
Unter auffallend -verschiedenen Verhältnissen mögen sich manche Arten sehr verschieden verhalten,
so passen die Beobachtungen am Grunewaldsee bei Berlin zum Theil sehr wenig zu den Resul-
taten, zu denen ich auf Grund von Beobachtungen in der Umgegend von Greifswald gekommen bin.
Das Gesagte soll nur einen Fingerzeig geben, auf welche Unterschiede zu achten ist. Bei ähnlichen
Untersuchungen hätte man vor allem auf eines zu achten, das bei mir nicht die genügende Berücksichtigung
gefunden hat, nämlich auf das Fehlen der Arten zu gewissen Jahreszeiten. Kurz besprechen
will ich hier noch das Vorkommen der J.
Die Ostracoden,'und im besonderen die des süssen Wassers, treten sehr häufig nur in einem
Geschlecht, nur als ? auf, pflanzen sich rein parthenogenetisch fort. Bei zahlreichen Arten, und gerade
bei einigen der häufigsten, kennen wir die 3 überhaupt noch nicht, obwohl sie zu allen Jahreszeiten
untersucht worden sind, auch beweist das leere Receptaeulum seminis der $, dass sie nicht befruchtet
sind. Nur bei wenigen Arten dieser Gruppe hat man die 3 aufgefunden; es erscheint bemerkenswerth,
dass für keine der fraglichen Arten (für Nordeuropa) nur eine einzige Beobachtung von 3 vorliegt, dass
man sie stets wiederholt in beiden Geschlechtern gefunden hat, wenn auch sehr viel seltner als rein
weibliche Gesellschaften. In zwei Fällen konnte ich feststellen, dass sich die 3 an einem Ort in zwei
auf einander folgenden Jahren fanden.
Bei einer anderen Gruppe begegnen wir stets oder fast stets beiden Geschlechtern, fehlen einmal
die <J, so ist das am Ende der Vegetationsperiode, da die 3 früher erscheinen als die ?, aber auch
früher verschwinden, stets aber sind die 2 befruchtet. Nirgends begegnen wir, wenigstens so weit meine
Erfahrungen reichen, einem regelmässigen Wechsel von zweigeschlechtigen und rein weiblichen Generationen.
Litteratur. Synonymie.
Wer die hier gegebenen Listen von Synonymen mit den z. B. bei Biady-Norman oder Vävra
gegebenen vergleicht, wird mir vermuthlich den Vorwurf machen, dass ich das Studium der Litteratur
vernachlässigt habe, die älteren Autoren nicht habe zu ihrem Hecht kommen lassen. Ich will deshalb
kurz die Gesichtspunkte nennen, die mich bei Anführung der Synonyma geleitet haben: Ich habe nur
solche Synonyma angeführt, bei denen ich irgend welchen positiven Anhalt für die Identität der Arten
fand, das sind aber nicht all zu viele. Viele der Synonyma, welche Brady-Norman anführen, halte
ch direct für falsch; ich will nicht weiter auf die Gesichtspunkte eingehen, welche diese Autoren
bei Aufstellung der Synonymie geleitet haben, will nur noch das Eine bemerken: Zahlreiche Namen
der älteren Autoren entsprechen überhaupt nicht einer einzigen Art, es sind Sammelnamen, unter denen
sich eine grössere oder. geringere Anzahl von Arten verbirgt. Das gilt nicht nur von der ältesten
Litteratur, von 0. F. Müller, Jurine, Zaddach, das gilt auch noch von Brady-Norman (z. B. Candona
candida) und selbst von Vavra (Candona pubescens). Dass unter diesen Umständen das Ausgraben
der alten Synonyme sehr wenig Werth hat, leuchtet ein.
Einem Theil dieser alten Namen hat man in neuerer Zeit ganz bestimmte Arten
untergelegt; ich habe dann, sobald überhaupt unter dem Namen in neuerer Zeit eine Art genügend
charakterisirt war, diesen Namen beibehalten, ohne mich besonders darum zu sorgen, ob dem ersten
Beschreiber wirklich die gleiche Art Vorgelegen hat, eine Frage, die meist gar nicht entschieden werden
kann. Hauptsächlich habe ich mich in dieser Beziehung Brady-Norman und Vavra angeschlossen.
Specieller Theil.
Die Ostracoden des süssen Wassers gehören drei Familien an, zu deren Unterscheidung der
folgende Schlüssel*) dienen mag.
1) Die drei letzten Gliedmaassen sind unter einander ähnlich, bei allen dreien trägt
das letzte Glied nur eine Borste oder Blaue (Taf. 20 Fig. 18) Cytheridae
— unähnlich, das erste derselben, der sogenannte Maxilarfuss, trägt am Ende des
ersten Gliedes einen Kaufortsatz (Taf. 1 Fig 8). Das vorletzte, häufig auch das letzte trägt
am letzten Glied 8 Borsten, eine grosse und zwei kleine (Taf. 1 Fig. 9, 11, Taf. 21 Fig. 16). 2
2) Die erste Antenne achtgliedrig, mit langen schlanken Borsten besetzt (Taf. 1 Fig. 10) Cypridae
-— sechsgliedrig, fast alle Borsten sind kurz, sehr massiv, dornartig gestaltet. Darwinulidae.
Von diesen drei Familien ist im Süsswasser nur die der Cypriden durch zahlreiche Arten und
Individuen vertreten, so dass man es bei einem Süsswasserostracoden voraussichtlich immer mit einem
Cypriden zu thun hat.
I. Familie Cypridae.
Die erste Antenne (Taf. 1 Fig. 10) ist achtgliedrig, das zweite Glied ist in grossem Umfang
mit dem ersten verbunden, die Verbindung liegt sehr schief zur Axe; aus diesem Grund hat man
beide gewöhnlich (Sars 1887 p 93, Vävra 1891 p 11, Claus 1892 p 22) als ein einziges angesprochen;
ich lasse es dahin gestellt, ob es bei manchen Arten wirklich zu einer Verschmelzung beider Glieder
kommt, sicher haben wir es ursprünglich mit zwei gesonderten Gliedern zu thun. An der zweiten
Antenne (Taf. 1 Fig. 6) unterscheiden wir den Stamm, einen wohl entwickelten Innenast und einen
rudimentären Aussenast. Der Stamm besteht aus einem sehr kurzen, seitlich der Oberlippe anliegenden
Grundglied, und einem cylindrischen, in der Ruhe schräg nach oben gerichteten zweiten Glied.
Unzweifelhaft ist das erstgenannte Glied nicht fest, sondern beweglich mit dem Körper verbunden, ein
Umstand der von mir früher (1894 p. 39) übersehen wurde, während Vavra und andere die
Verhältnisse richtig darstellten. Eine andere Frage ist die, ob wir berechtigt sind, diesen Abschnitt
morphologisch als. erstes Stammglied anzusprechen; vielleicht ist er als secundär abgegliederter Träger
der Antenne aufzufassen; ein Vergleich mit den Cytherelliden scheint mir diese Deutung zu unterstützen.
Der Stamm trägt an seinem Ende eine kleine Schuppe gewöhnlich mit drei Börsten, den
rudimentären Aussenast Re, und den umfangreichen Innenast AzSfietzterer besteht aus vier Gliedern,
von denen das zweite und dritte häufig verschmelzen, fast allgemein thun sie das beim ?. Das erste
Glied trägt an seinem unteren Rand stets eine Sinnesborste, häufig medial an seinem Ende ein Bündel
von Schwimmborsten, von deren Länge die Bewegungsfähigkeit der Art wesentlich abhängt. Das zweite
*) Bei dieser und den folgenden Diagnosen ist lediglich auf die Süsswasser-Ostracoden Deutschlands Rücksicht
genommen.