S p ig g s P a y n e , der inzwischen wieder zu der republikanischen
Partei zurückgekehrt war, wurde durch diese Letztere dem Can-
didaten der Whigs, E. J. R o y e , gegenüber zum Präsidenten
gewählt. P a y n e , eine Mulatte, wurde am 15. December 1819
in Richmond in Virginien geboren und kam mit seinen Eltern
in 1829 nach Liberia, wo er auch seine Erziehung erhielt. In
1840 wurde er Prediger der Methodistengemeinde. Unter seine
Regierung fällt die Expedition des liberianischen Geometers und
gewesenen Finanzministers B en jam in A nderson nach der grossen,
auf der Mandingo-Ebene gelegenen Stadt Musardu. Die Reise wurde
auf die Veranlassung des mehrgenannten, amerikanischen Liberia-
freundes H en r y M. S c h ie f f e l in unternommen, der, zusammen
mit Mr. Ca l e b Sw a n , ebenfalls in New York, die nöthigen Gelder
zur Verfügung gestellt hatte. Die Resultate dieser Reise, die
am 14. Februar 1868 angetreten wurde und 13 Monate dauerte,
hat A nderson in einem Buche niedergelegt1).
In 1869 siegten die Whigs, und ihr früherer Candidat, E duard
J ose ph R o y e , wurde zum Präsidenten gewählt. Er war bei seinem
Amtsantritte 54 Jahre alt. Seine Regierungsperiode war jedenfalls
die unglücklichste und verhängnissvollste, die Liberia bis
zum heutigen Tage erlebt hat; denn nebst allerlei für den Freistaat
unangenehmen Ereignissen in den nordwestlichen Grenzgebieten,
die wir hier vorläufig übergehen wollen, füllt in diese
Zeit eine Staatsanleihe, die das Land in endlose Verlegenheiten
gestürzt hat und aus denen es sich schwerlich ungefährdet herausziehen
wird.
Um dem Handel, der Industrie und dem Ackerbau die Mittel
zu rascherer Entwicklung zu verschaffen, beschloss nämlich die
Regierung, in England über eine Geldanleihe zu unterhandeln.
Zu diesem Zwecke wandte man sich an einen englischen Agenten
in London, namens Ch in e r y , welchem, um seinen Bemühungen
mehr Gewicht beizulegen, der Titel eines Minister-Residenten
von Liberia verliehen wurde.
Es wurden nun zwei Bevollmächtigte nach London abgeordnet,
W. S. A nderson und W. H. J o h n so n , um an den Unterhand-
') Narrative of a Journey to Musardu, New York 1870.
lungen theilzunehmen, und im August 1870 wurde bei einigen
Geldfirmen in London eine Anleihe von 100,000 Pfund St. (500,000
Dollars) geschlossen, zu einem Zinsfusse von 7% und auf eine Zeitdauer
von 15 Jahren. Ueberdies mussten die Zinsen dieses
Kapitals für die ersten drei Jahre vorausbezahlt und daher von
der geliehenen Summe abgezogen werden. Von der ganzen Summe
wurden nach W a u w e r m a n s 1) nur 89,965 Dollars in Metall und
60,000 in Papier ausbezahlt; der ganze Rest wurde durch das
hohe Disconto, den Abzug der Zinsen für die drei ersten
Jahre, die Provisionen für direkte Auszahlung des Geldes und
für die Verwerthung der grossentheils unsoliden Papiere, sowie
durch Prämien der Zwischenhändler etc. verschlungen8).
Ob die beiden liberianischen Commissäre nur aus Ungeschicklichkeit
.einen solch unerhörten Contrakt eingegangen oder ob
andere Gründe mit im Spiele waren, lasse ich dahingestellt,
möchte aber fast das erstere behaupten. Jedenfalls hatten sie
sich damit sehr compromittirt, während der Agent Cb jn e r y
ohne Zweifel aus diesem für Liberia demüthigenden Gontrakte
unerhörten Vortheil zog.
Selbstverständlich verursachte das Bekanntwerden dieser schmählichen
Bedingungen in Liberia eine grenzenlose Entrüstung, und
die Notabein von Monrovia unterliessen nicht, unverzüglich gegen
diese Handlungsweise Protest einzulegen. Es gelang Ch in e r y
jedoch, die Unterzeichner dieses Protestes als die Volkshefe von
Liberia darzustellen und auf diese Weise die Creditoren zu
beruhigen.
Inzwischen war Präsident R oye mit seinem Staatsminister
') Wauwermans, Libéria, p. 161.
5) Präsident J ohnson theilte mir in Bezug auf diese traurige Geschichte
wörtlich Folgendes mit: „Die Anleihe verursachte grosse Enttäuschung vom
Anfang bis zum Ende. Man sagte , sie sei zum Kurse von 85 /„ geschlossen,
in Wirklichkeit aber war der Kurs bloss 70%• Ausserdem wurden zum
Voraus die Zinsen für die drei ersten Jahre abgezogen, so dass noch 49%,
oder £ 49,000 von £ 100,000 übrig blieb. Wenn man die Unkosten der drei
verschiedenen Commissionen, Provisionen der Agenten etc. etc. in Abzug
bringt und die exorbitanten Preise der Handelswaaren in Rechnung zieht,
in denen die Anleihe theilweise ausbezahlt wurde, realisirte die Republik
nicht mehr als 27%, also £ 27,000, von der Nominalsumme von £ 100,000.”