Ausbildung a u f ganz v e rsch ied en a rtig en - 3 v o r allem in geologischer, k lim a tisch e r und
biologischer Beziehung — E ilan d e n is t ein Beweis d a fü r, daß sie ih re E n ts teh u n g nich t
den Umweltseinflüssen verdan k en , sonde rn in e rste r Linie der Homologie d e r Gene bzw.
ein e r ganz k o n vergent verlau fen d en A b än d e ru n g von inn en heraus.
So zeigt z. B. Enygrus carinatus ein k le in e r V e rtre te r d e r Boiden, d e r im östlichen Teile
des In d o-austra lischen Archipels weit v e rb re ite t ist, zwar eine deutliche N eigung, besondere
In selrassen auszubilden. Ab e r die Tatsache, d aß sich verschiedene Popu la tio n en in weit
voneinander en tfe rn ten Gebieten von d e r Ausgangsform o ft in ein e r ganz konvergenten
Weise differenziert haben, m acht es dem S y stem a tik e r unmöglich, U n te ra rte n aufzustellen
u nd zu benennen. - 3 Die sü d au stra lisch e plaqiocephalus-Rasse d e r Echse Ablepharus bou-
tonii is t in ih r e r Zeichnung ganz au ß e ro rd en tlich ähnlich d e r von M a u ritiu s stammenden
Nominatform, u n d eine n ich t minder große P a ra lle litä t besteht zwischen Ablepharus
boutonii novo-hebridicus von den Neuen Hebriden im S tillen Ozean u n d gloriosus
(Fig. 21) von d e r kleinen In se l Glorioso zwischen den Komoren u n d M adagaska r. Noch
überra sch en d e r is t vielleicht die Ü b ereinstimmung d e r d u rch m a rk a n te L än g sstre ifen au sgezeichneten
keiensis-F o rm von den Kei-In se ln m it d e r renschi-Rasse von Sumba, die
beide d u rch ein ausgedehntes Areal, das von ganz an d e ren boutoniif a s s e n hewohnt wird,
geschieden sind; trotzdem lassen sich beide in der H au p tsa ch e n u r d u rch eine abweichende
A n o rd n u n g d e r Zeichnung a u f d e r Kopfoberseite au se in an d e rh a lten . Diesen beiden indoaustra
lisch en Rassen re c h t ähnlich sind die aus dem madagassisch-äthiopischen Are a l
stammenden quinquetaeniatus u n d degrijsi (vgl. F ig . 22).
Man bekommt also den E in d ru ck , daß tro tz der g roßen Variationsmöglichkeiten in
vielen F ä llen doch n u r g a n z b e s t i m m t e B a h n e n von d e r M u ta b ilitä t b evorzugt werden.
Die P a ra lle litä t d e r Inselformen, die ja zunächst zugunsten d e r z en trip e ta len Grundan
s chauung d e r Abstammungslehre zu sprechen schien (vgl. S. 119), b ra u c h t n u n du rch au s
nich t ein A rg um en t fü r die d irek te E inw irk u n g d e r A u ß en fak to ren a u f die Genovariatio-
nen zu sein; v ielmehr is t sie ein Beweis d a fü r, daß die Mu ta tionen e igentlich n ich t als
„richtungslos“ bezeichnet werden d ü rfen ; sie sind nach vielen Seiten gerich te t, da sie in n e rhalb
b e stimmter — wenn auch o ft seh r weiter — Grenzen m an n ig fa ltig e R ichtungen e rkennen
lassen.
Selbst in ein e r weitgehend differenzierten u n d d ah e r auch wenig v a riab len In se lpopula
tio n werden zuweilen ganz v e reinzelte In d iv id u e n beobachtet, die vom D u rch sch n itt
meh r oder m in d e r s ta rk abweichen u n d Beziehungen zu r Ausgangsform aufweisen. So sind
z. B. u n te r den schwarzen Eidechsen d e r Melisello-Klippe im A d ria tisch en Meere (Lacerta
melisellensis melisellensis) als gro ß e S e ltenheit auch einige heller (braun) g e fä rb te E xemp
la re beschrieben worden, u n d ähnliche Beispiele sind noch von e inigen an d e ren extrem
differenzierten In se lrep tilie n bekannt. Offenbar h an d e lt es sich dabei um die letzten Reste
d e r Ausgangsform, indem die E inz elexemplare noch den u rsp rü n g lich en C h a rak te r im
homozygoten Zustande trag en . Da es n u n den Anschein h a t, d aß das E n d stad ium einer
E n tw ic k lu n g sric h tu n g auch d e ra rtig e a tav istisch e S in g u la rv a ria n te n n ich t mehr aufweist,
so muß m an wohl annehmen, daß sie a llmählich ausgemerz t werden, indem sie sich an
d e r allgemeinen Fortpflanzungsgemeinschaft n ic h t meh r beteiligen; oder ab e r sie müssen
ebenfalls den M u ta tio n ssp ru n g au sfü h ren , um die E in fö rm ig k e it ein e r in su la ren P o p u la tio
n herzustellen. Daß letzteres wohl ta tsä ch lich vorkommt, beweisen diejenigen V a r ia n ten,
die in bezug a u f ih re n Selektionswe rt gänzlich indiffe ren t sind.
Über die G e s c h w i n d i g k e i t d e r R a s s e n u m b i l d u n g sind ex ak te Beobachtu
n g en a u s dem Gebiete d e r Herpetologie bishe r n ich t gemacht worden. Meine Beobachtungen
a u f d e r winzigen In se l L a Ma lg h e ra — zwischen den v ie l besuchten Isola
Bella u n d Iso la S u p e rio re im Lago Maggiore —, a u f der ich im Sommer 1914 ü b e rh
a u p t keine Eidechsen a n tra f, im A p ril 1933 a b e r zu meiner größten Ü b e rra sch u n g eine
kleine, aus etwa 30—40 In d iv id u e n bestehende P o p u la tio n d e r leicht v e rd ü ste rte n Lacerta
muralis borromeica (vgl. S. 87 u n d Fig . 11) v o rfan d , sind fü r dieses P roblem zunächst
ohne Bedeutung, weil es un sich e r ist, ob es sich um eine genotypische oder n u r um eine
phäno ty p isch e Abän d e ru n g des re c h t v a riab len Eidechsenbestandes handelt. Da L a Malg
h e ra von Fische rbooten öfter angelaufen wird , k a n n Lacerta muralis muralis dieses E ilan
d n a tü rlic h vom n ah en F e stlan d e oder von den ben a ch b a rten Iso la Bella u n d Isola
S u p e rio re (wo im Gegensatz z u r abseits liegenden Iso la Madre keine v e rd ü ste rten
Echsen leben) ziemlich leich t erre ichen. Doch e rsche int d e r Z eitraum von allerhöchstens
zwei k n ap p en Ja h rz e h n te n zu gering, um eine auch noch so schwache in su la re Differenzie
ru n g im Genotypus se lbst bei einer ganz kleinen E ide chsenpopulation herbeizuführen.
Im m e rh in muß m an in B e tra c h t ziehen, daß d e r Formenwandel au f kleinsten In se ln im
allgemeinen wesentlich ra sch e r v o r sich gehen u n d v e rm u tlich auch schneller zu extremere
n T ypen fü h re n muß als a u f großen Landmassen, a u f denen die In d iv id u en b e stän d e über
weite Räume z e rstre u t sind. Daß sich d e r Ra ssenwandel bei an d e ren T ie rg ru p p en ta tsä c h lich
zuweilen schon in n e rh a lb weniger J a h rz e h n te vollziehen k an n , zeigen manche Schmette
rlin g e (Lymantria monacha) u n d Vögel (Carpodacus frontalis a u f Hawai, Rhipidura
flabellifera a u f Neuseeland, Coereba saccharina a u f den Antillen).
Stellen n u n in su la re Rassen eines F o rmenkreises A rten in S ta tu nascendi dar? Ich
glaube das m it g ro ß e r Be stimmthe it annehmen zu d ürfen. Denn n ich t wenige In selrassen
entfe rn en sich ja von ih re r S tammform n ich t n u r in morphologischer Beziehung, sondern
auch — wie w ir es z. B. von der Vogelwelt wissen — in physiologischer, indem sie
ih re F ru c h tb a rk e it m it d e r Ausgangsform verlie ren . Wenn w ir dah e r m it R e m a n e (1927)
u n te r ein e r A r t „eine n a tü rlic h e k o n tin u ie rlich e Fortpflanzungsgemeinschaft“ v erstehen, so
müssen solche Rassen, die m ite in an d e r keine Nachkommen meh r erzeugen können, zweifellos
a ls A r t e n gelten. Dem S y stem a tik e r werden ab e r die extremen Inselra ssen
namentlich schon d an n a ls „gu te “ Species erscheinen, wenn eine u rsp rü n g lich k o n tin u ie rliche
Ra ssenkette d u rch Aussterben einzelner Glieder unte rb ro ch en wird: wenn also einzelne
Ra ssen m it den üb rig en n ic h t meh r durch eine tran sg re ss iv e V a r ia b ilitä t in V e rb in du
n g stehen, sonde rn von diesen durch meh r oder m in d e r g roße Lücken geschieden sind.
D ü rfen somit die In se lra ssen im allgemeinen du rch au s als beginnende A rte n bezeichn
e t werden, so is t a u f d e r an d e ren Seite in hohem Maße unwahrsche inlich, daß die extrem
differenzierten Inselspecies, die a u f einem kleinen A re a l abgesondert leben, noch irg en d welche
ganz neue phylogenetische Stufen erre ich en können, die zu r Ausbildung von neuen
Stämmen fü h re n würden. Wie w ir f rü h e r gesehen haben, b ra u c h t bei ihn en die V a ria tio n sfäh
ig k e it zwar d u rch au s n ic h t gänzlich zu erlöschen; sie wird ab e r diese Geschöpfe im a llgemeinen
entweder n u r zu r Weiterdifferenzierung in d e r einmal eingeschlagenen E n tw ic k lu
n g srich tu n g fü h re n oder ab e r eine weitere A u fsp a ltu n g — etwa nach einem ern eu ten
Z erfall ih re s A reals — in Rassen oder A rten z u r Folge haben. Auch wenn eine Hebung
des Landes e in tr itt, so daß die In se ln m it k o n tin en ta len Landmassen verschmelzen u n d
die iso lie rten Popu la tio n en sich wieder m it festländischen vereinigen, können n u r die