II. Systematischer Teil.
Die F am ilie d e r H y d ra e h n id a e Haller.
Ausschliesslich im Wasser lebende Milben von gedrungener .Körperform, mit ungegliedertem
Rumpfe, fünfgliedrigen Palpen und sechsgliedrigen Füssen. Endglied der letzteren meist
mit einer Doppelkralle bewehrt. Körperdecke entweder weich oder gepanzert, von sogenannten,
in Reihen geordneten Hautdrüsen durchbrochen. Hüftplatten auf vier Gruppen verteilt oder mehr
oder weniger mit einander verschmolzen; die beiden hinteren Paare in der Regel grösser als die
vorderen. Mundteile einen kürzeren oder längeren Säugrüssel darstellend; Mandibeln ausSer bei
den Hydrachnime deutlich zweigliedrig. Neben vier am »prderrande des Körpers auftretenden,
jedcrseits meist zu einem Doppelauge verschmolzenen, selten getrennten, lateralen Augen zuweilen
ein nnpaares, medianes Punktauge. .
Der grösste Teil der Hydrachniden bewohnt das Siisswasser und nur vereinzelte Vertre
te r (Pontaradma pwiäulum Phil, und Ptmtaraclma tergestina vo:: Schaub, «»wie Nuutarachm.
äsparimum Moniez) werden in der Litteralzone des Meeres angetroffen. Kopf, Brust und Hinterleib
sind zu einer gemeinsamen Masse verschmolzen, die nur in den seltensten Fällen eine gewisse
Gliederung (bei den An-enOTS-Männchen) aufweist. Die Oberhaut stellt eine dünne, farblose,
Cuticularschieht dar, unter der eine pigmentführendc Matrix lagert, die häufig 111 geringerer oder
grösserer Ausdehnung Panzerbildungen hervorruft. Zahlreiche Hautdrüsen dujohbrechen in regelmässiger
Anordnung die Körperdecke, Sie setzen sieh aus einer verschieden grossen Anzahl von
Sekretionszellen zusammen, die in ihrer Gesamtheit von einer durch netzartig verzweigte Chitm-
leistchen gestützten Túnica propria sackartig umkleidet werden. Die äussere Drusenmundung
durchbricht meist spaltförmig ein dünnes, muskulöses Häutchen, das gewöhnlich von einem allerdings
sehr verschieden starken und grossen Chitinwall ringförmig eingeschlossen wird. Auf diesem
selbst oder auf einem an oder neben der äusseren Peripherie Hegenden Chitinplättchen steht eine
zur Drüse gehörige Haarborste. Jede der beiden, dem Stimrande eingefügten, die dorsalen M ittelreihen
nach vom abschliessenden Hautdrüsenmündungen besitzt gewöhnlich eine stärker entwickelte,
häufig auf einem Chitinzäpfohen aufsitzende Borste, für welche sich die Bezeichnung „antenni-
formes Haar“ eingeführt hat. Haller glaubt, und wahrscheinlich mit R ec h t, die Hautdrüsen
ähnlich wie die Foramina repugnatoria der Tansendfüssler als defensive Verteidigungsorgane an-
sehen zu müssen, deren Sekret ihre Träger vor Verfolgungen zu schützen bestimmt sei. Die
Gründe freilich, die er hiefür geltend macht, haben sich nicht als stichhaltig erwiesen. Entgegen
Hallers und Forels Behauptungen konnte der Nordamerikaner Forbes nach ergehenden Untersuchungen
sicher feststellen, dass die Hydrachniden durchaus nicht von den Fischen als Nahrung
verschmäht werden. Auch die von Haller angeführte Beobachtung Bngäs’, dass die Wasserskor-
piönwanzen vor den Larven der Süsswassermilben grossen Abscheu hegen, hat für diesen Zweck
nur untergeordneten Wert, da, wie ich selbst wiederholt gesehen, Panatra linearis, die ja gleichfalls
häufig mit Puppen besetzt ist, die Hydrachniden unbedenklich "angreift und aussangt.
Die sechsgliedrigen Beine, deren Anzahl sich bei dem geschleehtsreifen Tier und bei der
Nymphe stets auf a chtMei den Larven aber auf .sechs beläuft (hier fünfgliedrig), sind die Träger
zahlreicher, mannigfach geformter Haargebüde. Neben kurzen Domen, säbel- und degenförmigeu
Borsten, die sehr- oft eine Fiederung erkennen lassen, treten fast allgemein und besonders an den
vor- und drittletzten Fussgliedern hoch lauge, glatte, seidenglänzende Haare auf, welche, reihen-
oder büschelweise angeordnet, beim Schwimmen vortreffliche Dienste leisten und deshalb Schwimmhaare
genannt werden. Sie sind für die Gruppe der Hydrachniden ein charakteristisches Herk-
zeiohou. das nur wenigen Gattungen fehlt (2%® Koch, Hygröbates Koch, Sperchon Kramer etc.),
von dessen Vorhanden- oder Nichtvorhandensein jedoch nicht immer die Schwimmfähigkeit und
-Fertigkeit abhängt.
Die Fiisse sind den sogenannten Hüftplatten (Coxalplatten, Epimeren) seitlich eingelenkt.
Letztere stellen stark chitinisierte, poröse, auf der Bauchfläclie gelegene Hautplatten da r, die
am häufigsten in vier, seltener in drei Gruppen gesondert, zuweilen aber auch mehr oder weniger
innig zu einem einzigen Schilde verwachsen sind. Das letzte Hiiftplattenpaar besitzt fast durchweg
die grösste Fläelienausdehnung; eine Ausnahme hiervon macht nur die Gattung Limnochares
Latreille, bei der sowohl die vierte als auch die dritte Epimere leistenartig schmal gestaltet sind.
Die vielleicht als Unterlippe zu deutenden Basalteile der fünfgliedrigen Kiefertaster
(Palpen, Maxillartaste.r) liegen in einer Ausbuchtung zwischen den Epimeren des ersten Fuss-
paares und bilden eine A rt Säugrüssel, der den MaxUlen entspricht. Sie schliessen zwei Mandibeln
(Kieferfühler) ein, die bei den Hygrobatinac, Ilydryphantinae, Eyldinae und Limnocharinac je
aus einem grösseren prismatischen, meist geknieten Basalstücke und einem demselben aufsitzenden
krallenförmigen Endgliede bestehen, bei den Hyärachmnae aber zu undeutlich gegliederten, langen,
schwach gekrümmten, stilettartigen Gebilden umgewandelt sind. Das Vorderende des Mundkegels ist
entweder mehr oder weniger lang ausgezogen oder auch s tark abgestutzt, in welch letzterem Falle
die Mundöffnung in der Form einer verschieden grossen Saugscheibe derUnterlippe h a rt auf liegt.
Uber der Mundöffnung auf der Mitte der Oberseite des Mundkegels (Säugrüssels) befinden
sieh eng nebeneinander zwei Luftlöcher (Tracheenstigmata). Sie führen in die ebenfalls doppelt
auftretenden Tracheenhauptrohre, die meist bogenförmig in die Tiefe der Maxillarhölüe zwischen
die Basalglieder der Kieferfühler treten und dort in zwei stark chitinisierte, längliche, gebogene
Kapseln einmünden, die ausser als Luftreservoire auch noch als Stütze und Drehpunkt der Mandibeln
dienen. Von den Luftkammern gehen dann die Fadentracheen aus, die in reicher Menge
den Körper durchziehen, die inneren Organe umspinnen und unter der Haut als äusserst feines
Liniengewirr sichtbar werden. Eine Ausnahme hiervon machen nur die auf den Kiemen der Unio-
niden und Anodonten schmarotzenden Atax-Arten, die zwar im Besitz der Stigmata und Luftkammern
sind, denen aber ein ausgebildetes Tracheensystem fehlt.
Nach der Ansicht fast aller Hydrachnidologen findet neben der Luftatmung durch Tracheen
auch noch eine Wasseratmung durch die Haut statt, die am ehesten sich mit der Kiementracheenatmung
hei manchen Insekten vergleichen lässt. Es ist dies um so wahrscheinlicher, als
eine grössere Anzahl von Hydrachniden nie an die Oberfläche des Wassers kommt, ganz abge-
Zoologica. Heft 22. I