a u fsp a lte t, während a u f dem Festlan d e bei d e r gleichen Species eine Differenzierung n u r
nach einigen wenigen R ichtungen erfolgt.
2. Wie d e r L amarckismus und d e r D arwinismus g eh ö rt auch das Migrationsgesetz
oder die Separa tio n sth eo rie Mo r i t z W a g n e r s zu den w ichtigsten Hypothesen d e r Abstammungslehre.
E in e generelle Bedeutung kommt ih r indessen n ich t zu, und zwar nich t
n u r weil sie die Selektion ablehnt, sondern v o r allem weil sie behau p te t, d aß die räumlich e
Sonderung eine un e rläß lich e Vorbedingung fü r die E n ts teh u n g k o n sta n te r Va ria tio n en
darstelle. Die W irk u n g d e r räum lich en Sonderung b e ru h t v ielmehr a u f d e r A m i x i e ,
inde n neu a u f tre ten d e V a rian ten d urch K reu zu n g sv e rh in d e ru n g m it an d e rs g e a rte ten
In d iv id u e n d e r Ausgangspopulation k o n se rv ie rt u n d die V a ria tio n en d adurch in bestimmte
B ahnen g elenkt werden. Gerade fü r die A u sbildung der rassenscheidenden, in bezug au f
den Selektionswe rt häufig ganz indifferenten Merkmale ist Amixie von a lle rg rö ß te r Bedeutun
g ; haben jedoch diese Merkmale Selektionswert, so werden sie sich auch ohne geog
rap h isch e Amixie m it Hilfe d e r n a tü rlic h en Zuchtwahl, deren W irk u n g ja ebenfalls au f
(sexueller) Isolation b e stimmter In d iv id u e n b e ru h t, durchsetzen.
3. Das Wesen d e r räum lich en Sonderung lä u f t somit a u f das einer in d ire k te n p h ysiologischen
oder s e x u e l l e n I s o l a t i o n hinaus. U n te r ihrem Schutze können sich a lte rtümliche
Merkmale e rh a lten und neue a u f tre te n ; ab e r ohne die allen Lebewesen in n e wohnende
F äh ig k e it zu v a riie ren , v e rm ag die Isolation als solche die Geschöpfe ebensowenig
zu einem stammesgeschichtlichen F o rts c h r itt zu fü h ren wie die n a tü rlic h e Zuchtwahl.
IV.
1. Da die rassenscheidenden Merkmale der inselbewohnenden Rep tilien — mindestens
zum weitaus g rö ß ten Teile — genotypisch bedingt sein müssen, ste llen sie M u t a t i o n e n
d a r. I h r A u ftre ten , das von der Umwelt zumeist ganz u n ab h än g ig ist, sp ric h t entschieden
n ich t zugunsten d e r lamarckistischen An sicht, daß Modifikationen in Mu ta tionen ü b e rgehen
u n d d am it den Unterschied zwischen P h än o ty p u s und Genotypus verwischen. Viele
In se lv a ria tio n en tre te n a ls kleine S ch rittm u ta tio n en in E rs ch e in u n g u n d ergeben d an n ein
k ontinuierliche s V a ria tio n sb ild ; häufig sind ab e r auch au genfällige S p ru n gm u ta tio n en bei
in su la ren K rie ch tie ren . So k an n d e r In selmelanismus sowohl d u rch Sum m ie ru n g k le in ste r
S ch ritte wie auch sp ru n g h a ft zum A usdruck kommen; im letzteren F a lle lassen sich — wie
bei dem m u ta tiv en Melanismus a u f dem F e stlan d e — die einzelnen S tad ien der Ausbildung
ein e r melanistischen F o rm deutlich verfolgen: meianistische Mutan ten tre te n zunächst als
S e ltenheit bei einzelnen In d iv id u e n eines Bestandes au f, d an n bei einem grö ß e ren P ro z en tsatz,
endlich beim gesamten Bestände.
2. Vielen In se lv a ria tio n en kommt zweifellos ein S e l e k t i o n s w e r t zu. Der Melanismus
k an n zwar eine S ch u tz fä rb u n g n u r in den seltensten F ä llen darste llen ; denn die meisten
extrem geschwärzten In sel-Reptilien haben a u f den E ilan d en ü b e rh a u p t keine F einde und
leben überdies nich t selten a u f ganz hellem U n te rg rü n d e . D a ab e r die T em p e ra tu ren auf
kleinen E ilan d en d e r wä rme ren Zonen n u r se lten oder g a r n ich t die Hitz eg rad e d e r F e stlän
d e r erre ichen, besteht die se lektive Bedeutung des in su la ren Melanismus fü r Reptilien
offenbar in seinem hohen Absorptionsvermögen fü r W ä rm e strah len . Auf dem Festlande
k an n sich dagegen die Schwarz fä rb u n g a ls Wä rmespe icher n u r in ganz seltenen F ä llen —
u nd zwar zumeist bei k rä ftig en , w eh rh a ften A r te n — ausbilden, weil die F a rb k le id e r der
K rie ch tie re im allgemeinen die Bedeutung von S ch u tz tra ch ten haben, d e r Melanismus ab e r
fa st immer ein seh r auffä llig e s Gewand d a rste llt. Der plumpe H ab itu s mancher Insel-
Rep tilien d ü rfte m it d e r Al l e n s c h e n Regel Zusammenhängen. Es g ib t a b e r auch
Insel Variationen, die a ls — von d e r Selektion herausge züchtete — „Anpassungen“ v o rläufig
n ich t zu deuten sind, wie z. B. die Tendenz zu r V e rk le in e ru n g d e r Schuppen und
V erm eh ru n g d e r Schuppenzahlen. Da d e r „K am p f ums Dasein“ a u f kleineren Inseln sich
zumeist wesentlich e infacher ab sp ie lt als auf dem Festlande m it seinem ungeheuren Reichtum
an K o n k u rren te n oder Feinden, haben n ich t wenige E igenschaften inselbewohnender
K rie ch tie re , die a u f dem K o n tin en t ausgemerz t werden, offenbar g a r keinen Selektionswe
rt; dazu gehören n amentlich viele rassenscheidende Merkmale, die q u a n tita tiv oft ganz
u nbedeutend sind, wie g e rin g e Divergenz in Schuppen- oder Schilder-Zahlen oder in F ä r-
bungs- und Zeichnungs-Merkmalen. D e ra rtig e Muta tionen vermögen sich ab e r trotzdem
in ein e r in su la ren P o p u la tio n leicht durchzusetzen, sofern es n u r ih re Dominanz g e s ta tte t
und d e r Mutationskoeffizient genügend hoch ist.
3. Bei In sel-Reptilien sind o r t h o g e n e t i s c h gerich te te V a ria tio n en offenbar weit
v e rb re ite t, die a u f ste tig von Generation zu Generation in ein e r bestimmten Rich tu n g fo rtschreitenden
Genveränderungen beruhen. Die Orthogenese muß bei inselbewohnenden
T ie ren besonders häufig deswegen zu Exzessivformen fü h ren , weil d e r negative Selektionsw
e rt v ie le r ex trem e r E igenschaften sich a u f In se ln bedeutend weniger geltend m acht als
a u f dem F estlande . — Das R o s a sehe „Gesetz“ von der p rogressiven Abnahme d e r V a r ia b
ilitä t trifft n ich t fü r a lle extrem differenzierten Fo rm en zu; g e rad e viele s ta rk spe zialisie
rte In sel-Reptilien zeigen, daß ih re V a ria tio n sfä h ig k e it noch keineswegs erschöpft ist.
4. Im V e r l a u f d e s i n s u l a r e n F o r m e n w a n d e l s , der in der H au p tsa ch e a u f der
Neigung und F ä h ig k e it d e r Lebewesen, erbliche V a ria tio n en zu erzeugen, zurückzuführen
ist, lassen sich fa s t immer zwei P h a sen u nterscheiden: zunächst t r i t t ein Z erfall des u r sp
rünglichen A rtb ild e s in eine g rö ß e re Z ahl von V a ria n te n ein; d an n e rfo lg t ih re V e rd
rä n g u n g d u rch einige wenige oder eine einzige V a rian te , wodurch wiederum eine E in fö
rm ig k e it des A rtb ild e s e rz ie lt wird. Da viele Inse l-V a ria tio n en keinen Selektionswert
haben, is t anzunehmen, daß im E n d stad ium des Formenwandels auch diejenigen In d iv iduen,
die den u rsp rü n g lich en C h a rak te r im homozygoten Zustande trag en , sich m u ta tiv
umbilden. Die M u ta b ilitä t d e r in su la ren E igenschaften, ih re Un ab h än g ig k e it voneinander
sowie die E rsch e in u n g d e r Genepistase b rin g en es m it sich, d aß der Formenwandel au f
zwei b en a ch b a rten In se ln seh r o ft in einer ganz d iv ergenten Weise v e rlä u ft. A n dererseits
können dad u rch auch a u f weit vo n e in an d e r en tfe rn ten E ilan d e n p a ra lle le F ormen zu r Ausbildung
gelangen, die n a tu rg em äß n ich t immer in einem n äh e ren verwand tsch a ftlich en
V e rh ä ltn is zu stehen b rauchen. In se lra ssen eines F ormenkreises sind im allgemeinen als
A rten in S ta tu nascendi zu b e tra ch ten ; obwohl ex trem sp e zialisierte Inselformen sich fa st
immer noch weiter zu differenzieren vermögen, werden sie doch kaum jemals zu r Ausbildung
von ganz neuen T ypen bzw. Stämmen führen.