dass alle Familien, die ausserhalb der Festung wohnten, die
Nächte innerhalb derselben zubringen sollten.
Am 11. November in der Morgendämmerung, als die Wachen
bereits ihre Posten verlassen hatten, überfiel der längst lauernde
Feind die ausserhalb der Barrikaden stehenden Hütten, erschlug
einige Weiber, schleppte die Kinder als Gefangene fort und
plünderte die Wohnungen. A shmun eilte mit den Mannschaften
herbei, Ca r e y folgte mit seinen zwei Kanonen, und nach hartem,
halbstündigem Streite gelang e s, die Feinde in die Flucht zu
schlagen. Auf dem Kampfplatze lagen fünf weibliche Leichen
und Verwundete; sieben Kinder waren geraubt; viele Verwundete
und Kranke mussten verpflegt werden. A shm u n ordnete einen
Dank- und Bettag (thanjcsgiving-day) an, ein Tag, der seither
zur Erinnerung an die Bettung der jungen Colonie alljährlich
in ganz Liberia gefeiert wird.
Mit dem errungenen Siege war aber die Buhe noch nicht versichert.
Schon zu Ende November fanden fast täglich neue
Anfälle s ta tt, und die Colonisten zogen sich hinter die errichteten
Vertheidigungswerke zurück. Ein wohl noch schlimmerer Feind
zeigte sich aber in ihrer Mitte: Hunger, Erschöpfung und Krankheit.
Sämmtliche Vorräthe waren aufgebräucht, neue kamen
nicht an, und um die Nothlage noch grösser zu machen, gieng
auch das Schiesspulver zur Neige. Der denkwürdigste dieser
kriegerischen Tage war der erste Deeember 1822, an welchem
die wenigen wehrbaren Männer einen wüthenden Angriff von
etwa 1000 Eingebornen abschlugen. Trotz der heldenmüthigsten
Vertheidigung hätten wahrscheinlich die Colonisten dennoch unterliegen
müssen, wenn nicht im letzten Augenblicke noch Hülfe
von aussen gekommen wäre. Auf der ändern Seite des Vorgebirges
lag nämlich der englische Schooner „Prince Regent,” mit
Vorräthen und Mannschaften nach Cape Coast Castle bestim m t.
Durch das Geschützfeuer aufmerksam gemacht, umfuhr der
Kapitän am 2. Deeember das Cap, setzte unter Midshipman
G o r d o n Mannschaften an Land und unterstützte die ausgehungerten
Colonisten mit Lebensmitteln und Munition.
Dem berühmten Afrikareisenden Major L a in g , der sich zufällig
an Bord des Schooners befand und der mit den Eingebornen gut
umzugehen wusste, gelang es, die Gemüther derselben zu besänftigen
und beide Parteien zu bewegen, den Gouverneur von
Sierra Leone als Schiedsrichter anzurufen. So wurde am 4. Deeember
1822 der unheilvolle Streit beigelegt und der Friede mit den
Eingebornen wieder hergestellt*).
Die nächste Zeit wurde ganz der innern Entwicklung der
jungen und schwergeprüften Colonie gewidmet. Die ersten Häuser
der kleinen Niederlassung waren stark verfallen, theils auch
durch die Eingebornen verwüstet, und reichten nicht mehr hin,
um den 150 Colonisten genügendes Obdach zu gewähren. Mit
aller Energie wurde nun an dem Bau neuer und soliderer Häuser
gearbeitet, und binnen kurzer Frist erstanden 50 hölzerne Gebäude
mit Plankenwänden und Schindeldach. Auch wurde ein
Markt angelegt, auf dem bald die Eingebornen des Deh- und
Mambastammes Landesprodukte zum Verkaufe anboten und
sogar Schlachtvieh lieferten, etwas, das sogar in unserer Zeit
in Monrovia nur schwer erhältlich ist und im Besitze der
Eingebornen der Umgegend von Monrovia gar nicht mehr angetroffen
wird. Mit Hülfe des amerikanischen Kriegsschiffes „Cyane”
wurde auf dem höchsten Punkte des Vorgebirges statt der provisorischen
Schanzen ein kleines, aus Felsblöcken gemauertes Fort
errichtet und mit sechs Kanonen armirt, welche letztere noch
heute, nun das Fort längst verfallen ist, dort am Boden liegen
und nur noch gebraucht werden, um die Salutschüsse gelegentlich
einlaufender, fremder Kriegsschiffe zu erwiedern. Auch wurde
der Schooner „Augusta” , der den ersten Agenten gedient hatte
und nachher von diesen auf der Rhede von Sierra Leone verlassen
worden war, wieder seetüchtig gemacht, mit 12 Manri equipirt
und unter Leitung des Lieutenants Da sh ie l l nach Liberia gebracht.
Leider, sagt Pater B o u r z e ix in seiner Abhandlung, der ich hier
hauptsächlich folge, bewog der blasse Neid, der wie überall, so
auch hier gefunden wird, einige Ansiedler, der Colonisationsgesellschaft
falsche Berichte über die Verwaltung des Agenten A shmun
einzusenden, und zwar gerade während Letzterer unausgesetzt
') Vergl. Ca r l R i t t e r , die Negerrepublik Liberia.