Aber auch der Staat Ma ry l a n d war inzwischen nicht müssig
geblieben. In 1843 erwarb dieser den Ort Fishtown, etwa 10
miles westlich vom Cap Palmas, mit einem schönen Hafen, und
in 1846, unter dem energischen Gouverneur R ussw t jrm , auch
die übrigen Küstengebiete bis an den Grand Sesters hinauf, sowie
den Küstenstrich östlich vom Cap Palmas, an der sogenannten
Elfenbeinküste, bis an den San Pedro River hinunter. Auf diese
Weise war nicht nur das Grundgebiet dieser beiden Staaten bedeutend
erweitert, sondern es war auch dafür gesorgt, dass keine
fremde Macht sich trennend zwischen die beiden Schwestercolonien
hineindrängen konnte. Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen
beiden wurden noch enger geknüpft durch einen Vertrag, laut
welchem dieselben einen Einfuhrzoll von 6% ad valorem von
allen importirten Handelswaaren zu erheben beschlossen, um
in Zukunft den finanziellen Anforderungen des Staatshaushaltes
genügen zu können, ohne stets die Colonisationsgesellschaften
um Hülfe ansprechen zu müssen.
Dieser Beschluss oder vielmehr dessen strikte Durchführung
war der unmittelbare Anlass zu zahllosen Unannehmlichkeiten ,-
die sogar zeitweise die Existenz der Colonie gefährdeten und
schliesslich zu dem gewagten Schritte der Unabhängigkeitserklärung
führten.
Durch ihren ausgebreiteten Handel und die Niederlassungen an
der Westküste Afrika’s waren es besonders die Engländer, namentlich
aus Sierra Leone, die unter allen Kaufleuten am meisten durch
diesen Einfuhrzoll und andere auf dem Handelsverkehr lastende
Abgaben getroffen wurden. So kam ein englischer Kaufmann
mit seinem Fahrzeug regelmässig nach Grand Bassa, um mit
den Eingebornen Tauschhandel zu treiben. Als man nach der
Einführung des Zolltarifs auch von ihm Zoll erheben wollte,
erklärte er, nichts zu bezahlen, da er von Alters her mit den
Eingebornen gehandelt habe und von diesen das Recht dazu
durch Engländer erworben sei, lange bevor die Liberianer sich
hier angesiedelt hätten. Hierauf bemächtigte sich der liberianische
Zollbeamte einer Partie Waaren, die dem Kaufmann gehörten
und die den ungefähren Werth des verweigerten Eingangszolles
ausmachten. Durch diesen Vorfall etwas beunruhigt, wandte
sich die liberianische Regierung an den Staatsminister von Nordamerika,
Mr. W e b s t e r , dem sie den Sachverhalt mittheilte. Der
amerikanische Gesandte E v e r e t t wurde nun beauftragt, bei
dem englischen Kabinet über die Ereignisse in Liberia Klage zu
führen und gegen jeden Eingriff in die Rechte Liberia’s Verwahrung
einzulegen. E v e r e t t behandelte die Sache Lord A berd een
gegenüber etwas allzu geschmeidig, indem er, statt auf die
Respektirung der Rechte Liberia’s anzudringen, diesen Staat
dem Wohlwollen der englischen Regierung empfahl. Indessen
wurde von Seiten des englischen Kaufmanns eine Klage gegen
die liberianische Regierung eingereicht und der englische Gesandte
Fox in Washington durch seine Regierung beauftragt,
sich bei der amerikanischen Regierung zu erkundigen, inwieweit
diese über Liberia eine Schutzherrschaft ausübe und darauf
hinzuweisen, dass, wenn die Regierung wirklich Liberia als eine
durch den Staat anerkannte, amerikanische Colonie betrachtet
wissen wolle, sie dann auöh die Verantwortlichkeit für die Handlungen
der Liberianer zu tragen habe. Der damalige amerikanische
Staatsminister U p sh u r antwortete, dass seine Regierung in Wirklichkeit
keine Hoheitsrechte über Liberia ausübe, dass aber Liberia,
zu schwach, um sich gegen Angriffe von aussen zu vertheidigen,
selbstverständlich in Anbetracht seiner hohen Aufgabe an das
Rechtsgefühl und das Wohlwollen der ändern Mächte appel-
liren könne.
Einige Monate später erschien der englische Kapitän J ones vor
Monrovia und übergab R oberts einen Brief vom Cabinet von
St. James, in welchem ihm mitgetheilt wurde, dass die englische
Regierung nicht dulden könne, dass eine Vereinigung von Privatpersonen,
so achtenswerth sie auch sein möge, sich Rechte
zueigne, die sie nicht besitze, dass allein das Eigenthumsrecht
keinen Anlass geben könne, um daraus Hoheitsrechte abzuleiten,
und dass daher England das Geltendmachen von dergleichen
Rechten seinen Unterthanen gegenüber nicht dulden könne. Um
zu zeigen, dass es mit diesen Auseinandersetzungen wirklich
ernst gemeint sei, erschien kurz darauf das englische Schiff
„Little Ben” , auf der Rhede von Bassa, dessen Kapitän
D a vid son aus Sierra Leone weigerte, Ankergeld zu bezahlen, da