ich aber Nichts daran ändern konnte, suchte ich wenigstens meine Zeit
so gut als möglich zu benutzen undkramte meine photographischen Apparate
aus. Was mich dazu bestimmte, war hauptsächlich der unerwartete
Fund eines wirklichen Buschmannes, welcher, durch die Missionäre in
den Zeiten der Vernichtung erhalten, hier in Colesberg als Bettler lebte.
Die ärmlichen Lumpen der Civilisation vermochten in diesem von Alter
und Elend eingeschrumpften Männchen kaum den Eindruck des ihm von
der Natur verliehenen affenartigen Aussehens eiüigermassenzu mildern.
Wie blödsinnig starrte er vor sich hin, als ich ihn photographirte, ohne
eine Idee über das zu haben, was vorgihg, und ohne sich darum im geringsten
zu bekümmern.
Ich war jetzt auch der Grenze des Bechuanengebietes (sprich: Bet-
schuanen) nahe, und zahlreiche, stattliche Bursche, diesem Volke zugehörig,
durchzogen die Strassen, ein interessanter Anblick für mich durch
die neue, abweichende Bildung. Die Bechuanen, den Kaffern nahe verwandt,
unterscheiden sich von ihnen durch die im Durchschnitt niedrigere
Statur und weniger kräftige Entwickelung des Körpers; die Gesichtsbildung
ist regelmässig und zuweilen nicht unedel, der Ausdruck ist milder
und sanfter. Sie sind biegsamer und daher bildungsfähiger wie die eigentlichen
Kaffern, welche, selbst für Jahre unter den Weissen lebend, niemals
den ihnen eigenthümlichen Hang zur Unabhängigkeit aufgeben und
oft sehr schnell den leichten Firniss der Civilisation wieder abstreifen,
sobald sie die Möglichkeit sehen, als unabhängige Männer in der Wild-
niss zu leben.
Hier tritt die Frage auf über den etwaigen Einfluss der Wohnsitze
auf die Entwickelung und Ausbildung des Körpers, wodurch allein viele
Forscher versucht haben die Verschiedenheit der Stämme, welche im allgemeinen
eine gewisse Verwandtschaft zeigen, zu erklären. Obgleich dieser
Anschauungsweise imPrincip gar nicht entgegen, muss ich doch nach
dem, was man sieht, behaupten, dass die Bedeutung des klimatischen Einflusses
und der Lebensweise übertrieben wird.
Gerade die südafrikanischen Stämme haben scheinbar ein glänzendes
Beispiel d a fü r abgegeben, da die Bewohner des östlichen, gebirgigen
und wasserreichen Landstriches sich als die stärksten und kriegerischsten
zeigen, während die mehr im Innern lebenden, wo das Land weniger
fruchtbar und stellenweise sehr wasserarm ist, schwächer und sanfter sind.
Auf der niedrigsten Stufe der Entwickelung stehen die armen Bewohner
der Kalahari-Wüste-, B a k a l a h a r i oder B a la la (die Armen) genannt,
die zu den Bechuanenstämmen zählen, und die wenigen Buschmänner,
welche in diesen traurigen Landstrecken umherziehen.
Auf diese Thatsache fussend, folgern Livingstone und Andere, dass
die Kaffernstämme ihre starke, körperliche Entwickelung dem reichen,
fruchtbaren Lande verdanken, welches sie bewohnen, Während die
Ungunst der Wohnsitze die Bakalahari und Buschmänner verkümmern
1-iess; es scheint aber wahrscheinlicher in Rücksicht auf die Geschichte
Süd-Afrika s, dass die Kaffern den besten Theil des Landes inne haben,
weil sie von Anfang an die Stärksten unter den Stämmen waren. Wenn
man sieht, wie noch bis zum heutigen Tage ein Stamm den ändern drängt
und vorwärts schiebt, wie ein ewiger Kampf um die Wohnplätze stattfindet,
um fruchtbarere, wasserreichere zu erlangen, so muss man
annehmen, dass die kriegerischen Kaffern das Land besetzten, welches
ihnen am besten zuSagte, und die schwächeren Volksstämme in die öden,
wüsten Theile des Oontinentes zurückgedfängt haben, deren Besitz ihren
Neid nicht erregte.
Nach den Ueberlieferungen, sowie den Ueberresten der Bevölkerung
zu schliessen, waren die Buschmänner, welche die Gebirge im Tambouki-
lande und um Colesberg bewohnten, nicht kräftiger entwickelt als die
armseligen Bewohner der Kalahari, welche ihr Leben unter tausend
Entbehrungen auf kümmerliche Weise fristen. Im Gegentheil erhebt sich
die Statur bei den letzteren trotz der Unfruchtbarkeit und Oede des
Landes; können sie doch in der Wüste am ungestörtesten ihren eigen-
thiimlichen Neigungen, besonders dem unbezähmbaren Hange nach Freiheit
folgen und sich über gränzeülose Flächen nach Belieben ausdehnen.
Die natürlichen Anlagen und Neigungen eines Stammes bestimmen
die Lebensweise desselben, und aus dieser wieder folgt mittelbar die
Entwickelung des Körpers, soweit sie nicht schon in der Anlage begründet
war. Der Typus wird jedenfalls nicht schnell durch die Beschaffenheit
des Landes verändert, und es ist besonders für Süd-Afrika unstatthaft,
eine bedeutende derartige Veränderung anzunehmen, da die Stämme ihre
Wohnsitze wahrscheinlich gar nicht seit sehr langer Zeit inne haben.
Schnell vergingen mir unter eifriger Thätigkeit die Tage, welche ich
in Colesberg zurückgeh alten würde, so dass ich es nicht sehr schmerzlich
empfand, wenn mir jeden Morgen die Nachricht gebracht wurde; der
Oranje-Rivier sei über Nacht immer noch gestiegen; der Fluss erreichte
am 14. und 15. eine Höhe, wie er sie seit dem Jahre 1840 nicht gehabt
hatte, und man sprach von einer Breite gegen 1000 Schritt, was zwar als
Uebertreibung bezeichnet wurde, aber zuverlässige Leute schätzten die