
Wenn man das In fu so r vom Vorderende b e tra ch te t, so e rin n e rt die v e n tra le Oberfläche
ih re r F o rm nach an eine Ma lerpalette, da ih r Oval an einem E nd e eine ziemlich
tiefe E in b u c h tu n g trä g t. Von dieser E in b u c h tu n g e n tsp rin g t eine p e ristomale V e rtie fu n g
in F o rm ein e r n ic h t tiefen Kinne, die schwach ausgebogen ersche int. A n ih rem Grund,
n ä h e r zum ausgeschnittenen Kand zu r re ch ten K ö rp e rs e ite (wobei d e r ausgeschnittene
Kand als d e r v o rd e re angenommen wird), lieg t das Zytostom von e ig en a rtig e r F orm. Es
ste llt eine lange S palte d a r, die b o genartig gek rümmt is t und abgeru n d e te E n d en besitzt,
von denen das Vorderende b re ite r, das h in te re schmäler erscheint. Die R ä n d e r des Zyto-
stoms sind von zwei g u t entwickelten undulie ren d en Membranen umsäumt, von denen die
linke sich län g s des ganzen Mundrandes hinzieht, wäh ren d die rechte Membran k ü rz e r
is t un d , das h in te re E nd e des re ch ten Mundran d e s n ich t e rre ichend, u n g e fäh r am Anfang
des h in te re n D ritte ls se iner L änge endet. D e r Schlund fehlt. Das P ro to p la sm a is t ä u ß e rs t
d u rchsichtig, homogen u n d von schwacher, ab e r trotzdem k o n sta n te r gelblicher F ä rb u n g .
De r W im p e rm an te l bedeckt gleichmäßig den ganzen K ö rp e r des Infu so rs. Die W im p e rn
sind kurz, fein, sitzen jedoch ziemlich dich t au f. Die W im p e rre ih en tre te n schwach zum
Vorschein; sie v e rlau fe n in L än gslinien an d e r la te ra le n Oberfläche des K ö rp e rs, gehen
von ein e r Seite a u f die an d e re übe r, biegen a u f die v e n tra le Oberfläche um u n d stemmen
sich au f die B än d e r des Zytostotns. E in e p u lsierende Vakuole, n ic h t groß, is t in d e r u n te
ren K ö rp e rh ä lfte se itlich gelegen. D e r Makronukleus h a t die F o rm eines lan g en schmalen
Stabes, d e r an den E n d en ab g e ru n d e t u n d in der Mitte se iner Länge fa s t rech tw in k lig
umgebogen erscheint. E r is t g rö ß ten te ils schräg, in d e r R ich tu n g d e r Länge des Körpers,
n ä h e r zu se iner re ch ten Seite angeordnet. Das In fu so r is t 70—80 u läng, a u f d e r v en tra len
Seite bis 140 [*• b re it. L. fluvitalis bewegt sich m it m äß ig e r Geschwindigkeit u n d u n u n te r brochen,
wobei es seine v e n tra le Seite v o rw ä rts u n d sc h räg rich te t. Die Bewegungen des
In fu so rs ste llen eine R o ta tio n um die eigne Achse d a r, oder rich tig e r, ein Schaukeln von
ein e r Seite a u f die andere, wobei es u n e rw a rte te T ra je k to rie n beschreibt. Als N ah ru n g
dienen ihm verschiedene P lan k to n a lg en (am häufigsten w urde Eudorina morum an g e tro ffen)
und D e tritu s,
Die G a ttu n g Leucophrys e n th ie lt bis zu r letzten Zeit n u r eine Species: L. patula E h r
e n b e r g . Vor kurzem beschrieb F a u r e - F r e m i e t (1924) noch zwei neue S üßwassera
rten : L. tetraedrica u n d L. ovum, die ih re r Ökologie nach als ausschließlich p lan k tisch e
In fu so rien a u ftre te n u n d sich in seh r re in en Gewässern au fh a lten . Der EtSteren A rt,
L. tetraedrica, ste h t die vorliegende A r t L. fluviatilis, v o r allem dan k ihrem Hab itu s, am
nächsten. Jedoch unte rsch e id e t sich L. fluviatilis von L. tetraedrica d urch die F o rm , die
A n o rd n u n g u n d S tru k tu r des M u n d a p p a ra tsH ^ ’isowie die S tru k tu r des K e rn a p p a ra ts u n d
schließlich durch das F ehlen der Triehozysten. Die ä u ß e rs t origine lle K ö rp e rfo rm von
L. tetraedrica, die einem u nregelmäßigen T e tra ed e r gleicht m it s ta rk entwickelter v en tr
a le r Oberfläche -Ä der T e tra ed e r-B a sisijiH g e rin g e r Höhe u n d nach d e r Seite, gegen das
v o rd e re K ö rperende wie bei L. fluviatilis abgesetzter Spitze, ä h n e lt im Grunde genommen
n a tü rlic h sehr der F o rm eines unregelmäßigen Kegels, die sehr c h a rak te ristisch fü r
L. fluviatilis ersche int. Zugleich u nterscheiden sich diese beiden pelagischen A rten wesentlich
von L. patula E h r e n b e r g , Einerseits d u rch ih re morphologischen Merkmale: die
K ö rp e rfo rm , die bei le tz te re r A r t birn- oder eiförmig, von den Seiten ein wenig ab g ep la tte t
e rsche int, den sackförmigen Schlund bei L. patula und an d e re rse its d urch die A u fen th a ltsbedingungen:
L. patula ist eine Raubform, die sich in stagnie renden, kleinen W a sse rbecken
a u fh ä lt u n d keine V e ru n re in ig u n g scheut.
Trotz des eig en a rtig en C h a ra k te rs h ä lt F a u r e - F r e m i e t es n ic h t fü r nötig, L. tetraedrica
zur se lbständigen neuen Ga ttu n g zu erheben, da diese F o rm doch d e r A r t Leucophrys
patula E h r e n b . nah e steh t. W ir sind ebenfalls n ich t geneigt, die von u n s beschriebene
Spezies als neue G a ttu n g zu b e tra ch ten , d a das H au p tm e rkm a l d e r Ga ttu n g Leucophrys,
die zwei län g s den S e iten rän d e rn des spa lten fö rm ig en Zytostoms befestigten u n d u lie ren d
en Membranen, au ch bei u n se re r A r t v o rh an d en sind.
L. fluiflatilis is t ein echt p lanktischeg In fu so rium . Die Ökologie von Leucophrys ist
im Ba ika lsee durch ih re au ß e ro rd en tlich scharfe Zugehörigkeit zu den v e rän d e rten
„nich tb a ik a lisch en “ Gewässern u n d zu den „nichtb a ik a lisch en “ Lehenshedingungen a u s gezeichnet,
fü r welche L. fluviatilis als ein v o rtre fflich e r ökologischer In d ik a to r gelten
kan n.D
ie Region des n ördlichen Seichtwassers, wo die Flüsse Obere A n g a ra u n d K itse h e ra
münden, das Selenginsche Seichtwasser u n d die B u ch t P ro v a l, d e r östliche Teil der B a r
gusin-Ba i, d e r T sehiwyrkui-Bäi, m eh re re seichte Buchten des Westu fe rs des m ittle re n und
n ördlichen B a ika ls, wie die Bu ch ten von B o g u tsch an sk a ja u n d Onokotschanskaja, der an
die Mündung des Flusses T y ja angrenzende Seeteil u n d an d e re d e ra rtig e Teile des B a ikalsees,
die im allgemeinen in e rste r L in ie d u rch ih re g e rin g en Tiefen, hohen Wasser-
iem p e ra tu re n u n d großen Gehalt a n gelösten u n d susp en d ie rten organischen Stoffen, sowie
d urch an d e re H ä r te u n d höheren S ilik a tg e h a lt des Wassers im Vergleich m it dem B a ik a lwasser
c h a ra k te ris ie rt sind: fü r diese Seegegenden u n d die h ie r h errschenden Lebensbedingungen,
sowie fü r die Gemeinschaft d e r a n diese Bedingungen an g ep aß ten Organism
en is t L. fluviatilis als einer d e r sie am meisten kennzeichnenden Bionten anzusehen.
In d e r Ökologie u n d h orizontalen V e rte ilu n g von L. fluviatilis is t ein O harakterzug
zu verzeichnen, d e r es von manchen an d e ren In fu so rie n desselben ökologischen Komplexes
zu u n terscheiden pflegt, nämlich: aus allen oben e rw äh n ten Seeteilen m it einem v e rän d e rten
hydrologischen Regime zieht Leucophrys e rstens die an die Mündungen angrenzenden
Seeteile v o r, so daß an diesen Stellen die höchste „S p an n u n g “ dieser in te re ssan ten F o rm
zu bemerken ist; zweitens d rin g t L. fluviatilis von allen Bionten, welche die d e r Mündung
ben a ch b a rten Seeteile bewohnen, gegen die Mündung schnell fließender Flüsse, wie z. B.
die F lüsse Ba rg u sin , Cha raus, T y ja , am meisten vor.
Sonst sind solche Fo rm en wie Bursella spumosa, Amphileptus trachelioides, Epistylis
rotans, Zoothamnium limneticum, die etwa u n te r denselben Bedingungen gedeihen, in den
Regionen, welche den Mündungen schnell fließender F lüsse b en a ch b a rt sind, ganz an ders
verteiSfials Leucophrys: sie hab en ih re g rö ß te E n tw ick lu n g in einiger E n tfe rn u n g , bisweilen
e rs t in einigen K ilometern von der Mündung, e rs t dort, wo die Strömu n g n ich t so
s ta rk u n d die W a s se rtrü b u n g g e rin g e r ist; dabei w ird die Anzahl dieser Organismen gegen
die Mündung immer kleiner, um in der Nähe derselben aus dem h ie r d ü rftig e r werdenden
P la n k to n ganz zu verschwinden. Leucophrys scheint eine sozusagen meh r rheo p h ile F o rm
d a rzustellen, da es' die noch re c h t sta rk e S tröm u n g viel besser e rtra g e n k an n . Vielleicht
sind es seine e ig en a rtig en überkip p en d en Bewegungen, die ihm die Möglichkeit verleihen,
d e r Strömu n g zu widersteh en u n d in diesen Bedingungen sich N a h ru n g zu verschaffen. Es
muß dabei betont werden, daß in den F lü ssen seihst, im B a rg u sin , Cha raus, T y ja u n d ihren
Mündungen, L. fluviatilis sowie die an d e ren In fu so rien ganz fehlen; d e r Grund dieser
E rs ch e in u n g is t wohl zunächst in d e r sehr stä rk en Ström u n g dieser F lüsse zu suchen, dan n
in d e r au ß e ro rd en tlich en T rü b u n g des Wassers, welches eine große Menge L ehm p a rtik e lchen
m itfü h rt; in die v ie l ru h ig e re Mündung d e r K itse h e ra d r in g t ja Leucophrys v o r und