St. Paul’s River nicht mehr Vorkommen. Man hatte mir zwar
mehrmals von einem sonderbaren „Faulthier” erzählt, das in
Liberia leben solle, doch konnte man das Thier nicht genügend
beschreiben, um mir eine auch nur einigermaassen
deutliche Vorstellung von demselben zu machen, so dass ich
geneigt war, die Erzählungen als Fabeln aufzufassen, und da
Stampfli das einzige Exemplar seiner neuen Art nicht selbst
gefangen hatte und über dessen Lebensweise Nichts mitzutheilen
wusste, so war ich natürlich durch die erste Begegnung mit
Dendrohyrax dorsalis in hohem Grade überrascht und erfreut.
Im Gegensatz zu dem Klippdachs ist der Baumschliefer ein
echter Wald- und Baumbewohner. Gleich am ersten Abend nach
meiner Ankunft in Hill Town wurde ich durch eigenthümliche
Laute überrascht, die ich während der ersten Reise niemals gehört
hatte. Auch mein Jäger J ackson konnte sich diese Laute nicht
erklären. Es war ein durchdringendes, in kurzen Intervallen
ausgestossenes und weitschallendes „kerr”, und im ersten Augen-,
blicke wusste ich nicht, ob ich dasselbe einem Vögel oder gar
einem Amphibium zuschreiben sollte. Am allerwenigsten aber
dachte ich dabei an ein Säugethier. Die Eingebornen, darüber
befragt, behaupteten jedoch mit Bestimmtheit, dass der Urheber
dieser Töne ein Säugethier sei, das in hohlen Bäumen lebe und
vermittelst seiner langen Zähne an den Stämmen hinaufklettere;
es sollte eine nächtliche Lebensweise führen und den Tag in
Baumhöhlen zubringen. Eine hohe Belohnung, die ich auf das
Einbringen dieser Thiere setzte, hatte zur Folge, dass ich in
kurzer Zeit verschiedene Exemplare in meinen Besitz bekam.
Alle wurden mir lebend gebracht,, wohl geborgen in fischreusenartigen
, aus starken Knüppeln construirten Körben; denn die wild
eingefangenen Thiere waren ungemein bissig und duldeten kaum,
dass man mit der Hand den Käfig berührte. Wüthend und
pfauchend wiesen sie ihre langen Fangzähne, bissen plötzlich
und unerwartet in die starken Stäbe, schlugen mit einer der
Vorderpfoten kräftig auf den Boden und sträubten die Rückenhaare,
wobei die weissen Haare auf dem Hinterrücken seitwärts auseinanderschlugen
und den darunter verborgenen, nackten und blass
köbaltblauen, beinahe milchweissen Rückenfleck sehen Hessen.
Die meisten Baumschliefer wurden gefangen, indem man das
Schlupfloch verstopfte und dann den Baum umhackte, worauf
man ein starkes Fischnetz vor den geöffneten Eingang band
und nachher die Thiere aus der Höhle herausklopfte. Hie und
da wird auch, nachdem man das Schlupfloch verstopft hat,
durch Klopfen an den Stamm sondirt, wie tief die Höhlung sei,
worauf dann am untern Ende der Letztem der Baum angehackt
wird, bis der' Einschnitt die' Höhlung erreicht. Darauf wird
dann von unten her mit einem Stück Rotang so lange nach
dem Thier gestochert, bis dasselbe wüthend wird, sich in den
Rotang verbeisst und so herausgezogen werden kann. Die Schlupflöcher
befinden sich gewöhnlich in einer Höhe von 8 — 15 Fuss,
und die betreffenden Stämme sind nicht allzu dick. An der
bohnenartigen Losung sind die Stellen, an denen die Baumschliefer
sich aufhalten, zu erkennen. Da wir dieselben alle lebend
und in unverletztem Zustande erhielten, trachtete ich sie in
Gefangenschaft zu halten. Nach vielen vergeblichen Versuchen
gelang es mir endlich, die Thiere mit Kassaveblättem zu füttern.
Aus einem und demselben Stamme erhielten wir einmal ein
Paar (altes Männchen und Weibchen) mit einem Jungen, welche
ich zusammen in einem Käfige bewahrte. In einer Nacht aber
brachen sie aus dem Käfig aus, kletterten an einem Thürpfosten
empor und wussten durch eine Oefinung über der Thür ins Freie
zu gelangen. Das junge Thierchen aber blieb zurück, und mit
ihm gelang mir nun, was mir mit alten Exemplaren nie gelingen
wollte: es wurde verhältnissmässig zahm, so dass ich dasselbe
frei im Zimmer herumlaufen lassen konnte. Selbstverständlich
war ich sehr begierig, um dasselbe einmal klettern zu
sehen. Dies gelang mir auch über Erwarten gut; denn bald
hatte ich es so weit gebracht, dass es an einem der glatten
Tischbeine auf meinen Arbeitstisch kletterte und von da an
einem Fensterpfosten hinauf auf eine kleine Planke, die sich
über dem Fenster befand. Von diesem dunklen Platze aus sah
es oft stundenlang meinen Arbeiten zu. Das Hinaufklettern
wurde bewerkstelligt, indem das zutrauliche Thierchen seine
nackten Fussohlen, dieselben als eine Art Saugnäpfe gebrauchend,
an die zwei äneinanderstossenden Seiten des vierkantigen Tisch