der von Liberia verlangte Schadenersatz von 42,000 Dollars
ausgeglichen worden, so würde diese Lösung noch annehmbar
gewesen sein, doch ist dies, soviel ich weiss, nicht der Fall
gewesen. Wohl hat Liberia nachher nicht aufgehört, gegen diese
Maassregel zu protestiren und sogar Schritte gethan, um neue
Unterhandlungen anzuknüpfen. Dieselben haben ihren endgültigen
Abschluss in einem Verträge gefunden, der am 11. November
1887 in Monrovia unterzeichnet wurde und dessen-zweiter Artikel
lautet wie folgt:
„Die Linie, welche die Nordwestgrenze der Republik Liberia
bestimmt, soll von dem Punkte an der Meeresküste ausgehen,
an welchem bei niedrigem Wasserstande | die Linie des südöstlichen
oder linken Ufers des Manna River die Meeresküste
schneidet. Dann soll sie längs der Linie verlaufen, welche bei
niedrigem Wasserstande das südöstliche oder linke Ufer des
Manna River markirt, bis diesé Linie oder ihre Verlängerung in
nordöstlicher Richtung die Nordost- oder Binnenlandsgrenze der
Republik trifft, mit solchen Abweichungen, welche später erforderlich
erachtet werden möchten, um die Stadt Boporo oder
andere Städte, welche zur Zeit der Unterzeichnung dieses Vertrages
der Republik gehört haben, auf liberianisches Gebiet zu
versetzen.”
Präsident G a e d n e e , der durch seine unselbständige Haltung
betreffs der Grenzfrage in der Achtung und Gunst der Liberianer
sehr gesunken war, wurde bald kränklich, überliess sein Amt
für den Rest der Amtsdauer dem Vice-Präsidenten A. F. R usse l l und
zog sich nach Grand Bassa ins Privatleben zurück. Er starb
1885 in Upper Buchanan, und ein bescheidener Obelisk hoch
auf dem Ufer des Benson River bezeichnet heute die Stelle, an
der er begraben liegt.
Schon ein Jahr vor dem Besuche H a ve lo ck ’s in Monrovia fand
ein Ereigniss s ta tt, das nicht weniger als die Grenzfrage die
Gemüther der Liberianer, besonders in der Residenz, in grosse
Aufregung versetzte.
Zu Anfang November 1880 strandete nämlich an der Kruküste
unterhalb Sinoe der deutsche Dampfer „Carlos.” Die Mannschaft
war so glücklich, sich in den Böten zu retten, wurde jedoch,
bevor sie noch die Küste erreicht hatte, von Eingebomen aus
Nanna Kroo, Settra Kroo und King William’s Town angefallen,
aller ihrer Habseligkeiten und selbst der Kleider beraubt. Halb
verhungert, nackt und von der Sonne verbrannt kamep die
Unglücklichen den Strand entlang nach Sinoe, wo sie durch die
Agenten der deutschen und holländischen Faktoreien aufgenommen,
bewirthet und gekleidet wurden. Von einem englischen
Postdampfer nach Monrovia gebracht, wurde durch den Kapitan
'des „Carlos” das Ereigniss zu Protokoll gegeben und durch den
deutschen Consul bet der liberianischen Regierung eine Forderung
auf Schadenvergütung eingereicht. Da jedoch die Regierang nicht
im Stande war, die von Deutschland verlangte Genugthuung
zu leisten, d.h. die Strandräuber gebührend zu züchtigen, so
erschien zu Anfang März 1881 die deutsche Corvette „Victoria
vor Monrovia mit dem Auftrag, die Verbrecher exemplarisch zu
strafen. Sie hatte den Kapitän des gestrandeten Schiffes mitgebracht,
um womöglich die Rädelsführer anzuweisen. In Monrovia
sah man diese energische Einmischung von Seiten Deutschlands
höchst ungern, doch, begab sich Präsident G a b d n e e selbst an
Bord, um an der Expedition theilzunehmen. An dem Platze
angekommen, wo das Boot gestrandet war, kamen, nichts Böses
ahnend, zahlreiche Leute an Bord, und unter diesen einige der
Rädelsführer bei dem Strandraub, die, durch den Kapitän erkannt,
sofort gefesselt und in sichern Gewahrsam gebracht wurden.
Nachdem man den Bewohnern der Küstenorte Nanna Kroo
und Settra Kroo eine Frist gestellt hatte, um ihre Wohnungen
zu verlassen, wurden diese Letztem in Brand geschossen und
nachher Truppen gelandet, um das Zerstörungswerk zu vollenden.
Die Gefangenen, worunter die Häuptlinge von Nanna Kroo und
King William’s Town, wurden am 10. März in Ketten nach
Monrovia gebracht und den dortigen Gerichten ausgeliefert. Die
Liberianer konnten die von ihnen geforderte Entschädigung von
4,500 Dollars nicht gleich bezahlen, und es wurde ihnen darum
von Seiten Deutschlands ein Termin von 6 Monaten bewilligt.
Eine nach dem Verstreichen diesers Termins an Liberia gerichtete
Aufforderung z u r ' Bezahlung des Betrages blieb ohne Erfolg. In
Monrovia blieb man vielmehr ganz gelassen und tröstete sich