Damenwelt bedeutende Anstrengungen gemacht, um sich die Mittel
zum Ankauf von Schmuck und schönen Kleidern zu verschaffen. In
Monrovia werden die neuesten Modejournale gerade so gut angetroffen,
wie bei uns, und wenn die reiche Auswahl an allen
erdenklichen Toilette-Artikeln, die einige der Faktoreien bieten,
nicht ausreicht, so verschreibt man sich das Gewünschte direkt
aus Europa oder Amerika.
Im Umgang mit Seinesgleichen sowohl als auch mit dem Weissen
ist der Liberianer angenehm und freundlich, und da man die
gesellschaftlichen Formen mit angeborenem Takt zu beobachten
weiss, so herrscht namentlich unter den sogenannten gebildeten
Ständen ein gewisser guter Ton, der in der Landeshauptstadt
etwas aristokratisch Gemessenes hat. In den kühlen Abendstunden
macht man sich nach amerikanischer Sitte gegenseitig kurze,
formelle Besuche (calls), weshalb in keinem Hause der sogenannte
parlor fehlen darf.
Was wir Europäer in Liberia kaum erwarten würden, das
ist ein reger Sinn für das Vereinsleben. So besitzt dieses Land
z. B. einige wohlorganisirte Freimaurerlogen, nämlich zwei in
Monrovia, eine am St. Paulsflusse, eine in Grand Bassa, eine in
Sinoe und eine in Cape Palmas. Alle stehen unter der Grossloge
in Monrovia.
Seit 1882 sind auch die Temperenzgesellschaften in Liberia
eingebürgert. Sie besitzen besonders unter den Frauen bedeutenden
Anhang, und ihr Streben, dem Alkoholismus1) entgegenzuarbeiten,
ist nicht ohne Erfolg geblieben. Ihrem Einflüsse ist
ein vor einigen Jahren erlassenes Gesetz zuzuschreiben, das den
Einfuhrzoll auf Spirituosen bedeutend erhöhte. Die Staatseinkünfte
wurden aber dadurch derart herabgedrückt, dass die Bestimmung
nach kurzer Zeit wieder aufgehoben werden musste. Einige dieser
Vereine haben sehr poetisch klingende Namen, so heisstz.B.
$ Merkwürdig genug besteht in ganz Liberia keine einzige öffentliche
Wirthschaft, nicht einmal ein Hotel in Monrovia, so dass die dort ankom-
menden Weissen auf die europäischen Faktoreien angewiesen sind und die
jeden Winter dort tagenden Mitglieder der Kammern bei wohlhabenden
Privatleuten ihr Unterkommen suchen müssen. Es giebt aber dort Privatgelegenheiten
genug, wo man ganz anständiges Logis bekommen kann.
derjenige von Sinoe, welcher durch die Damen der dortigen haute
volee gebildet wird, the rising star.
Auch an zahlreichen Vereinen anderer Art fehlt es nicht. So
besteht z.B. schon seit Jahren die Liberia Interior Association,
limited, ein Verein, der sich die Ausbeutung der Hülfsquellen,
die das noch unerforschte Innere des Landes birgt, zum Ziele stellt.
Leider ist es aber auch hier bei frommen Wünschen geblieben,
da es nicht nur an der nöthigen Energie, sondern namentlich
auch an den erforderlichen Kenntnissen, vor allem aber an dem
nervus rer um, dem nöthigen Gelde, fehlt.
Seit 1879 besitzt Liberia auch einen B i t t e r o r d e n , nämlich
den Orden der African Redemption (afrikanischer Erlösungsorden) ü,
der sich zur Aufgabe stellt,, Civilisation und Christenthum unter
den Stämmen der Eingebomen zu verbreiten. Ich kann von demselben
nur sagen, dass seine Insignien sehr schön ausgeführt
sind und dass die Regierung durchaus nicht verschwenderisch
mit der Verleihung desselben umgeht.
Selbstverständlich ist auch dafür gesorgt , dass es nicht gänzlich
an regelmässig wiederkehrenden Festlichkeiten fehle; doch sei
gleich hier zur Ehre der Liberianer gesagt, dass, wenigstens bis
heute, unter ihnen nicht jene Festwüth grassirt, die gegenwärtig
bei uns in Europa eingerissen ist und am Wohlstand des Volkes
nagt. Das einzige nationale Jahresfest ist die Feier der Gründung
der Republik, die alljährlich am 26. Juli stattfindet. Dieser
Festtag ist allgemein unter dem Namen the twenty sixth bekannt
und besteht in einem officiellen Gottesdienst und darauf folgender
Festrede in der Kirche, mit obligatem Flaggenschmuck der öffentlichen
und Consulatsgebäude. Auf ganz besonders festliche
Weise wurde der 35. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung
gefeiert, und die von vaterländischer Begeisterung sprühende
Festrede, die der damalige Professor und gegenwärtige Präsident
J ohnson bei dieser Gelegenheit hielt und die nachher in
Druck erschien, ist heute noch bei allen patriotisch denkenden
Liberianern in frischem Andenken geblieben. Zur Erinnerung an
den Sieg vom 11. November 1822 wird der nationale Dank-, Buss-
‘) Gegründet unter dem Präsidium Gäkdnek’s am 13. Januar 1879.