Bei diesem Verfahren wird man sehr ähnliche Arten schon auf Grund der Schalencontur mit Sicherheit
unterscheiden lernen, aber auch nur auf diesem Wege. Wenigstens habe ich an mir die Erfahrung
gemacht, dass auch bei anhaltender intensiver Beschäftigung mit den Süsswasserostracoden der
Vergleich von Bild und Schale bei ähnlichen Formen wie z. B. Candona pubescens und fallax nur
unsichere Resultate, der Vergleich von Bild und Bild sichere Resultate liefert.
Das eben Gesagte hat zur Voraussetzung, dass der Schalenumriss in hohem Grade constant
so dass auch geringfügige Differenzen eine Unterscheidung der Arten gestatten. Das ist nach meinen
Erfahrungen bei der Mehrzahl der Arten wirklich der Fall. Ich habe, so weit es mir das Material
gestattete, auf Abweichungen möglichst geachtet, habe dieselben im Text erwähnt. Manche Arten
zeichnen sich dagegen durch ausserordentliche Veränderlichkeit der Schalenform aus, wie z. B. Cypris virens.
Untersucht man, wie eben gefordert, nicht ganze Thiere, sondern isolirte Schalen, so hat man
ausser dem erwähnten Vortheil noch den, an der Schale leicht eine Menge anatomischer Einzelheiten
zu sehen, welche ebensowohl für die Charakterisirung der Arten, wie für die Erkenntniss der Verwandtschaft
von grösser Bedeutung sind. Ich habe im Besonderen für die Linien, welche man in der
Nachbarschaft des Schalenrandes sieht, und die in den neueren Arbeiten von SARS, KAUFMANN und
VAVRA auch einige Beachtung gefunden haben, bestimmte Bezeichnungen eingeführt, die ich bereits a. a. O.
(1894 p. 91 und. 1898 p. 258) auseinandergesetzt habe. Da ich indessen nicht voraussetzen kann,
dass derjenige, der die vorliegende Monographie benutzt, die beiden genannten Arbeiten zur Hand hat
will ich hier die fraglichen Ausdrücke erklären, muss zu diesem Zweck den Bau der Schale kurz
erörtern: Die Schale der Ostracoden stellt bekanntlich eine Hautduplikatur dar, an der wir eine äussere
und eine innere Lamelle unterscheiden können. Die äussere Lamelle ist in ganzem Umfang verkalkt
die innere nur im Bereich eines mehr oder weniger breiten Randes, ausnahmsweise gar nicht. Die
Grenze des verdickten und verkalkten Theiles gegen den nicht verdickten bezeichnen wir als In n en -
ran d (Jr.) Meist tritt eine bei den Cypriden nur wenig umfangreiche Verschmelzung beider Lamellen
am Rande ein, es entsteht so eine v e rschm o lz en e R a n d zo n e , welche sich durch die Verwachsung
«- oder V e rschm e lzu n g s-L in ie (VI) scharf abgrenzt.
Schematische Darstellung von Schnitten durch den Schalenrand: Fig. 1. Der Saum entspringt im Profil
zwischen Verwachsungslinie und Schalenrand, überragt den letzteren. Fig. 2. Der Saum ist auf den Schalenrand gerückt,
eine verschmolzene Zone existiert n icht, nahe dem Innenrand verläuft eine Leiste. Fig. 3. Es ist eine breite verschmolzene
Zone vorhanden, der Saum entspringt nahe dem Innenrand. a. L. äussere Lamelle, B. Borste, i. L. innere
Lamelle, 1 r Innenrand, L Leiste, P Porencanal, S Saum, S l Saumlinie (Ursprung des Saumes). V l Verschmelzung!
"
Meist nahe dem Schalenrand entspringt ein Anhang, den ich als Saum (S) bezeichne, seinen
Ursprung als S aumlinie (Sl). Gewöhnlich entspringt er zwischen Schalenrand und Verschmelzungs-
Linie, er kann aber nach aussen bis auf den Schalenrand, nach innen bis in die Nachbarschaft des
Innenrandes, nie über denselben hinauswandern; er kann den Schalenrand überragen, so dass er im
Profil sichtbar ist (besonders am Vorderand), oder nicht. Ferner finden sich zwischen Schalenrand und
Innenrand Linien, hervorgebracht durch Verdickungen der Innenlamelle, Leisten (L) etc.; sie können
zu Verwechslung mit dem Saum Veranlassung geben, in diesem Fall bieten die Borsten (vergl. unten)
ein Kriterium für Erkennung des Saumes. Alle diese Linien, Saumrand, Saumlinie, Innenrand, Leiste
erscheinen im Profil als etwa concentrische Linien. Um sich über die Bedeutung der Linien zu
orientieren, besonders um die Lage des Saumes festzustellen, empfiehlt es sich, die Schale in Glycerin
von der Innenseite aus zu betrachten.
Die ganze Schalenoberfläche ist von Porencanälen durchbohrt, welche im allgemeinen zu Borsten
führen. Diese Porencanäle erreichen eine besondere Länge, wenn sie zu Borsten am Schalenrand
führen, sie bilden dann oft sehr charakteristische Figuren. (Vergl. Taf. 14 Fig. 10 etc.) Die flächenständigen
führen zu bald sehr auffälligen, bald unscheinbaren Warzen oder Punkten, auf denen die
Borsten entspringen. Im allgemeinen entspringen die Borsten ausschliesslich auf der Aussenseite der
Schale, resp. auf dem Rand; eine Ausnahme von dieser Regel bildet eine Borstenreihe, welche dicht
hinter dem Saum, in dem Winkel zwischen Saum und Schale entspringt. Nur ausnahmsweise entfernt
sie sich vom Saum (Notodromas monacha Taf. 12 Fig. 11). Sie liefert ein sicheres Kriterium für
Unterscheidung des Saumes von Leisten etc.; verfällt sie der Rückbildung, so wird die Deutung unsicher.
Nicht alle Porencanäle führen zu Borsten. In der verschmolzenen Zone, welche für Untersuchung
dieser Verhältnisse die günstigsten Bedingungen bietet, bemerken wir bisweilen zarte, blind endigende
Canäle (Taf. 14 Fig. 10). Indem derartige Canäle sich an ihrem Ende ausbreiten, peripher unter einander
verschmelzen, central verschwinden, entstehen die zierlichen, den Rand begleitenden Figuren, wie
sie Taf. 14 Fig. 13 zeigt.
Vielfach finden wir dicht unter der Oberfläche der Schale Netze von Canälen (vergl. G. W.
MUELLER 1894 p. 97) welche bisweilen bereits beim lebenden Thier sehr auffällig sind (oft, nicht immer bei
Candona fallax), oft erst bei Behandlung mit Reagentien sichtbar werden, so besonders bei der
Ueberführung in Glycerin, bei der Ueberführung aus Creosot in Balsam; sie können ein unangenehmes
Hinderniss für die Untersuchung abgeben. (Cypris virens). ' Diese Netze beeinflussen das Aussehen
mancher Ostracoden sehr (Candona reticulata D a d a y verdankt ihnen ihren Namen). Sie sind wohl
zu unterscheiden von Leisten etc., und deshalb besonders zu erwähnen, weil sie je nach Behandlung
der Schale bald sehr auffällig, bald ganz unsichtbar sind. Ich glaube, dass wir es in diesen Canälen
ebenfalls mit borstenlosen, am Ende verzweigten, am Ursprung obliterirten Porencanälen zu thun haben;
wie diese dürften sie eine Rolle bei der Abscheidung der Schale spielen.
Vielleicht genügt das, was ich bisher über den Bau der Schale sagte, um eines zu recht-
fertigen; ich habe es im Gegensatz zu älteren Autoren unterlassen, die Rundung der Schale durch
Schattirung wiederzugeben, nur Warzen, Furchen etc., die ich nicht anders anzudeuten wusste, sind so
gezeichnet. Es rechtfertigt sich das zunächst dadurch, dass sich eine Wiedergabe der oben aufgeführten
Details neben einer Schattirung kaum oder überhaupt nicht durchführen lässt. Ueberhaupt scheint mir
die Schattirung höchst überflüssig; über die Rundung der Schale und andere bemerkenswerthe Eigen-
thümliehkeiten giebt sie uns niemals einen genauen, in den seltensten Fällen überhaupt irgend welchen
Aufschluss. Das leistet die Combination von Profil und Ansicht von oben viel besser; eine Ansicht von
vorn oder hinten würde in dieser Beziehung oft gute Dienste leisten, scheint mir aber gegenüber den
Vortheilen, die sie bietet, doch zu mühsam zu erhalten. Was die Schattirung leistet, dürfte im allgemeinen
das sein, dass sie uns über Ungenauigkeiten in der Beobachtung der Linien hinwegtäuscht.
Die Notizen .über Färbung sind, so weit möglich, nach lebenden Thieren gemacht.
Ich habe mich bemüht, bei der Beschreibung auseinander zu halten, was im Bild eines Ostracoden auf