Prorodon morula Ga jewsk a ja (Abb. 8).
E in e neue Prorodon-A r t au s dem Baikalsee, die von m ir im J a h r e 1928 k u rz beschrieben
wurde.
W enn man dieses In f usor zum erstenma l in g ro ß e r Anzahl u n te r d e r L upe wah rn immt,
k an n man denken, daß diese kleinen, äu ß e rst durch sich tig en und z a rten Schaum flocken,
die durch die Dicke d e r Wasserschicht v e r s tre u t und fa s t unbeweglich erscheinen, Org a nismen
der C ilia ta sind. Vereinzelt jedoch wird P. morula wegen ih re r Du rch sich tig k e it
u n te r d e r L upe (12 X und 20 X Re ichert) m it g ro ß e r Mühe wahrgenommen.
Der K ö rp e r des In fu so rs ist oval m it einem ab g erundeten h in te ren und abgestutzten
vord e ren Ende. Von den Seiten is t e r ein wenig ab g ep la tte t. Die Länge b e trä g t 80—100 M-,
die B re ite 70 Das In fu so r is t ä u ß e rs t d urchsichtig. Ekto- und E ndopla sma sind s ta rk
v ak u o lisie rt; die Waben des E kto p la sm a s sind ziemlich groß, bis 10 f im Durchmesser;
sie liegen in einer soliden Schicht a u f dem v ak u o lisie rten E ndopla sma, dessen Waben u n g
e fä h r iVkmal k le in e r sind. Die Außenwände d e r ektoplasma tischen Oberflächenwaben
sind nich t abgeflacht, wie dies gewöhnlich d e r F a ll ist, sonde rn stehen gewölbt h e rv o r; die
sie bedeckende P e llicu la jedoch ist ä u ß e rs t dünn, deswegen e rsche int die äu ß e re Körper-
oberfläche uneben, und das ganze In fu so r e rin n e rt an eine g lä se rn e Maulbeere oder ein
Klümpchen farblosen Schaumes. Dabei sind Ekto- und E ndopla sma wahrsche inlich dank
ih re r m ak roalveolären S tru k tu r schwach u n te re in a n d e r verbu n d en und können leich t vonein
an d e r g e tre n n t werden: bei Be schädigung d e r äu ß e ren Plasmaschicht, z. B. bei leichtem
Druck a u f das Deckgläschen, g le ite t das E k toplasma m it d e r Pellicu la wie ein Handschuh
vom Endoplasma, welches schnell d urch die en tstandene Spalte a u s tritt; d a ra u f liegen
beide Plasmaklümpchen, die sich n u n abgekugelt haben, nebeneinande r, wobei jedes seine
typische W a b e n s tru k tu r beibehält. H ie rn a ch beginnen die P lasmaw aben au se in an d e rzu fließen
und das P la sm a z e rstre u t sich im Wasser. Diese E rs ch e in u n g wiederholt sich b e stän dig
auch bei den Versuchen, das In fu so r zu fixieren; letztere blieben deshalb ste ts erfolglos.
Ke in einziges d e r von uns angewandten a llgemeingebräuchlichen F ix ie rm itte l fü r P ro tisten
, wie Dämpfe d e r Osmium-Säure, F l e m m i n g - und Scha udi n n-Fl ü s s i g ke i t e n,
P ik rin -E s sig s äu re , gaben keinen positiven E rfo lg : das In fu so r konnte n ich t komplet fixie rt
werden, es g e lang uns n u r, das Ekto- u n d E ndopla sma m it dem K e rn zu fixieren. Ebenso
konnte auch die F ix a tio n u n d F ä rb u n g m it Opalblau nach B r e s s l a u , die wegen d e r ih r
zugrunde liegenden Methode d e r G e la tin ie ru n g des Pro to p la sm a s h ie r e igentlich die meisten
Aussichten bieten müßte, h ie r n ich t an gewandt werden. Diese ä u ß e rs t empfindliche
Form lebt gewöhnlich n u r 3—5 Min. u n te r dem Deckglas und n u r ein wenig län g e r ohne
Deckglas. In Thermosflaschen jedoch, in denen die P lan k to n p ro b en an s Ufe r b e fö rd e rt
wurden, wie auch in kleinen Aqu a rien , in denen eine entsprechende nied rig e T em p e ra tu r
e rh a lten wurde, gelang es, diese In fu so rien eine S tu n d e und län g e r lebend zu erhalten.
Der W im p e rm an te l ist a u f dem K ö rp e r ä u ß e rst schwach entwickelt. Die W im p e rn sind
so weit abstehend, dü n n u n d kurz, d aß man sie vollkommen n u r m it d e r Wasser immer sion
J , Zeiss unterscheiden konnte. W im p e rre ih en sind bei dieser Fo rm jedoch nich t wah rn ehmb
a r. Die Bewegungen sind sehr langsam, n u r u n te r dem Mikroskop u n te rsch e id b a r; bei
L u p en v e rg rö ß e ru n g jedoch (12 X Reichert) kan n man die O rtsv e rän d e ru n g en des In fu so rs
n u r bei einige Minuten d au e rn d e r Beobachtung wahrnehmen.
Dieses red u z ie rte Wimperkleid is t g leichmäßig a u f dem ganzen K ö rp e r v e rte ilt und
in d e r Gegend d e r Mundöffnung keineswegs s tä rk e r ausgesprochen. Der letzte Umstand,
d e r eigentlich a u f die N ah ru n g szu fu h r des In fu so rs in q u a n tita tiv e r H in sic h t schlecht einw
irk en müßte, wird gewissermaßen d u rch den riesigen Umfang des Mundes kompensie rt,
d e r ein. wenig su b te rm in a l gelegen is t u n d den ganzen vord e ren Pol des K ö rp e rs einnimmt.
D e r V o rd e rran d des K ö rp e rs is t s a n ft nach innen e ingedrückt, eine Mu n d v e rtie fu n g von
o valer F o rm bildend, die in d e r F lä ch e d e r K ö rp e ra b p la ttu n g abgeflacht ist. Das Zytostom
g eh t in einen k u rzen tric h te rfö rm ig en Schlund über, d e r wegen se iner d ünnen Wände
schwach zu u n terscheiden ist; eine p u lsierende Vakuole lieg t im h in te ren K ö rp e rd ritte l, an
d e r Seite. D e r Makronucleus is t kugelig, seh r d u rchsichtig, z en tra l gelegen. In den sehr
wenigen N ah ru n g sv ak u o len wurde n u r die Chrysomonade Epichrysis melosirae v o rg e fu n den,
die eine d e r H au p tn ah ru n g sq u e llen v ie le r P lan k to n in fu so rien im W in te r und F rü h ja
h r b ild e t (s. Allgemeiner Teil). N u r einmal gelang es uns wahrzunehmen, wie in die
Mundöffnung des In fu so rs eine kleine A r t Epalxis geriet.
S einer ganzen Org an isa tio n nach ersch e in t P. morula als glänzendes Beispiel eines
ä u ß e rs t spe zialisierten P lan k to n in fu so rs : die ab g e ru n d e te K ö rp e rfo rm , die s ta rk ausgesprochene
D u rchsichtigkeit, das komplet v ak u o lisie rte P ro to p la sm a , d e r red u z ie rte W im p e ra
p p a r a t weisen d a ra u f hin, daß das In fu so r in hohem Maße den E xistenzbedingungen im
P e lag ia l en tsp rich t. Von allen m ir bekan n ten A rten d e r G a ttu n g Prorodon n ä h e rt sich die
vorliegende A r t am meisten d e r A r t P. vesiculosus K a h l (1926): se iner K ö rp e rfo rm (die
K ö rp e rm a ß e werden vom V e rfa sse r n ic h t angegeben), dem s ta rk v ak u o lisie rten Plasma,
dem K e rn a p p a ra t u n d zum Teil au ch se iner Ökologie nach; nach den Angaben von A. K a h 1
leb t P . vesiculosus re in pelagisch, in k la re n kleinen Gewässern. Von der e rw äh n ten A rt
u n te rsch e id e t sich P. morula jedoch vor allem d u rch den Mangel a n Trichocysten, die bei
P . vesiculosus v o rh an d en sind, fe rn e r d u rch den V e rd a u u n g sa p p a ra t, d e r bei u n se re r A r t
v ie l p rim itiv e r ersche int: ihm feh lt d e r S täb ch en ap p a ra t im Schlunde wie das Häutchen,
das bei P . vesiculosus die kleine Mundöffnung verdeckt.
Prorodon morula w u rd e in sehr b e trä ch tlich e r Anzahl im W in te rp lan k to n des B a ik a lsees
gegenüber M a ritu j u n te r dem E is vorgefunden, u n d zwar in allen P ro b en au s dem
P e lag ia l, die w ir im Z e itraum vom 9. I I I . bis 28. I I I . 1928 gehoben haben. Im F rü h lin g s p
lan k to n (Mitte Ju n i) derselben Ba ika lgegend wurde P . morula gleichfalls in b e trä ch tlich e r
Anzahl gefunden; hierbei muß d a ra u f verwiesen werden, daß die Chrysomonade, die als
H au p tn ah ru n g sq u e lle fü r diese A r t dient, im F rü h ja h rsp la n k to n ebenfalls seh r reichlich
v e rtre te n war.
W a s die v e rtik a le V e rb re itu n g von P . morula angeht, so b e trä g t die maximale Tiefe,
in d e r diese F o rm noch angetroffen wurde, 100—160 m. Diese Tiefe k a n n m an keineswegs
als letzte Grenze b e tra ch ten , die fü r dies In fu so r im Ba ika lsee g ü ltig ist. Mit der Tiefe
n im m t au ch das In fu so r q u a n tita tiv ab, u n d es is t fa s t unmöglich, es in den P ro b en v o rzufinden,
die au s Schichten stammen, wo es n u r in g e rin g e r Anzahl a u f tritt, insbesond
e re wenn w ir seine z a rte S tru k tu r u n d leichte V e rle tzb a rk e it in B e tra c h t ziehen. Die Temp
e ra tu r, bei d e r P . morula im W in te r angetroffen wurde, b e tru g 0—3,1°, im F rü h ja h r 3,75
—4,4°. In d e r nachfolgenden Sommerperiode 1928 wurde P . morula im P la n k to n des B a ikalsees
n u r zweimal angetroffen: am 14. V II. in b e trä ch tlich e r Anzahl gegenüber der Bucht
Dawscha, im P e lag ia l, in der F ra k tio n von 25—0 m bei 3,90—4,50° C, u n d gegenüber der
Bucht K a b a n ja am 15. V II. in g e rin g e r Anzahl im Oberflächenplankton bei 3,90° C. Allem
Anschein na ch is t dieses re in pelagische In fu so r dem W in te r- u n d F rü h lin g sp lan k to n des
B a ik a lp e la g ia ls v e rb u n d en und ersch e in t in bezug a u f T em p e ra tu r als stenothe rme K a ltwasserform.
Die Grenzen der physico-chemischen H au p tfak to re n , bei denen P. morula im
Ba ika lsee vorkommt, sind: