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 verwandter  Idiome  unter  einen  Sprachstamm  in  
 Zweifel  zu  ziehen.  Nach  J.  G.  Christalleb x),  einer  Autorität  
 auf  dem  Gebiete  westafrikanischer  Sprachforschung,  lassen  sich  
 indessen  die  Sprachen  der Eingebornen  Liberia’s  in  zwei Gruppen  
 ordnen:  die Mande-  und  die  Kr u s p r a c h e n .   Zu  den  ersteren  
 gehört  die  Veyspracha,  welche  vom  Gallinas-  bis  zum  Little  Cape  
 Mount River und bis zwei Tagereisen landeinwärts gesprochen wird,  
 ferner  die  Kosso-  und  die  Pessysprache.  Zu  den  Krusprachen  
 rechnet  Christalleb  die  Deh-,  Bassa-,  Kru-  und  Grebospräche.  
 Dass  die  Bassasprache  wirklich  der  Krusprache  sehr  nahe  verwandt  
 ist,  hat  mir  ein  Vöcabular  der  beiden  Idiome,  das  ich  
 leider  nicht  vollenden  konnte,  bewiesen.  Die Golahsprache scheint  
 weder  dem  einen  noch  dem  ändern  Typus  anzugehören. Während  
 die  Golah,  die  Bassa  und  die  Kru  eine  rauh  klingende  Sprache  
 besitzen,  die  sich  nur  mühsam  erlernen  lässt  und  deren  einiger-  
 maassen  richtige  Darstellung  mit  Hülfe  unserer  Schriftzeichen  
 beinahe  unmöglich  ist,  hat  die  Veysprache  einen  gewissen  
 Wohllaut;  sie  ist  reich  an  Yokalen  und  lässt  sich  leichter  erlernen  
 als  die  meisten  ändern  Negersprachen.  Die  Consonnanten  r  
 und  l werden  in  den  Sprachen  aller  Stämme  häufig mit  einander  
 verwechselt *). 
 K  Die  Sprachen  in  dem  Negerfreistaat  Liberia.  Zeitschrift  für  afrikanische  
 Sprachen. Berlin 1889, p. 315—320. Vergleiche auch K oelle, Polyglotta africana. 
 *) Um  eine möglichst richtige Darstellung von Aussprache und Accentuation  
 der  inländischen  Wörter  zu  erzielen,  sind  nachfolgende  Regeln  in  Acht  
 zu  nehmen: 
 a,  e,  i,  o,  u  werden  als  kurze  Selbstlaute  ausgesprochen,  wie  in  Blatt,  
 Bett,  Liter,  Kopf,  Kutsche. 
 Die  Dehnung  der  Selbstlaute  wird  durch  ein  dahintergesetztes  h  ausgedrückt. 
 g  =   kurzes,  tonloses  e,  wie  in  rufen.  
 i  =   etwas  nach  e  neigendes  i, wie  in  binden,  Kind.  
 ü  —  etwas  nach  o  neigend,  wie  in  kurz,  und.  
 n —  französischer Nasenklang, wie  in  vin,  bon.  
 n  =   deutsch  und  holländisch  n j,  französisch  gn,  wie  in  All&magne.  
 Doppelte  Vokale  werden  wie  zwei  gesonderte  Laute  ausgesprochen,  wie  
 in  Kain,  Bier.  Sehr  oft  kommt  in  Ortsnamen,  für welche  ich  sowohl  auf  
 der  Karte  als im  Text  die  in  Liberia  gebräuchliche,  englische  Schreibweise 
 In  welch  hohem  Grade  verschiedene  Sprachen  sich von einander  
 unterscheiden,  andere  aber  einander  verwandt  sind,  lässt  sich  
 am  leichtesten  an  den  Zahlen  von  1 — 100  demonstriren,  wobei  
 ich  vorausschicken will,  dass  alle mir bekannten Stämme Liberia’s  
 das  quinäre  Zahlensystem  besitzen,  so  dass  die  Zahl  fünf und  
 alle  diejenigen,  in  welchen  fünf aufgeht,  als  Einheiten  betrachtet  
 werden.  Hand  in  Hand  mit  dem  quinären  geht  das  vigesimale  
 Zahlensystem,  bei  welchem  die Zahl  20  und  alle  folgenden  durch  
 20  theilbaren  Zahlen  Einheiten  bilden.  Das  Decimalsystem  findet  
 nur  insofern  Verwendung,  als  alle  Sprachen  für  10  ein  eigenes  
 Wort  besitzen.  Dieser  Modus  des  Zählens  nach  Einheiten  von  
 fünf,  zehn  und  zwanzig  erklärt  sich  von  selbst  durch  das  Zählen  
 an  den Fingern,  wobei  eine Hand  die  Einheit  fünf,  beide Hände  
 zusammen  die  Einheit  zehn,  und  sämmtliche  Finger  und  Zehen  
 zusammen  die  Einheit  zw a n z ig   darstellen.  Dass  bei  den  bar-  
 füssigen  Eingebornen,  die  viel  auf  der  Erde  sitzen  und  jederzeit  
 leicht  über  ihre  Zehen  verfügen  können,  auch  diese  beim  Zählen  
 mit  gebraucht werden,  sagt  schon  K oelle,  Outlines of agrammar  
 of  the  Vey  language,  p.  29.  Das  Zählen  in  diesen  Sprachen  lässt  
 sich,  einige  Ausnahmen  abgerechnet,  durch  unsere  Ziffern  leicht  
 auf folgende  Weise  schematisch  veranschaulichen: 
 6  I 5  +   1 
 17 +  1 0 +   5- 
 7  -   5  +   2 
 18 +  1 0 +   5- 
 8 =   5  +   3 
 19 =  1 0 +   5- 
 9  =   5  +   4 
 20  (Einheit) 
 10  (Einheit) 
 21 — 2 0 +   1 
 11  =   10  +   1  
 25 =  20 
 5 
 1 2— 10  +   2 
 26 =  20 
 5 +  1  
 13 —  10  +   3 
 30 =  20 
 10  
 14 —  10  +   4 
 31 = 2 0   
 10 + 1  
 15  =   10  +   5 
 35 =  20 
 10 +  5 
 16  =   10  +   5 1 
 36 =  20 +  10 +  5 +  1 
 40  =   20  x   2 
 45  =   20  X  2 +  5 
 46  =   20  x 2  +  5 +  1  
 50  =   20  X  2 +  10 
 55  =   20  x  2 +  10 +  5 
 56  =   20  X  2 +  10 +  5 +  1  
 60  =   20  x   3 
 70 =   20  X  3 +  10 
 80  =   20  x   4 
 90 =   20  x  1 +   10 
 99  =   20  x   4 +  10 +  5 +  4 
 angenommen  habe,  die  Endsilbe jah,  sprich  dschah  (Heim),  vor.  Der Name  
 Weahjah muss  somit  „Wiahdschah”  ausgesprochen  werden.  Mit  Ausnahme  
 der  Ortsnamen wird  die  Silbe jah  wie  das  deutsche_,ja”  ausgesprochen. 
 Stark  accentuirte  Silben werden  durch  ein  auf den Vokal gesetztes  accent  
 aigu  bezeichnet.