der hohe Gast an einem Frühstück Theil und kehrte nachher
mit seinem Gefolge, bis an den Landungsplatz von den Magis-
tratspersonen der Stadt begleitet, an Bord zurück.
Am folgenden Tage begannen die Unterhandlungen zwischen
H ave lock und den liberianischen Bevollmächtigten. Die schändliche
Forderung von nahezu 50,000 Dollars von Seiten des Kaufmanns
H a r r is wurde schon nach der ersten Untersuchung als
völlig ungerechtfertigt betrachtet und von H ave lock auch eingezogen.
Desto hartnäckiger hielt er aber an seinem Plane fest,
die Grenzgebiete bis an den Mahfa River unter englisches Protektorat
zu stellen. Er forderte daher entschieden, dass Liberia aut
alle Rechte auf die Gallinasländer bis zum Mahfa River (in den
Verhandlungen mit England unrichtig Marfa und Maffa genannt)
gegen Zurückempfang der durch Liberia an die Häuptlinge jener
Gegenden bezahlten Kaufsummen verzichte, widrigenfalls er eine
sofortige Ausbezahlung der den geschädigten englischen Kaufleuten
zukommenden Summe von 42,000 Dollars verlangen müsse.
Der Standpunkt des Präsidenten und der Commissäre war
äusserst schwierig. Geld war nicht vorhanden, und Grundgebiet
abtreten wollte und konnte man nicht. Der englische Abgeordnete,
der jeden Vorschlag, die Frage einem unparteiischen Schiedsgericht
zu unterwerfen, entschieden zurückwies, stellte aber sein
Ultimatum so dringend, dass Präsident G a r d n er endlich, durch
die Noth gezwungen, einwilligte, unter dem Vorbehalt, dass der
Vertrag der gesetzgebenden Versammlung zur Ratifikation vorgelegt
werde. Die Bestimmungen dieses Contraktes lauten wie folgt:
Art. 1. Seine Excellenz der Präsident der Republik Liberia
verpflichtet sich, Ihrer Majestät der Königin von Grossbrittanien
und Irland die Summe von 4,075 Dollars 12 Cents auszubezahlen,
für welchen Betrag Ihre Majestät den Präsidenten sowohl von
aller Verantwortlichkeit gegenüber den Reklamationen der englischen
Unterthanen J e r em ia h R olle , J ame s Me r r io k und J ob und
P h öeb e P a lm e r , betreffend ihren in März und April 1871 erlittenen
Schaden während der gegen Fürst Mannah gerichteten
militärischen Operationen enthebt, als auch der Verantwortlichkeit
gegenüber den Reklamationen von J ohn Mey er s H a r r is
für den ihm von den liberianischen Behörden zugefügten Schaden
während der Jahre von 1860—1880, welche Reklamationen in
einem von H a r r is an Lord G r a n v il l e gerichteten Memorandum
vom 1. November 1880 enthalten sind. Infolge dessen übernimmt
Ihre Majestät die Königin von Grossbrittanien und Irland die
Verantwortlichkeit für die Reklamationen, welche in diesem Artikel
vermeldet sind.
Art. 2. Die Linie, welche die Nordwestgrenze der Republik
Liberia bildet, beginnt in der Mitte des Wasserweges des Cape
Mount- oder Maffa River '), da wo derselbe sich in die See
ergiesst, auf 6°47' nördlicher Breite und 12°87' westlicher Länge
von Greenwich, und folgt der Mitte des genannten Flusslaufes
bis zu seiner Quelle; von dort verläuft sie in gerader Linie und
nordöstlicher Richtung, bis sie sich mit der nordöstlichen Grenzlinie
Liberia’s im Innern vereinigt.
Art. 3. Ihre Majestät die Königin von Grossbrittanien und
Irland behält sich das Recht vor, von den Häuptlingen der Einge-
bornen diejenigen Ländereien käuflich zu erwerben, welche zwischen
der aktuellen Südostgrenze der Besitzungen Ihrer Majestät und
der Nordwestgrenze der Republik liegen, wie sie in Art. 2 beschrieben
ist.
Art. 4. Ihre Majestät. die Königin von Grossbrittanien und
Irland verpflichtet sich, seiner Excellenz dem Präsidenten der
Republik Liberia den Betrag der Ausgaben zurückzubezahlen, die
Liberia auf den Ankauf der Gallinasterritorien verwendet h a t,
und der in 1871 durch den damaligen liberianischen Finanzminister
A nderson zusammengestellt worden war. (Folgt die spezialisirte
Aufzählung der genannten Ausgaben).
Im Besitze dieses Dokumentes verabschiedete sich H ave lock
am 25. März und kehrte nach Sierra Leone zurück.
Die gleichzeitige Anwesenheit des amerikanischen Kriegsschiffes
„Edith” war nicht im Stande gewesen, den Erklärungen der
l) So schlecht waren damals die hydrographischen Verhältnisse von Cape
Mount bekannt, dass-man in einem so wichtigen Contrakte den Cape Mount-
und Mahfa River identiflcirte, was später zweifellos zu neuen und ernsten
Differenzen geführt hätte, falls der Contrakt wirklich angenommen worden
wäre.
LIBERIA, II. 5