finden doch wieder Andere Geschmack an der civilisirtern Lebensweise
der Liberianer, setzen sich irgendwo im Gebiete der Republik
fest und werden Staatsbürger. Ein besonderes Gesetz, die
sogenannte Apprentice Law, regelt das Verhältuiss dieser angenommenen
Kinder zu ihren Pflegeeltern. Dieses Gesetz bestimmt
hauptsächlich, dass ein solches Kind bis zu seinem achtzehnten
Altersjahre in der Familie seiner Pflegeeltern zu bleiben verpflichtet
ist. Dadurch ist den letztem die Garantie gegeben, dass sie,
wenn das Kind einmal dermassen erstarkt is t, um sich an
den täglichen Arbeiten in Haus und Feld betheiligen zu können, aus
dieser Arbeit Nutzen zu ziehen vermögen, der dann die früher auf
den Pflegling verwendeten Unkosten wieder vergütet. Ohne dieses
Gesetz würden die rechtmässigen eingebornen Eltern ihre Kinder
in den meisten Fällen wieder zurückholen, sobald sie etwas
Englisch gelernt haben und ihr eigenes Brod zu verdienen im
Stande sind, wie dies auch jetzt, trotz des schützenden Pflege-
kinder-Gesetzes, noch gar zu oft der Fall ist.
Ueber die Rechtsverhältnisse ist schon im vorigen Capitel das
Wissenswertheste mitgetheilt worden, und will ich hier nur noch
beifügen, dass der Staat sein eigenes, gedrucktes Gesetzbuch
besitzt und dass Advokaten vor einer zu diesem Zwecke eingesetzten,
aus Advokaten bestehenden Commission ein Examen
ablegen müssen, um an der bar zugelassen zu werden.
Wie schon früher erwähnt, haben sich die Liberianer nur auf
grössern, für Handel und Landbau günstig situirten Plätzen
angesiedelt, und das ganze übrige Gebiet, selbst der Küste
entlang, ist nach wie vor faktisch im Besitze der Eingebornen
geblieben. Da aber die Republik das Besitzrecht des ganzen
Landes beansprucht, so hat sie auch die Verantwortlichkeit zu
tragen für Alles, was sich auf ihrem Grandgebiet ereignet und
eventuell im Stande ist, die Interessen von fremden Staatsangehörigen
in völkerrechtswidriger Weise zu schädigen. Dass dies
der liberianischen Regierung oft schwer genug fällt, haben wir
schon im vorigen Capitel zu sehen Gelegenheit gehabt. Aber
auch zur Erhaltung des innern Friedens werden an die Regierung
ab und zu recht bedeutende Anforderungen gestellt, denn Unruhen
unter den Stämmen der Eingebornen, wodurch die Interessen
des Staates geschädigt werden, ja förmliche Feindseligkeiten gegenüber
letzterem, sind nicht selten und erfordern gelegentlich militärische
Expeditionen von Seiten Liberia’s. Diese Expeditionen
aber sind sehr kostspielig, und da zu einer solchen ein Beschluss
der gesetzgebenden Versammlung erforderlich ist, so behilft man
sich zur Züchtigung aufständischer Gebiete manchmal damit,
diesen ihre Handelsbeziehungen abzuschneiden, d. h. allen Handel
mit ihnen zu verbieten {to stop trade), bis ihre Häuptlinge sich
zu einem versöhnlichen Verhalten bereit finden lassen. Dieses
war z. B. vor einem Jahre mit Tembo, einem Küstenplatze
zwischen Little Culloh und River Cess, der Fall, und ist es gerade
jetzt auch zwischen Cape Palmas und dem Cavally River, wo
die Eingebornen von Ha l f Ca v a l ly den Liberianern den Gehorsam
gekündet haben. In diesem letztem Platze hat sich nämlich
das Folgende zugetragen:
Im Jahre 1886 kam dort ein Schiff aus Bristol und trieb mit
den Eingebornen Handel, obschon dieser Platz für fremde Kaufleute
nicht geöffnet ist. Von diesem unerlaubten Handel, der
natürlich die Interessen des Staates schädigte, benachrichtigt,
sandten die überianischen Behörden ein Ruderboot hin, um den
Kapitän des genannten Schiffes auf das ungesetzliche seiner
Handlungsweise aufmerksam zu machen. Der Kapitän antwortete
aber, dass er dazu von den Häuptlingen der Eingebornen Erlaub-
niss erhalten habe, und dass Erstere behaupteten, dass ihr Gebiet
von Liberia unabhängig sei. Die weitern Verhandlungen hatten
zur Folge, dass das Schiff den Platz verliess und die Häuptlinge
von Half Cavally zur Verantwortung nach Cap Palmas
aufgerufen wurden. Dort verurtheilte man sie zu einer Busse
von 200 Dollars, welche theils in Landesprodukten, theils in
geldwerthigem Papier entrichtet wurde. Kurz darauf aber begannen
die Verwicklungen von Neuem, indem eine englische Firma
einen weissen Agenten nach Half Cavally sandte , welcher unter
dem Schutze der Häuptlinge eine Faktorei errichtete, mit den
englischen Postdampfern Waaren erhielt und Landesprodukte
verschiffte, ohne seinen Verpflichtungen gegenüber dem liberianischen
Fiskus nachzukommen. Wiederum wurden die Häuptlinge
vorgeladen, um sich zu verantworten, doch folgten sie der Vorladung
nicht, sondern weigerten sich, die Souveränität Liberia’s anzuerkennen.
Der Stamm theilte sich nun in zwei Parteien, von