Unter den in Liberia angebauten Ge n u s smi t t e l p f l a n z e n
nimmt unstreitig der Ka f f e e b a um (Coffea liberica, Hiern.) die
hervorragendste Stelle ein. Der Kaffee, der in Liberia nicht nur
verwildert vorkommt, sondern wirklich in den Wäldern wild
wächst, wird in grossen Pflanzungen, den sogenannten Kaffeefarmen
J) , ausschliesslich durch überianische Ansiedler gebaut und
bildet nächst den Produkten der Oelpalme den wichtigsten Ausfuhrartikel.
Die Nachfrage nach demselben, namentlich in England
und Nordamerika, ist sehr gross und scheint noch stets zuzunehmen.
Einen Beweis für die vorzügliche Qualität desselben
bildet die Thatsache, dass sowohl England als Holland junge
Kaffeepflänzlinge aus Liberia nach ihren ostindischen Besitzungen
hinüb_ergebracht haben. Diese Versuche wurden mit glänzenden
Resultaten gekrönt, da der importirte Kaffeebaum womöglich
noch üppiger gedeiht, als in Liberia selbst und überdies infolge
der grössern Blattoberfläche widerstandsfähiger gegen die in
Indien herrschende Blattkrankheit ist.
Der Anblick einer gut angelegten und sorgfältig unterhaltenen
Farm von Kaffeebäumen mit ihren 25 Cm. langen und 12 Cm. breiten,
wie mit Lack überzogenen Blättern gewährt, besonders zur Blüthe-
zeit, einen wahren Hochgenuss. Man pflanzt die Bäume in Reihen
auf einen Abstand von 8—10, in neuern Farmen sogar 12' im
Quadrat, damit Luft und Licht auch dann noch bis zum Boden
durchdringen können, wenn die Bäume bereits eine bedeutende
Grösse erreicht haben.
Die Blüthen, die in dichten, blattwinkelständigen Knäueln
an den Zweigen sitzen, sind vom reinsten Weiss und verbreiten
einen unbeschreiblichen Wohlgeruch. Die Hauptblüthezeit
fällt in den Anfang der Trockenzeit (December) und dauert höchstens
einige Tage, worauf dann der Boden von den abgefallenen
Blumenblättern wie beschneit erscheint. Die erst grünen, bei voller
Reife aber granatrothen, kirschengrossen Früchte enthalten je
zwei Bohnen. Das etwas schleimige Fruchtfleisch ist essbar und
*) Die Liberianer benennen ihre Pflanzungen allgemein mit dem in Amerika
gebräuchlichen Namen „Farm” , und diese Benennung ist nach und nach
selbst den Englisch sprechenden Eingebornen geläufig geworden.
bildet eine Lieblingsspeise für Affen und zahlreiche andere Thiere,
welche gelegentlich die Pflanzungen besuchen. Aus frischen
Kaffeeblättern wird hie und da durch liberianische Hausfrauen
ein aromatischer Thee bereitet, zu welchem Zwecke man die
frischen Blätter in Pfannen erst etwas zu rösten pflegt. Der
eisenhaltige Thonboden Liberia’s scheint für die Kaffeekultur
wie geschaffen zu sein, denn selbst im humusärmsten Erdreich,
in der Ebene sowohl wie an felsigen, vom Regen ausgewaschenen
Steilabhängen gedeiht der Kaffeebaum ausserordentlich üppig,
erreicht die stattliche Höhe von 20 bis 30 Fuss und liefert,
obwohl erst sechs Jahre nach der Anpflanzung, reichliche Ernten.
Aber nieht nur die Bäume und Blätter an und für sich, sondern
auch die Blüthen und Früchte werden viel grösser, als diejenigen
der arabischen und indischen Arten. Die Bohnen des Liberiakaffees
unterscheiden sich denn auch durch ihre bedeutende
Grösse von denjenigen aller ändern mir bekannten Arten. Die
Hauptreifezeit fällt' ungefähr mit der Blüthezeit zusammen; da
aber der reife Kaffee nicht gepflückt werden kann, ohne die
Blüthen zu schädigen, so wartet man gewöhnlich, bis sich die
jungen Früchte so weit entwickelt haben, dass sie unter dem
Pflücken der reifen Beeren keinen 'Schaden erleiden. Infolge dieser
Maassregel fällt die Erntezeit in die Monate Januar bis März;
doch kommen kleine Quantitäten schon in November und December
auf den Markt, indem Leute, welche in Geldverlegenheit
sind, die einzelnen frühreifen Früchte baldmöglichst abpflücken,
und die Bohnen herausschälen und auf künstlichem Wege
trocknen.
Mit dem Einsammeln der Früchte beschäftigen sich meist
Frauen und Kinder, und grosse Pflanzer miethen für diese Arbeit
auch wohl Sklaven von eingebornen Häuptlingen. Die Früchte
der niedrigen Aeste werden am Boden stehend gepflückt; die
übrigen sucht man mit Hülfe von kleinen Treppen und Leitern
zu erreichen. Einzelne Pflanzer pflegen ihre Bäume zurückzuschneiden
und niedrig zu halten, um das Pflücken der Früchte
zu erleichtern. Die gepflückten Früchte werden zum Trocknen
auf tennenartige Flächen in die Sonne gelegt und hie und da
durcheinander gerührt. Nach einiger Zeit erhärtet das Frucht-
LIBERIA, ü . 9