Fern herbeigekommenen Theilnehmer eine grosse Mahlzeit bereit
gemacht.
Einige Wochen später veranstaltet man zu Ehren des Todten
ein grosses Gedenkfest., an welchem nebst den Verwandten und
Freunden des Verstorbenen sämmtliche Bekannte, die oft aus
weiter Ferne der Einladung folgen, theilnehmen. Jeder derselben
bringt irgend einen Beitrag in Natura mit. Ein solches Fest,
das oft eine ganze Woche dauert, ist eine Zeit ausgelassener
Freude, in der Tag und Nacht gesungen und getanzt wird, und
während welcher oft ungeheure Quantitäten Pulver verschossen
werden und dem Palmwein und importirten Branntwein tapfer
zugesprochen wird. Diese Gedenkfeste werden im Englischen big
p la y, in Vey (Iah (Fest) oder tombo bah (grösser Tanz) genannt.
Als Zeichen der Trauer gilt ein fingerdicker Bing von Stroh, bei den
Vey banga genannt, der meist um den Kopf, bei Frauen auch
wohl um den Hals getragen wird.
Dass allgemein an ein Fortleben der Seele nach dem Tode
geglaubt wird, ist aus all dem Vorhergehenden deutlich zu ersehen.
Wie man sich aber dieses Fortleben vorstellt, ist nicht leicht
zu ermitteln, da man sich über dergleichen Punkte nur ungern
ausspricht, stets ausweichende Antworten giebt und das Gespräch
auf einen ändern Gegenstand zu lenken sucht. Der Glaube an
eine Belohnung des Guten und eine Bestrafung des Bösen im
Jenseits ist allgemein verbreitet und kaum allein dem stets mehr
um sich greifenden Einflüsse des Islam zuzuschreiben. Die Vey-
sprache besitzt ein eigenes Wort für Himmel — hai dschenneh —
(der Himmel im Sinne von Luftraum heisst banda), und eines
für Hölle — dscha-hama. Ebenso hat man ein besonderes Wort —
njana — für Seele und glaubt, dass die Seelen der Verstorbenen
die Lebenden unsichtbar umschweben und Einem im Traume
erscheinen können, wenn man sie ernstlich anrufe.
So kam einmal in Hill Town meine mehrerwähnte Haushälterin
J as sa zu mir und bat um einen kleinen Streifen blaues Baum-
wollzeug. Auf meine Frage, was sie damit thun wolle, da dies
zu einer Schürze nicht hinreiche, erhielt ich zur Antwort, sie
wolle einen sara (sarka, saraka, sakra = sacrifice [Opfer], vielleicht
das arabische [sadaka] — Almosen) legen, um im Traume
ihre Mutter sehen und dieselbe bitten zu können, sie von hier wegzunehmen,
da sie doch bei Clark nichts mehr an ihrem Leben habe.
Ich fragte, ob sie denn wirklich glaube, dass ein sara so etwas bewirken
könne. Sie antwortete: „So wahr meine Mutter oben im Himmel
ist, so wahr wird sie kommen und mich hören.” Ich gab
dem armen Weibe das verlangte Stückchen Zeug, um ihr den
Gefallen zu thun. Wer hat je die Einbildungskraft dieser Leute
auf die Probe gestellt? Glücklich, wer glauben kann!
Das Legen von solchen sarakas ist allgemein gebräuchlich und
wird besonders durch Frauen angewandt, um Kinder zu bekommen
oder von einem unbeliebten, aufgezwungenen Bräutigam
befreit zu werden. Sie bestehen häufig aus einer Schnur weisser
Glasperlen. Ich habe mehrmals dergleichen Perlenschnüre in
Fusspfaden liegend angetroffen. Jedermän lässt sie liegen, und
wenn ich sie zufällig aufheben wollte, dann sagte mein inländischer
Bursche gleich: „Don’t take i t , Daddy, i’be sarka.” {Nimm
es nicht Herr, es ist ein Opfer). ;
Ein Mittel , um in die Zukunft zu sehen, glaubt man in dem sogenannten
Sandlegen (kenie sa) zu besitzen. Dies ist das Wahrsagen
vermittelst allerlei Figuren, die der Fetischpriester in
losem Sande oder durch das Streuen von solchem macht, und
an welches allgemein geglaubt wird. Der Zauberer wird denn
auch oft kenie moh (Sandperson) genannt. '
Der Geisterglaube ist allgemein verbreitet. Man denkt sich, dass
die guten Geister ihre noch lebenden Angehörigen beschützen,
und dass böse Geister allerlei nächtlichen Unfug treiben, die
Leute erschrecken, selbst schlagen, und ihnen allerlei Schaden
zufügen können. Stirbt ein Kind, dessen Vater oder Mutter
bereits todt ist, so sagt man: „Es ist zu seinem Vater, resp.
zu seiner Mutter gegangen.”
Solche und ähnliche Beweise für den allgemein herrschenden Spiritismus
würden sich noch in Menge anführen lassen. Der Eingeborne
liebt es überhaupt, die ganze Welt um ihn her als von unsichtbaren
Geistern bewohnt zu betrachten, denen er allerlei Unglück,
welches ihn zufällig trifft, zuzuschreiben pflegt und vor deren schädlichen
Einflüssen er sich durch allerlei Zaubermittel (Fetische,
Grigris, in der Veysprache buli = Medizin) zu schützen sucht.