deren Mannschaften den liberianischen Gerichten überwies. Noch ehe
das Urtheil gefällt war, erschien aber das englische Kriegsschiff
„Torch” unter Commando von Kapitän Sm ith und holte die beiden
mit Beschlag belegten Schiffe mit Gewalt weg. Wohl beschwerte sich
Liberia bei dem Gouverneur von Sierra Leone, doch das Resultat,
langer Unterhandlungen war, dass Liberia sich vor der Gewalt
beugen und zum bösen Spiele gute Miene machen musste.
Der Vollständigkeit halber muss noch erwähnt worden, dass
Schon in 1817 General S ir Ch a r l e s T u r n e r , damaliger Gouverneur
von Sierra Leone, von den Fürsten von Sherbro und den an die
Bucht von Sherbro grenzenden Hinterländern Grundbesitz erworben
hatte. Nach ihm wurde auch die schmale, bis an die Bucht von
Sherbro reichende Landzunge, die von aussen durch die See,
von innen aber durch den parallel mit der Küste fliessenden
Big Boom River begrenzt wird, T u r n e r ’s P e n i n s u l a genannt.
Ihre westlichste Spitze heisst Man na Po i n t , und bis dorthin
dehnte sich nach den Landerwerbungen durch R o berts das liberianische
Grundgebiet aus. Die schon früher durch T u r n e r erworbenen
Gebiete waren aber nie besetzt worden; auch wurde, nachdem
sie durch R oberts gekauft waren, v o r 1860 das Eigenthumsrecht
der Liberianer auf dieselben nicht bestritten. Die Kaufleute sind
aber bei allen Nationen und zu allen Zeiten die Pioniere gewesen,
die, absichtüch oder unabsichtlich, die spätere Schutzherrschaft
oder die direkte Besitzergreifung durch die Nation, der sie angehörten
, vorbereitet haben. So war es auch hier. So lange keine
englischen Unterthanen sich in den sogenannten Gallinasländern
niedergelassen hatten , fand England es nicht nöthig, diese Gebiete
den Liberianern streitig zu machen; nun aber durch Liberia die
Interessen seiner Kaufleute gefährdet wurden, glaubte England
den Besitzergreifungen durch Liberia ältere, obwohl seit beinahe
einem halben Jahrhundert nicht geltend gemachte und jedenfalls
sehr zweifelhafte Rechte entgegenstellen zu müssen. Jedenfalls
waren diese Rechte derart, dass England es wünschenswerth fand,
am 9. November 1861 einen neuen Kaufcontrakt mit den Fürsten
von Sherbro, des Bullamlandes und der Gegend am Boom- Kittam
River abzuschliessen.
Um diesen unerquicklichen Streitigkeiten ein für allemal ein
Ende zu machen, wurde in 1862 Präsident B enson durch die
liberianische Regierung nach London abgeordnet. Auf seiner Durchreise
in Sierra Leone wurde er durch den Gouverneur H a l l mit
grossen Ehrenbeweisen empfangen, und es zeigte sich, dass dieser
bereit war, das Eigenthumsrecht Liberia’s über die fraglichen
Gebiete anzuerkennen. Auch in London wurde das Besitzrecht
Liberia’s anerkannt und mit Hülfe der Admiralität sogar eine
Karte zusammengestellt, auf der die Grenzlinie so genau wie
möglich festgestellt war. In einem Schreiben vom 22. September
1862 theilte Lord R u s s e l l dem Präsidenten B enson mit, dass er
diese Frage für endgültig .erledigt betrachte und ein amerikanisches
Schiedsgericht, das B enson beantragt h a tte , für unnöthig erachte,
dass ferner die englische Regierung geneigt sei, das Grundgebiet
Liberia’s vom San Pedro River im Südosten bis zum Muttru
Territorium anzuerkennen. B e n so n , sehr zufrieden über diese
Zusicherungen, besuchte hierauf noch einige andere europäische
Höfe, an denen er durch sein würdiges Auftreten und gentlemän-
nisches Benehmen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
Kaum aber hatte er seine Rückreise angetreten, als eine Deputation
von Kaufleuten aus Sierra Leone in London erschien, mit H a r r is
an den Spitze und mit einem Empfehlungsschreiben des Gouverneurs
H a l t , versehen, um die Unterzeichnung der geplanten
Uebereinkunft mit Liberia zu hintertreiben. Dies gelang ihr auch,
so dass diese Frage nach wie vor keine definitive Erledigung
finden konnte.
Eigenthümlich genug, hatte die nordamerikanische Regierung
bisdahin die Unabhängigkeit Liberia’s noch immer nicht öffentlich
anerkannt, obschon sie nicht auf hörte, ihren Tochterstaat
in seiner innern und äussern Entwicklung auf nichtoffiziellem
Wege kräftig zu unterstützen. Desto lobenswerther war es daher,
dass, in einem Congressbeschlusse vom 3. Juni 1862, Amerika
die Unabhängigkeit Liberia’s gerade garantirte, als die kleine Republik
auf nicht allzu freundschaftlichem Fusse mit England stand.
Im Jahre 1863 wurde an die Stelle B enson’s der Candidat der republikanischen
Partei, D a n ie l B a s il e W a r n e r , zum Präsidenten
gewählt. W a r n e r , ein Mulatte, würde am 19. April 1815 im
Staate Maryland geboren und siedelte noch als Kind mit seinen