Art Geheimbund (englisch medecine-bush), der seine Versammlungen
zur Nachtzeit in dazu bestimmten Wäldern oder Hainen
hält, die kein profaner Fuss betreten darf. Dieser Bund wird in
der Veysprache sembe genannt. Er ist identisch mit dem in Sierra
Leone und am Gambia bekannten pur ah und zahlreichen ändern
geheimen Genossenschaften. Die Verhandlungen und Ceremonien
dieses Bundes sind in mystisches Dunkel gehüllt. Kein Mitglied
des sembe darf, bei Todesstrafe, auch nur das Geringste darüber
verrathen, und so gelingt es denn auch dem Weissen niemals,
sich über das Wesen und Treiben dieses Bundes volle Klarheit
zu verschaffen. Sehr edle Zwecke soll übrigens, wenn ich gut
unterrichtet hin, derselbe nicht immer verfolgen, sondern mehr
ein Schutz- und Trutzbündniss sein, um sich gegenseitig hei
etwaigen Collisionen mit den hberianischen: Gesetzen: so gut-wie
möglich aus der Klemme zu helfen. Aus Handelsrücksichten treten
gelegentlich liberianische Zwischenhändler und; sdlbst weissexKäüf-
leute dem sembe bei, doch können dieselben, wie man uns-versicherte,
niemals die höchsten Grade: erreichen ühd.Werden sie
daher auch nie in alle Geheimnisse eingeweiht, Sogar Sklaven
werden in den medecine-bush aufgenomrnen, und'es ist gewiss für
die milde Form der Sklaverei sehr bezeichnend , dass: dieselben die
höchsten Grade erreichen können und unter Umständen eben so
viel mitzusprechen haben, wie ihre eigenen Herren. Der sembe
übt eine so grosse Macht im Lande aus, dass sich selbst die
Fürsten ihr nicht zu entziehen wagen. Sehr oft wird diese
eigenthümliche Institution mit dem devil-bush verwechselt oder
mit diesem für identisch gehalten; in Wirklichkeit aber haben
Beide nichts anderes mit einander gemein als die Geheimhaltung
der Gebräuche.
Ich kann dieses Capitel nicht abschliessen, ohne auf den Einfluss
aufmerksam zu machen, den die zwei von aussen her
eindringenden Religionen, der Islam und das Christenthum, bis
jetzt auf die Eingebornen Liberia’s ausgeübt haben. Es wurde
schon vorhin angedeutet, dass die Bemühungen der amerikanischen
Missionäre nicht sehr glänzende Resultate aufzuweisen •
haben, da die Eingebornen sich dem Christenthum gegenüber
ziemlich indifferent verhalten. Grössere Fortschritte macht meiner
Meinung nach der Islam, welcher vom Innern her langsam aber
stetig weiter nach'-der Küste hin vordringt.
Die Mandingo der weiten Hinterländer sind sämmtlich Mohammedaner,
und ebenso zum grossen Theil die Busy und Pessy.
Bei den argwöhnischen, verschlossenen Golah jedoch hat der
Islam bis jetzt noch keinen festen Fuss gefasst, wohl aber
ist dies bei den Ueberresten des Deh-Stammes und ganz besonders
bei den Vey der Fall, deren allgemeiner Charakter viel Ueber-
einstimmung mit demjenigen der Gallinas zeigt.
Der Uebertritt zum Islam hat übrigens im Grunde wenig zu
bedeuten und wird dazu dem Fetischdiener sehr leicht gemacht.
Der Proselyt braucht hei weitem nicht alle Ceremonien nfit-
zumachen und all den Vorschriften nachzuleben, welche der Islam
vorschreibt. Meist genügt es schon, wenn er den Genuss von starken
Getränken aufgiebt und sich des Essens von unreinem
Fleisch ATifha.lt,. Im Uebrigen ist der Mandingo-Derwiscb (bei den
Vey murry-kai oder kurzweg murry, bei den Liberianern murry-man
genannt) zufrieden, wenn er die kafirs (Ungläubigen) nominell
dem Islam zuführen und sie so weit bringen kann, dass sie
ihre unansehnlichen Fetisch-Amulette mit seinen viel schöneren,
eleganteren und, wie er sagt, wirkungsvolleren Talismans vertauschen.
Dass aber die Anfertigung solcher Talismans für die
Derwische ein höchst gewinnbringendes Geschäft sein muss,
beweisen die hohen Preise, welche die abergläubischen Neger
dafür zu bezahlen haben.
Die Mandingo selbst nehmen es mit den Vorschriften des Islam
viel genauer und besuchen regelmässig die Moschee (ein zu diesem
Zwecke erbautes, • geräumiges Lehmhaus), um dort ihre Gebete
zu murmeln und die Ceremonien einzuhalten, welche ihnen der
in einen langen, weissen Talar gehüllte Derwisch mit würdiger
Haltung und einem Gesichte voll des feierlichsten Ernstes Vormacht.
In allen ihren Städten und grössern Dörfern haben die Mandingo
Schulen für die Knaben, deren Unterricht sich jedoch
nebst der Einübung von religiösen Gesängen, Gebeten und Ceremonien
nur auf das Lesen und Schreiben von arabischen Stücken
aus dem Koran zu beschränken scheint. Hin und wieder findet
man bei den Mandingo selbst Gelehrte, die verschiedene arabische