Die Palmölbereitung mit allem, was dazu gehört, beschäftigt
in der Saison eine Menge Leute und verschafft den Eingebörnen —
nur diese befassen sich mit der Palmölgewinnung — die Mittel,
um ihren verschiedenen Bedarf an Importwaaren aus den Faktoreien
an der Küste zu erlangen. Obwohl das ganze Jahr hindurch
gelegentlich reife Palmnüsse anzutreffen sind, dauert doch die
eigentliche Reifezeit nur von Neujahr bis Ende Juni. In der Regenzeit
aber, wenn sonst keine bedeutenden Arbeiten verrichtet
werden können, werden die aufgehäuften Steine der Palmnüsse
aufgeklopft und die darin enthaltenen Kerne (palm-kernels)
gesammelt. Diese liefern, gestossen und gepresst oder abgekocht,
ein vorzügliches, schmackhaftes Oel, die sogenannte Palmbut ter .
Die Palmkerne bilden übrigens, wie das Palmöl, einen bedeutenden
Handelsartikel, und doch bleiben ganze Haufen von Palmnüssen
unaufgeklopft liegen. In Zeiten schwerer Noth spielen
die Palmkerne auch als Nahrungsmittel eine bedeutende Rolle.
Nicht weniger interessant als die Gewinnung des Palmöls ist
die des P a lmwe i n s , welcher sowohl der Oel- als auch der
'Weinpalme abgezapft wird und das einzige berauschende Getränk
bildet, das der Eingebörne der Waldregion zu bereiten versteht.
Zu diesem Zwecke werden in der Regel niedrige Palmen gewählt,
die nicht von den Wedelstümpfen gesäubert sind. Um trotzdem
in die Krone hinauf zu gelangen, wird ein abgehacktes Baumstämm-
chen an dieselbe gelehnt, an welchem man hinaufklettern kann.
Nachdem man nun an einer Stelle der Krone durch Abhacken
der Wedel eine Lücke gewonnen, wird in die Spitze des Stammes
eine Höhlung gemacht und der sich darin ansammelnde
Saft durch eine Art Rinne in eine darunter gehängte Kalebasse
geleitet. Jeden Morgen wird dann der derart gewonnene Palmwein
weggeholt. Eine neu angezapfte, kräftige Palme kann täglich
über drei Liter dieses Saftes liefern, doch ist sie nach ein
bis zwei Monaten erschöpft, so dass man genöthigt ist, wieder
eine andere anzustechen. Der Preis für Palmwein, der in grössern
Ortschaften durch Eingebörne während der Trockenzeit regelmässig
zum Kaufe angeboten wird, ist zwei, stellenweise auch drei
Blatt Tabak per Flasche. Wir gebrauchten denselben nicht nur
gerne als erfrischendes, angenehmes Getränk, sondern auch als
Brodhefe, da er das Brod nicht allein luftig und schwammig
macht, sondern demselben auch einen guten Geschmack giebt.
Sauer geworden, diente er uns übrigens auch als Essig.
Nicht selten endlich muss die schöne Oelpalme, nachdem sie
dem Eingebörnen das Oel zu seinen Speisen geliefert, ihm die
Mittel zu allerlei europäischen Genüssen verschafft und mit
ihrem Herzblut seinen Durst gestillt, gar ihr Leben für ihn lassen,
um, aller Blätter beraubt, in dem zarten, markreichen
Gipfelende des Stammes den sogenannten P a lmk o h l (palrn-
cäbbage) zu liefern.
Doch nicht nur dem Menschen gewährt die Oelpalme allgemeinen
Nutzen, sondern sie bildet auch den Brodkorb für eine
unglaubliche Menge von Thieren verschiedenster Art. Ganze Herden
von Affen durchstreifen täglich die Wälder, um sich an den
süssen Früchten zu sättigen, und Eichhörnchen, Flughörnchen,
fruchtfressende Fledermäuse, Nashornvögel, Papageien, Mantelkrähen
nebst einer Menge anderer Vögel besuchen sie regelmässig
als ihre ständigen Futterplätzp. Von den durch alle diese kletternden
und gefiederten Gäste herabgeworfenen Palmnüssen
nähren sich wieder zahlreiche Waldantilopen, Pinselschweine,
kleine Nager und Fleischfresser, Insekten, Schnecken u. s. w.
Auch die vorhin erwähnte Weinpalme (Raphia, vinifera, Beauv.)
spielt im Haushalte der Eingebörnen eine wichtige Rolle. Ihre
langen Wedel liefern diesen nämlich eines der wichtigsten Materialien
zum Bau ihrer primitiven Wohnungen, namentlich der
Wände und Thüren, während die beblätterten Enden dieser
Riesenwedel zur Bedachung derselben verwendet werden. Ueberdies
dienen die glattrindigen, in feine Splitter spaltbaren Wedelrippen
zum Anfertigen von allen erdenklichen Sachen, ganz in derselben
Weise, wie bei ostindischen Völkern der Bambus1). Wie schon
gesagt, wird auch von dieser Palme Wein gezapft, und zwar
noch viel allgemeiner als von der Oelpalme. Der Saft der Wein-
’) Ein echter Bambjis (Bambusa gigantea?) kommt auch in Liberia vor,
doch ist er stets vereinzelt. Ich fand denselben nur auf drei- verschiedenen
Stellen, und zwar jedesmal in der Nähe bewohnter Orte, nämlich hei
Gonon und Buluma im Vey-Lande und bei Hartford am St. John’s Biver.