liberianischen Delegirten gegenüber H ave lock Nachdruck zu verschaffen.
Die Aufregung in Monrovia während dieser Tage war unglaublich
gross. Noch spät in der Nacht, die auf den Tag der Unterzeichnung
folgte, wurden meetings gehalten, und der Präsident,
von dem das Gerücht gieng, dass er den Contrakt bedingungslos
unterzeichnet habe, fürchtete bei dem Volksauflauf vor seinem
Hause für seine persönliche Sicherheit. Auch Dr. B l y d e n , einer
der Commissäre, den man der Conspiration mit England beschuldigte,
fand es rathsam, mit dem ersteinlaufenden englischen
Dampfer Monrovia für einige Zeit zu verlassen.
Bald darauf, am 10. Aprü, vereinigte sich der Senat in ausserordentlicher
Sitzung, um über den durch den Präsidenten und
die Commissäre bedingungsweise Unterzeichneten Contrakt zu
berathen und das Verhalten des Staates in dieser Frage festzustellen.
,
Am 14. April wurde das genannte Memorandum zur Sprache
gebracht und eine an den Senat gerichtete Petition aus der.
Provinz Messurado mit 646 Unterschriften vorgelegt, m welcher
sowohl die Grenz- als auch die Entschädigungsfrage klar und
sachlich behandelt war und der bestimmte Wunsch ausgesprochen
wurde, dass der Senat das aufgestellte Memorandum nicht
ratificiren möge. .
Eine zur Berichterstattung ernannte Commission rapportirte
am folgenden Tage nach Einsichtnahme der betreffenden Aktenstücke,
dass kein eigentliches Traktat gezeichnet und ausgewechselt
sei und der Senat also auch kein Traktat zu ratificiren habe,
ferner dass ohne die Zustimmung des Repräsentantenhauses der
Senat’nicht das Recht haben würde, ein Aktenstück zu ratificiren
durch welches liberianischer Grundbesitz veräussert werde,
und dass ihrer Ansicht nach das vorliegende Memorandum in
der gewöhnlichen jährlichen Sitzung der gesetzgebenden Versammlung
(Senat und Repräsentantenhaus) behandelt wferden müsse.
Dieser Vorschlag wurde einstimmig zum Beschluss erhoben. Da
die Sitzungen der Legislative erst zu Ende November zu beginnen
pflegen, so wurde für die Zwischenzeit dem Präsidenten
eine rathgebende Commission beigeordnet und derselben die Weisung
gegeben, sich in keine Unterhandlungen über die bekannte
Entschädigungsfrage einzulassen, so lange die Grenzfrage nicht
endgültig entschieden sei. Sollte aber inzwischen die britische
Regierung trachten, die Bezahlung der Schadenersatzsumme zu
erpressen oder die fraglichen Gebiete zu besetzen, dann habe der
Präsident feierlich gegen ein solches Verfahren zu protestiren und
an sämmtliche christliche Nationen der Weltzuappelliren. Dieser
Beschluss wurde dem Präsidenten am 17. April in einem Abschiedsbesuche
, den ihm der gesammte Senat brachte, mitgetheilt,
und hierauf wurden die ausserordentlichen Sitzungen geschlossen.
Im Grunde genommen kann man diesen liberianischen Patrioten
wegen ihrer Weigerung nicht zürnen, denn ich glaube kaum,
dass ein unparteiisches Schiedsgericht die Frage gänzlich zu Gunsten
von England entschieden hätte, und dies mochte H avelock
auch wohl eingesehen haben, als er den Vorschlag, einem solchen
die Entscheidung zu überlassen, stets aufs hartnäckigste
von der Hand wies.
Die damalige Stimmung in Liberia, und vorzüglich in Monrovia,
das im schlimmsten Falle am meisten unter dem englischen
Drucke zu leiden gehabt h ä tte , spricht sich am deutlichsten in
einem durch patriotische Aufwallung inspirirten Artikel des
damals in Monrovia .erscheinenden Observer aus, von dem ich
hier ein Bruchstück in Uebersetzung wiedergebe:
Der verständige Leser weiss, dass eine dauernde Civi-
„lisation allein von bewohnten Centren ausgehen kann, und dass
„das System, den eingebornen Völkern Handelsnester aufzudringen,
„allein zu deren anhaltenden Schädigung und endlichen Vernichtung
„führen kann. So schwach nun Liberia in den Spalten des
„Reporter1) auch dargestellt wird, so hat es doch viel grössere
„Aussicht auf die Civilisirung dieser Gebiete, als die britische
„Nation. Innerhalb 60 Jahren hat Liberia einen Theil West-
„afrika’s erworben und theilweise civilisirt. Diese Thatsache ist
„eines der denkwürdigsten Ereignisse des neunzehnten Jahrhunderts.
„Die Liberianer sind stolz auf ihr ererbtes Grundgebiet und fühlen
’) Eine in Freetown erscheinende Zeitung, das Organ des englischen
Gouverneurs.