dem auch dort und sogar noch östlicher englische Kaufleute sich
angesiedelt hatten, ihr Grundgebiet selbst bis an den Mahfa River
auszudehnen suchten. Da auf dieser Basis jedoch keine Ueber-
einstimmung mehr möglich war, gieng die Commission auseinander,
ohne die Frage endgültig entschieden zu haben. Nach
Colonel W a uw e rm a n s , dem ich auch hier folge, soll der Gouverneur
R ow e sogar gesagt haben: „Die Liberianer sind arm, sie
haben kein Geld mitgebracht, und darum brauchen sie auch keine
Entscheidung nach Hause mitzunehmen!”
Nach dem Abbrechen dieser Unterhandlungen blieb die Grenzfrage
längere Zeit ruhen, obschon H a r r is keineswegs müssig
blieb. Er hatte, um seinen Forderungen mehr Nachdruck geben
zu können, eine Handelsgesellschaft gegründet, die sich unter
dem Titel von Sulymah and Sherbro Trading Company, limited,
constituirte. Dieser übertrug er seine sämmtlichen Handelsunternehmungen
und tra t als Direktor an ihre Spitze. Auch sandte
er gegen Ende 1880 an Lord G r a n v il l e eine specifizirte Berechnung
des Schadens, den er bei der Züchtigung der Gallinas
durch die Liberianer in 1871 erlitten zu haben vorgab. In 1881
brach, wahrscheinlich wieder angeschürt durch H a r r is , der Krieg
zwischen den Gallinas und den Vey von Neuem aus, und wieder
wurde das Gebiet der Letztem, wie bereits im ersten Theile
dieses Buches erwähnt ist, durch die Räuberhorden der Kosso
verwüstet.
In 1 8 8 0 war Sir A. E. H ave lock General-Gouverneur der
britischen Besitzungen in Westafrika geworden. Dieser zögerte
nicht, durch seine Agenten in den Gallinasländern für eine
Besitznahme durch England Propaganda machen zu lassen, eine
Arbeit, die bei einer gutgespickten Börse nicht allzu mühsam
w a r, umso weniger, als Liberia sich nie viel Mühe gegeben hatte,
bei den Gallinas ein Gefühl von Zusammengehörigkeit mit dem
Freistaate einzupflanzen und wach zu erhalten.
Zu Ende Februar 1882 nun erhielt die liberianische Regierung,
während der dritten Amtsperiode G a r d n er ’s , durch das britische
Kanonenboot „Pioneer” von Gouverneur H ave lock die Mittheilung,
dass dieser nach Monrovia kommen werde, um die Grenz-
regelungsfrage endgültig zu erledigen und zugleich einige andere
Angelegenheiten zu besprechen1). Am Nachmittage des 18. März
erschien statt seiner das englische Kriegsschiff „Briton”, Kapitän
A. J. K e n n e d y , mit der Botschaft, dass der Gouverneur vorläufig
zu kommen verhindert sei und den Besuch infolge der
Dislocation von Kriegsschiffen um einige Tage habe verschieben
müssen. Indessen war der Gouverneur so höflich, die liberianische
Regierung mit den Gründen seines Besuches bekannt zu machen.
Diese seien, so schrieb er, in erster Linie eine Schadenersatzforderung
für Verluste, durch die militärischen Operationen in
1871 einigen Kaufleuten aus Sierra Leone verursacht. Die verlangte
Entschädigungssumme betrug die Kleinigkeit von über 8,000
Pfund (42,000 Dollars). Nebstdem enthielt das Schreiben eine Forderung
von über 9,000 Pfund (45,000 Dollars) zu Händen von
Mr. H a r r is . Diese letztere Forderung betraf eine Vergütung von
durch die Liberianer ihm zugefügten Schaden während einer Reihe
von 20 Jahren,‘ anfangend mit der Inbeschlagnahme seiner beiden
Schiffe „Phoebe” und „Emily” in 1860 durch das liberianische
Kanonenboot „Quail” und endigend mit der Confiscation des
„Krooboy” durch die Zollbehörden von Cape Palmas in 1880.
In zweiter Linie besprach das Schreiben die Grenzstreitigkeiten
{north- west boundary question). Nach den darin enthaltenen
Auseinandersetzungen verweigerte England Liberia gegenüber die
Anerkennung sämmtlicher Gebiete im Westen von Grand Cape
Mount, deren aktuelle Bevölkerung die liberianische Souveränität
nicht anerkenne und für deren Besitz Liberia keine vollgültigen
Titel aufweisen könne. Ueberhaupt machte der Inhalt des Schreibens,
im Zusammenhang mit den bereits stattgehabten Wühlereien
bei den Gallinasstämmen, den Eindruck, dass England den
ganzen Landstrich von Manna Point bei Sherbro bis nach Grand
Cape Mount hinunter auf alle Fälle zu annectiren wünsche.
Wenn man nun für alle die demüthigenden Forderungen und
Chicanen, denen Liberia immer von neuem wieder ausgesetzt
war, die englische Regierung in London verantwortlich machen
>) Die nun folgenden Ereignisse fielen mit meinem beinahe dreimonatlichen
Aufenthalte in Monrovia, vor der Rückkehr von meiner ersten Reise,
zusammen, so dass ich dieselben mit erlebt habe.