enthalten mag, wird jedoch die Gleichgültigkeit der Familienväter
nicht entschuldigt. Es fehlt fast durchwegs an geeigneten Lokalitäten
und oft auch an den nöthigen Lehrmitteln ; die Lehrer
sind ungenügend besoldet und ihrer Aufgabe nur in den seltensten
Fällen gewachsen, da intelligente Leute sich bei der geringen
Besoldung selten dem Lehrfache zuwenden und in Liberia auch
keine eigentliche Lehrerbildungsanstalt besteht. Daher kommt
es, dass nur wohlhabende Leute, die ihre Kinder in die gewöhnlich
auf etwas höherer Stufe stehenden Privatschulen schicken
können, denselben einen bessern Unterricht zu verschaffen im
Stande sind. In den Bevölkerungscentren sind die Schulen natürlich
viel besser daran als auf dem Lande, wo dieselben, wie ich mich
selbst überzeugen konnte, noch viel zu wünschen übrig lassen.
Für den höhern Unterricht besitzt Liberia eine Lehranstalt
im sogenannten Lib e r i a Col lege in Monrovia, woselbst durch
farbige, aus Amerika berufene Professoren Physica, Mathematik,
sowie Griechisch, Latein und Arabisch gelehrt wird. Dieses
Institut verdankt seine Entstehung einem am 19. März 1850 in
Amerika gegründeten Comité, das auch seither für die fianzielle
Unterstützung desselben Sorge trug.
Im Jahre 1862 (28. Januar) wurde das „College” feierlich eingeweiht
und dem Schutze der Gesetzgebenden Versammlung
unterstellt, doch konnte es infolge des Ausbleibens der beiden
aus Amerika erwarteten Professoren erst im folgenden Jahre
den ersten Cursus beginnen. Obschon sich dieses Institut bis
zum heutigen Tage aufrecht erhalten hat, scheint es doch den
an dasselbe gestellten Erwartungen nicht in allen Hinsichten
zu entsprechen. Man klagt, dass der Unterrichtsplan für die
jungen Leute, sogar für die tüchtigsten Zöglinge, die von den
höhern Schulen der Missionen geliefert werden, zu hoch sei.
Das College ist die einzige Schule in Liberia, welche die Doktorwürde
verleiht. Ausser demselben sind noch die zwei höhern
Schulen der protestantisch bischöflichen Mission, die eine am
Cap Palmas, die andere in Cape Mount, zu erwähnen, sowie
eine höhere Töchterschule (Töchterpensionat) unter Leitung einer
weissen Dame aus Amerika, am St. Johnsflusse in Grand Bassa.
Die protestantisch bischöfliche Mission arbeitet mit grösser Energie
und vielem Erfolg auf dem Gebiete des Unterrichts und sorgt sogar
dafür, dass fähige junge Leute später ihre wissenschaftliche
Ausbildung an amerikanischen Universitäten finden können.
Früher giengen viele junge Leute zur Fortsetzung ihrer Studien
nach England, gegenwärtig aber ziehen Alle ohne Ausnahme nach
Amerika. Die Mehrzahl dieser Wenigen bildet sich zu Geistlichen
und Aerzten aus, an welchen
Letztem man in Liberia stets
grossen Mangel hat.
Das nebenstehende Bild
stellt zwei eingeborne Brüder
(Söhne eines Häuptlings) aus
dem Vey-Stamme dar. Beide
haben liberianische Schulen
besucht, doch während der
Eine in Amerika studirt und
sich zum Geistlichen ausgebildet
hat, ist der Andere
den Sitten seiner Väter treu
geblieben. Er steht neben seinem
zurückgekehrten Bruder
in der malerischen inländischen
Toga (country-gown),
in der einen Hand den Häuptlingsspeer
, in der ändern ein
Stück Papier zum Zeichen ,
dass er der Vey-Schrift mäch-
Zwei eingeborne Brüder aus ^ig UQd demnach in seiner
dem Vey-Stamme- Weise ebenfalls ein Schriftgelehrter
sei.
Im Grossen und Ganzen zeigt die Geschichte Liberia’s, dass es
seit der Gründung der Colonie nie an einem guten Kern von
geschulten und gebildeten Leuten gefehlt hat. Obschon es während
der kurzen Periode seines Bestehens wenig besonders hervorragende
Dichter und Denker produzirte, so hat es doch den
Beweis geliefert, dass es auch auf dem Gebiete idealer Bestrebungen
nicht ganz unthätig geblieben ist.