toreien ebensogut das Nöthige an Werkzeugen und Material finden,
als der Landbauer und Holzsäger. Selbst Nähmaschinen werden
verkauft. Da findet man Stahl, Schmiede- und Reifeisen, Kupfer-
und Eisendraht, galvanisirtes Wellenblech zur Dachbedeckung,
Anker und Ketten, Tauwerk, Decimalwaagen, Colonial- und Farb-
waaren, Spezereien, Kochsalz, Medikamente, Seife, Parfümerien
Petroleum.
Einen äusserst beliebten Artikel bilden Gewehre, Perkussionsgewehre
sowohl als die von den Eingebornen begehrten Steinschlossgewehre,
die theils zu diesem Zwecke in Europa neu
fabrizirt, theils auch aus alten Perkussionsgewehren angefertigt
werden. Dazu kommen selbstverständlich Feuersteine, Zündhütchen
und Schiesspulver, welch letzteres sehr grobkörnig ist
und in kleine, hölzerne Fässchen verpackt, massenhaft importirt
wird. Auch Säbel sind sehr beliebt, besonders alte Kavallerie-
Schleppsäbel mit stählerner Scheide, ferner Hack- und Buschmesser
(cutlasses und billhooks), Dolche, alte Hirschfanger und
Revolver, so dass man in einem einzigen wohlversehenen störe
alles vereinigt findet, was man in Europa in den verschiedenartigsten
Magazinen und Kaufläden vertheilt antrifft.
Der Tauschhandel1) - nur in Monrovia und einigen ändern
Küstenplätzen spielt Baargeld eine bemerkenswerthe Rolle — bildet
bei verschiedenen Unannehmlichkeiten den Vortheil, dass der Kaufmann
sowohl an den Import- als an den Exportartikeln gewinnen
kann. Freilich kommt es gelegentlich auch vor, dass er Landesprodukte
zu einem höhern Preise an Zahlungsstatt annehmen
muss. Es lässt sich daher leicht begreifen, dass die Rechnungsführung
in diesen grossentheils auf Tausch beruhenden Geschäften
eine sehr verwickelte und oft recht mühsame ist, und dass
das jeweilige Inventarisiren (das sogenannte stock Nehmen) der
vorhandenen Waarenvorräthe viel zu schaffen giebt.
) Unter Tauschhandel hat man in der Regel nicht ein willkürliches, gegenseitiges
Austauschen von Waaren zu verstehen; denn bis weit ins Innere
hinein weiss der Eingebome nach Dollars zu rechnen. Seine Waaren werden
denn auch nach Dollars taxirt und ihm die Summe genannt, wofür er aber
nicht baares Geld, sondern dessen Werth in durch ihn selbst gewählten
Importartikeln ausbezahlt erhält.
Jede grössere Faktorei ist mit ihren Dependenzgebäuden, als
Waarenhäusern, Palmkernmagazinen und Palmölschuppen, die
in dem sogenannten yard beisammen stehen, von einem hohen
und soliden Palissadenzaun umgeben, dessen Eingangsthor zur
Nachtzeit verschlossen und von einem eigens zu diesem Zwecke
angestellten Nachtwächter bewacht wird. Derselbe, meist ein
Liberianer, erscheint mit Sonnenuntergang in der Faktorei, wo
er Muskete und Munition empfängt. Während der Nacht feuert
er stündlich als Beweis seiner Wachsamkeit einen Schuss ab,
zum nicht geringen Schrecken neuer Ankömmlinge, die mit den
Verhältnissen noch nicht vertraut geworden sind.
Liberia ist am 1. April 1877 dem internationalen Postverbandex)
beigetreten und dadurch den Culturstaaten der übrigen Welt um
einen Schritt näher gerückt. Wie bereits- gesagt, wird die Postverbindung
durch die beiden englischen Dampferlinien via Liverpool
und die Woermann-Linie via Hamburg vermittelt und istverhält-
nissmässig rasch und sicher. Bei den englischen Dampfern geschieht
es freilich, dass sie gelegentlich Monrovia vorbeifahren und dann
die Mail nach dem nächsten Küstenplatze mitnehmen, von woher
sie dann bei erster Gelegenheit zurückgebracht wird. Nichts ist
daher begreiflicher als das Verlangen, mit dem man der Ankunft
des erwarteten mail-steamers entgegensieht und die Enttäuschung,
wenn er, endlich in Sicht gekommen, unnachsichtlich vorbei-
dampfb. Ist aber einmal der Schuss gefallen, der das Ankern des
Dampfers anzeigt, dann eilt Jeder, und wäre es auch, was oft genug
vorkommt, mitten in der Nacht, nach der post-office, um seine
Briefe abzugeben. Mittlerweile ist auch der maü-officer in seiner
Jolle von Bord angekommen, übergiebt die mail und nimmt den
unterdessen verschlossenen Postsack in Empfang. Jedermann
aber, der Briefe erwartet, bleibt vor dem Postschalter stehen,
bis die Adressen der angekommenen Briefe abgelesen werden,
um ja recht bald in den Besitz der lang ersehnten Nachrichten
') Laut einem Bericht des Generalpostmeisters im Observer vom 23. November
1882 wurden vom 21. März bis 20. September^ des genannten Jahres aus
Liberia 1444 gewöbnbcbe und 99 eingeschriebene Briefe, 158 Correspon-
denzkarten und 58 <8 Drucksachen und Warenmuster durch "die Post ins
Ausland versandt.