des Schwarzen Meeres d a r, die n u r von
d e r W ü rfe ln a tte r (Natrix tessellata) besiedelt wird. Auch die brasilian isch e In se l Queimada
Grande, die H e im a t d e r seh r bemerkenswerten Otte r Bothrops insularis, scheint von k e in
e r Eide chse bewohnt zu sein; au ß e r dieser In se lo tte r is t von d o rt meines Wissens n u r noch
eine harmlose N a tte r, Dipsas albifrons, bekannt. W enn jedoch a u f dem kleinen Rames-
v a ram -E ilan d im Golf von M a n a r bishe r allem Anschein nach n u r Schlangen (Lycodon
Italiens, Natrix stolata), ab e r keine Eidechsen la u t T h u r s t o n (1895, S. 99) naehgewiesen
sind, so is t das v e rm u tlich n u r a u f eine ungenügende D u rchforschung dieser In se l zu rü ck zuführen.
Re cht in te re ss an t is t es übrigens, daß auch a u f der Nkosi-Insel im Viktoria -See in
Ug an d a nach den U n te rsuchungen P i tm a n s (1929, S. 146) m it Ausnahme des aq u a tilen
N ilw a ran s (Varanus niloticus) g a r keine Eidechsen Vorkommen, wohl ab e r Schlangen (Python
sebae, Chlorophis emihi). Offenbar h an d e lt es sich h ie r um eine sozusagen „ozeanische“
Insel, d. h. um eine Landmasse, die - wahrsche inlich infolge d e r zunehmenden
A u stro ck n u n g des S e e sE - au s dem W a sse r emportauchte und ih re F a u n a durch n a c h trä g liche
Z uwanderung e rh a lten h a t. Das F eh len von Landeidechsen u n d das Vorkommen der
Schlangen w ürde sich d an n a u s d e r einfachen T a tsache e rk lä re n , daß das Süßwasser von
vielen te rre s tris ch en Schlangen fre iw illig au fgesucht wird, wäh ren d a lle echten L an d bewohner
u n te r den Eidechsen das Süßwasser in den meisten F ä llen s tren g meiden; und
n u r d e r weitgehend aq u a tile N ilw a ran k önnte von dieser K rie ch tie rg ru p p e die In se l
schwimmend erreichen.
2. Artenarmut und ihre Ursachen.
E in wesentliches Me rkmal a lle r In se lfau n en is t ih re A r t e n a r m u t . Von wenigen
ganz g roßen In se ln abgesehen, die vom biologischen S tan d p u n k te kleine, selbständige Ko n tin
en te rep rä sen tie ren , wie Neuguinea, Borneo, S um a tra u n d Madagaska r, wo die gesamte
A rten z ah l te rre s tris c h e r Organismen k aum g e rin g e r is t als a u f den näehstliegenden F e s tlän
d e rn , w ird m an immer wieder die F e stste llu n g machen, daß es a u f In se ln n ic h t so viele
Species ein e r T ie rg ru p p e g ib t wie a u f dem K o n tin en t; u n d im sehr vielen F ä lle n sp rich t
maiMa d ire k t von v e ra rm te n In selfaunen, D ä b e tis t zu beachten, daß u n te r „A rte n “ nichts
an deres als Formen- oder Ra ssenkreise zu versteh en sind; der A rtb eg riff is t also, wie in
der modernen S y stematik üblich, möglichst weit zu fassen. Denn an U n te ra rte n oder R a ssen,
in die sieh eine Species sp a lte t, zeigen die In se ln seh r o ft eine g rö ß e re M a n n ig fa ltig k
e it als die K o ntinente, ab e r auch in diesem F a lle kommt, wenigstens a u f k le in e ren Inseln,
fa s t immer n u r eine einzige Rasse des gleichen Kreises oder d e r gleichen A r t a u f einem
E ilan d vor. Es k a n n also g esagt werden: die In se ln sind a rte n ä rm e r als das F e stlan d ; d a fü
r zeigen a b e r die A rten a u f In se lg ru p p en sehr oft eine wesentlich re ich e re Gliederung
in U n te ra rte n oder Rassen als a u f dem Festlande . W äh ren d d e r zweite Teil dieses Satzes
e rst im stammesgeschichtlichen K ap ite l v orliegender A b h andlung e ingehender e rö rte rt
werden soll, sei h ie r d e r erste etwas n ä h e r besprochen.
Die U rsachen in su la re r A r te n a rm u t können sehr verschiedener N a tu r sein. Zunächst
muß d a fü r die i s o l i e r t e L a g e der E ilande , die ja ste ts eine meh r oder minder große
E n tfe rn u n g von den k o n tin en ta len E n tw icklungszentren des T ie rre ich s bedingt, v e r a n twortlich
gemacht werden. E in solches E n tw ic klungszentrum befindet sich z. B. — wie man
a u s paläozoologisehen u n d zoogeographischen Gründen anzunehmen bere ch tig t is t E - in
Südostasien. J e g rö ß e r n u n die E n tfe rn u n g zwischen einer In se l u n d diesem E ntw ick lu n g szentrum
ist, desto sp ä rlich e r werden a u f dem E ilan d n a tu rg em äß diejenigen A rten v e r tre