normalen Z e ichnungstypus unte rsch e id e t und offenbar eine Muta tion d a rs te llt (vgl. F ig . 20).
Dieser Z e ichnungstypus e rin n e rt nämlich weit meh r an die a u f Lombok lebende F o rm
(Ablepharus boutonii Cursor), die jedoch in der Zeichnung ebenfalls n ich t einheitlich ist,
wie ich in meiner Be a rb e itu n g dieses Formenkreises n ä h e r au sg e fü h rt habe (1931).
N a tü rlich können auch verschiedene B e s c h u p p u n g s - und B e s c h i l d e r u n g s me
rkmale m u ta tiv zu r Ausbildung gelangen. So b e ru h t die V e rg rö ß e ru n g d e r Schuppenzahlen,
die ja bei den verschiedensten inselbewohnenden K rie ch tie re n wiederkehrt, ganz
zweifellos a u f Mu ta tionen; auch das A u ftre ten eines differenzierten In te rp a rie ta le bei gewissen
Rassen von Ablepharus boutonii is t zweifellos als eine (atavistische?) S p ru n g v a ria tio
n zu b e trachten. Ganz ähnlich is t auch die A u sbildung in su la re r R i e s e n - und Z w e r g formen
zum g rö ß ten Teile a u f Muta tionen zurückzuführen, und zwar v e rm u tlich a u f q u an tita
tiv e Gen-Änderungen. Das gleiche g ilt auch fü r die in su la ren V a ria tio n en , die m it d e r
K ö r p e r f o r m Zusammenhängen. K ä m m e r e r fa ß t die Schwanzve rdickung als V e re
rbung des dicken und kurzen Schwanzregenerates a u f (Mechanomorphose). Wenn es auch
ric h tig ist, d aß bei Inselechsen die Schwänze seh r oft abgebissen werden u n d wieder na ch wachsen,
so w id e rsp rich t eine solche A u ffassung der in su la ren Schwanzform d u rch au s den
experimentellen E rgebnissen d e r modernen Vererbungslehre, ganz abgesehen davon, daß
vom theoretischen S tan d p u n k te die Möglichkeit einer d e ra rtig e n V e re rb u n g k aum v o rste
llb a r ist.
Ohne Zweifel tre ten n u n alle diese V a ria tio n en auch a u f dem F e stlan d e als Muta tionen
meh r oder weniger häufig auf, ebenso wie ja auch d e r Melanismus keineswegs a u f die
In se ln a lle in b e sch rän k t ist. N u r fallen alle d e ra rtig en ,,Insel“ -Varia tionen, die m it der
Beschuppung, d e r K ö rp e rfo rm u n d den Körperdimensionen Zusammenhängen, inm itte n
einer kontin en ta len P o p u la tio n n a tu rg em äß w e it weniger au f als d ieF a rb k le id -V a ria tio n en ,
n amentlich a ls die melanistischen In dividuen, die sieh ja soga r dem L aien a u f drän g en . W e r
ab e r g rö ß e re Serien von E idechsen oder Schlangen von irg en d einem k o n tin en ta len F u n d o rt
so rg fä ltig u n te rsu ch t h a t, d e r wird immer wieder finden, daß einzelne In d iv id u e n aus
d e r d u rchschnittlichen V a ria tio n sb re ite auch d u rch besondere Maße, K ö rp e r form oder
B e schuppungs-Eigentümlichkeiten herau sfa llen : das sind eben sehr häufig g e n o t y p i s c h e
V aria tio n en , die a u f dem F e stlan d e oft ausgemerz t werden, die ab e r in kleinen P o p u la tio nen,
u n te r dem Schutze d e r räum lich en Sonderung, sich durchzusetzen und das A rtb ild zu
v e rä n d e rn vermögen.
2. Die Bedeutung der Selektion.
In einem In d ividuenbestande werden sich v o r allem n u r solche genotypischen V a r ia tionen
durchsetzen können, die fü r ein Lebewesen zweckmäßig sind, die also einen Selektionswe
rt haben. Wie die räumlich e Sonderung v e rm ag se lbstverständlich auch die Selektion,
die ja n u r eine besondere F o rm d e r Iso la tio n d a rste llt, als solche niemals neue V a ria tionen
zu erzeugen; schon D a r w i n h a tte ja ganz ric h tig e rk an n t, daß die Grundlage fü r
die W irk sam k e it der n a tü rlic h en Zuchtwahl die V a ria tio n sfäh ig k e it der organischen N a tu r
abgebe. Die Bedeutung der Umwelt besteht danach in d e r Hau p tsa ch e d a rin , daß sie den
einzelnen, genotypisch einheitlichen In d iv id u e n g ru p p en g ü n stig oder u n g ü n stig t ist; und
die S e l e k t i o n is t es, die diese verschiedenen, in der fre ien N a tu r d u rch e in an d e r gemischten
In d iv id u e n g ru p p en ein e r P o p u la tio n so rtie rt. Die Auslese schafft also nichts
Neues; sie e rh ä lt n u r das, was die Macht d e r V a r ia b ilitä t fü r den Organismus Nützliches
h e rv o rg e b ra ch t h a t u n d v e rn ich te t das fü r ih n Schädliche. Ganz k la r is t also, daß der
Selektionswe rt ein e r E ig e n sch a ft von d e r Umwelt ab h än g t: die gleiche V a ria tio n kan n
u n te r verschiedenen Umweltsbedingungen einen ganz verschiedenen, ja zuweilen soga r
einen entgegengesetzten Selektionswe rt haben. Nich t jede V a ria tio n muß üb rig en s selektio
n sw e rtig sein: es g ib t ganz zweifellos sehr viele Merkmale, die fü r ein Lebewesen völlig
gle ich g ü ltig sind. Doch d a rf man hierbei n ich t ganz übersehen, daß ein g ro ß e r Teil
d e r E igenschaften sicher n u r scheinbar — d. h. n u r fü r u n se re Beobachtungsmethoden —
keinen Selektionswe rt h a t, in W a h rh e it ab e r fü r den Organismus doch keineswegs gleichg
ü ltig ist.
L ä ß t sich n u n speziell fü r die in su la ren V a ria tio n en der Reptilien, die w ir in frü h e ren
K a p ite ln kennen g e le rn t haben, irg en d ein Selektionswe rt nachweisen? Ich glaube m it Bestim
m th e it annehmen zu d ürfen, daß zumindest ein Teil davon fü r die inselbewohnenden
K rie c h tie re d u rch au s z w e c k m ä ß i g ist.
Be tra ch ten w ir zunächst wieder den M e l a n i s m u s u n d p rü fen die schon frü h e r
(S. 123) k u rz d isk u tie rte F ra g e nach, inwieweit e r bei in su la ren K rie ch tie ren die Bedeutung
e in e r S c h u t z f ä r b u n g hab en kan n . Was die festländischen Rep tilien b e trifft, so ste llt
bei ihnen der Melanismus n u r selten eine S ch u tz tra ch t d a r. W äh ren d nichtmelanistische
Eidechsen u n d Schlangen a u f dem Festlan d e u n d a u f g roßen k o n tin en ta len Inseln meist
ch a rak te ristisch e Schutzkleider haben u n d n u r re c h t selten g a r keine Beziehungen zwischen
ih re r F ä rb u n g und den F a rb e n ih re r Umgebung e rkennen lassen (vgl. jedoch S o u t-
h o f f , 1914), sind schwarzgetönte F e stlan d sk rie ch tie re offenbar höchst selten einmal T rä g
e r eines Schutzkleides; durch ih r schwarzes F a rb k le id fa llen sie vie lm eh r in der Regel
ü b e ra ll auf. Von d e r schwarzen Gebirgsform d e r Lacerta oxycephala wird beispielsweise
im Sitzungsprotokoll des Münchner V iv a rien Vereins „ Isis“ berichtet, „daß wohl kaum eine
Echse a u f g rößere E n tfe rn u n g so sicher e rk a n n t zu werden vermag, als g e rad e Lacerta
oxycephala tomasinii, die sich von dem hellen K a rstg e ste in a u f w e ith in sic h tb a r ab hebt“ .
Am ehesten k a n n a u f dem F e stlan d e a n ein Schutzkleid bei den sehr d ü ste r gefä rb ten ,
teilweise v e rste ck t oder soga r su b te rra n lebenden Bodenechsen (z. B. Dibamus, Feylinia,
Melanoseps) oder E rd sch lan g en (z. B. Typhlops) g ed a ch t werden.
Daß u n te r diesen Umständen auch die in su la re Schwarz fä rb u n g n u r in ganz wenigen
F ä llen eine wirkliche S ch u tz tra ch t re p rä se n tie re n kan n , lieg t a u f d e r Hand. Das trifft z.B.
vielleicht fü r Ablepharus boutonii ater a u f d e r In se l Groß-Comoro zu, dessen F ä rb u n g an
das dunkle L avage ste in g u t „ an g ep a ß t“ sein soll. Auch noch bei einigen anderen, mehr
oder m in d e r geschwärzten In se lrep tilien , die ebenfalls a u f dunklem U n te rg rü n d e leben,
könnte sich d e r Melanismus möglicherweise als eine S ch u tz tra ch t na ch dem Selektionsp
rin z ip ausgebildet haben.
Bekan n tlich h a t besonders E i m e r sich m it d e r Schutz fä rb u n g d e r Eidechsen beschäftig
t und ein re ch t großes M a te ria l zu diesem Problem, n amentlich soweit es sich a u f die
F ä rb u n g d e r Mauereidechsen bezieht, zusammengetragen. Schon in se iner e rsten P u b lik a tion
üb e r die F araglione-E chse (Lacerta sicula coerulea) h a t er das Zustandekommen ih re r
e igenartigen F ä rb u n g d urch die W irk u n g der n a tü rlic h en Z uchtwahl zu e rk lä re n v e rsu ch t
(1872, S. X): g rü n e Eidechsen könnten sich se iner An sich t nach a u f dieser Felsk lip p e nich t
h alten, weil sie d o rt v o r ih ren F einden keinen Schutz in ih rem F a rb k le id e h ä tten ; die
b lau g rau bis schwarz getönten h ä tten dagegen einen V o rte il im Kampfe ums Dasein, denn
ih re F ä rb u n g sei dem F a rb to n des Felsens „w u n d e rb a r an g e p a ß t“ . Dieser E rk lä ru n g sv e rsuch
E i m e r s h a t jedoch zwei F eh le r: d e r wesentlichste besteht in d e r ir rig e n Annahme,
daß der F a raglione-Felsen bei Cap ri dunkel g e fä rb t sei, was keineswegs d e r F a ll ist. Die