318 Cap. XXIV. Das Bakatlaland.
gelang es mir doch unterwegs einige Schädel zu finden; diese gehörten
aber Mantatee’s aus dem Transvaal an, welche von den Batlapi’s erschlagen
waren, deren Leichen als einem fremden und verachteten Stamme zugehörig
natürlich keine weitere Berücksichtigung fanden.
Der Aberglaube der Eingeborenen machte es mir unmöglich unter
der Hand solche Gegenstände von ihnen zu erhalten, oder auch nur
Führer zu finden zu Oertlichkeiten, wo sie herumlagen; als ich sah, dass
ich zunächst derartige Hoffnungen aufgeben musste, machte ich mich
reisefertig, um von den Bawanketsi’s aufzubrechen.
Meine Sachen und Apparate waren bald aufgepackt, und ich setzte
für den 16. meine Abreise fest; es zeigte sich aber, dass ich wieder einmal
die Rechnung ohne den Wirth machte, weil ich darin schwarze Diener
als zuverlässig aufgenommen hatte. Obgleich mein Treiber bis auf
den letzten Augenblick seine Bereitwilligkeit mit mir weiter zu gehen
geäussert und sich verschiedene Gegenstände zur Reise erbeten hatte,
drehte er mir doch, als ich ihm befahl, Alles zum Einspannen bereit zu
halten, kaltblütig den Rücken, ohne mich einer Antwort zu würdigen. Ich
muss gestehen, dass die berechnete Niederträchtigkeit des Menschen meinen
Zorn aufregte, und wenn nicht zufällig Gassisioe mit seinem ganzen
Gefolge in der Nähe gewesen wäre, hätte ich mich wohl an dem Schurken
vergriffen; aber unter den obwaltenden Umständen bezwang ich mich,
indem mir alsbald der Gedanke aufstieg, zu sehen, wie weit der Weisse
von eingeborenen Häuptlingen Gerechtigkeit zu erlangen vermöchte.
Gassisioe’s Zutrauen zu mir hatte in der letzten Zeit immer noch zugenommen,
er machte mich sogar eines Tages zu seinem Geheimsekretair,
um einen Brief für ihn zu schreiben, und nannte mich öfter seinen Bruder
und Blutsfreund, aber trotzdem wagte der Häuptling es nicht, gerade zu
Gunsten eines Europäers gegen einen Stammesangehörigen aufzutreten.
Die ganze Sache war ihm offenbar sehr unangenehm, er hörte nur .
mit halbem Ohre zu und half sich schlauer Weise dadurch aus der
Klemme, dass er mich nicht zu verstehen behauptete, mir aber versprach
für den nächsten Tag einen besseren Dollmetscher zu suchen. Bei kaltblütiger
Ueberlegung musste ich mir indessen sagen, dass mir ja gar nichts
Besseres geschehen könnte, als auf so bequeme WeiSe einen nutzlosen
Burschen los zu werden, ich engagirte daher einen zufällig im Orte anwesenden
Griqua, um mich nach der nächsten Niederlassung zu bringen,
und als ich am Morgen deö 16. von Gassisioe Abschied nahm, erklärte ich
die Sache für abgethan.
Mein Wagen war sehon früh am Morgen voraus gegangen, und ich
folgte demselben zu Pferde in der Absicht, ihn beim ersten Ausspann
wieder einzuholen, da ich meinem neuen Treiber nicht traute. Ich erfreute
mich an dem angenehmen Morgenritt durch die frische, hügelige Landschaft,
wo hier und da die spitzen Dächer eines Kafferdörfchens auftauchten,
beschattet von Ricinusbäumen, oder ein kleines Gärtchen am Wege
mit Mais, Taback und Kürbissen bepflanzt als schwache Spuren industrieller'Thätigk
eit die Wildniss unterbrach, welche an anderen Stellen wieder
so ursprünglich aussah, dass man glauben konnte, eines Menschen
Fuss habe dieselbe noch nie betreten.
An einem derartigen Platze erhob sich plötzlich hinter einem Felsen
die dunkle, nackte Gestalt eines Kaffern, und mein Pferd sprang scheu
zur Seite, als der Eingeborene den Arm gegen mich ausstreckend mit donnernder
Stimme ein — „Guten Tag“ herüberrief.*) Ich möchte wohl
wissen, was ein durch überirdische Mächte plötzlich mitten in die Wild-
niss versetzter deutscher Spiessbürger sagen würde, wenn ihn ein schwarzer
Menschenfresser mit einem freundlichen „guten Tag“ begrüsste. Er
würde wahrscheinlich mit offenem Munde dastehen und den Dank schuldig
bleiben, obgleich die Sache gar nicht so wunderbar ist, als sie aussieht.
Von jedem Weissen nimmt man im Innern an, dass er Holländisch
spricht, von welcher Sprache auch ein Theil der Eingeborenen gern die
gebräuchlichsten Ausdrücke und Redensarten aufschnappt und zu geeigneter
Zeit wieder an den Mann zu bringen sucht, um sich damit gross
zu thun. So erklärt sich ein derartiger Gruss, wie man ihn oft genug zu
hören bekommen kann; es geht aber aus der Verbreitung der holländischen
Sprache hervor, wie mächtig der Einfluss ist, welchen die alten
Colonisten und Boeren selbst auf die Stämme des Innern ausgeübt haben.
Trotz der zahlreichen englischen Händler und Missionäre, welche seit
langen Jahren im Gebiete der Bechuanenstämme leben, ist es doch eine
Ausnahme, dass man einen Dollmetscher findet, der Englisch spricht,
während kein Mangel an solchen ist, die fertig Holländisch zu sprechen
vermögen.
Ich hatte, wie begreiflich, meine europäischen Begriffe von Afrika
längst abgelegt, wesshalb ich es ohne Schwierigkeit über mich brachte,
dem Grtissenden mit einem würdevollen: „Goeden dag, mijn friend!“ zu
danken, und setzte dann lächelnd in der Rückerinnerung an unser gutes,
spiessbürgerliches Deutschland meinen Ritt fort auf dem Wege, welcher
*) Eigentlich: Goeden Dag! Es klingt dies aber im afrikanischen Holländisch
fast gleich.