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 gelang  es  mir  doch  unterwegs  einige  Schädel  zu  finden;  diese  gehörten  
 aber Mantatee’s  aus  dem Transvaal  an,  welche von  den Batlapi’s  erschlagen  
 waren,  deren Leichen  als  einem  fremden  und  verachteten Stamme  zugehörig  
 natürlich  keine weitere Berücksichtigung fanden. 
 Der  Aberglaube  der Eingeborenen  machte  es  mir  unmöglich  unter  
 der  Hand  solche  Gegenstände  von  ihnen  zu  erhalten,  oder  auch  nur  
 Führer  zu finden  zu Oertlichkeiten,  wo  sie  herumlagen;  als  ich  sah,  dass  
 ich  zunächst  derartige  Hoffnungen  aufgeben  musste,  machte  ich  mich  
 reisefertig,  um von  den Bawanketsi’s  aufzubrechen. 
 Meine  Sachen  und Apparate  waren  bald  aufgepackt,  und  ich  setzte  
 für  den  16. meine Abreise  fest;  es  zeigte  sich  aber,  dass  ich  wieder  einmal  
 die Rechnung  ohne  den Wirth  machte,  weil  ich  darin  schwarze Diener  
 als  zuverlässig  aufgenommen  hatte.  Obgleich  mein Treiber  bis  auf  
 den  letzten  Augenblick  seine  Bereitwilligkeit  mit  mir  weiter  zu  gehen  
 geäussert  und  sich  verschiedene  Gegenstände  zur  Reise  erbeten  hatte,  
 drehte  er mir  doch,  als  ich  ihm  befahl,  Alles  zum Einspannen  bereit zu  
 halten,  kaltblütig  den Rücken,  ohne mich  einer Antwort zu würdigen.  Ich  
 muss  gestehen,  dass  die  berechnete Niederträchtigkeit  des Menschen meinen  
 Zorn  aufregte,  und  wenn  nicht  zufällig Gassisioe mit  seinem  ganzen  
 Gefolge  in  der Nähe gewesen wäre,  hätte  ich mich wohl  an  dem  Schurken  
 vergriffen;  aber  unter  den  obwaltenden  Umständen  bezwang  ich  mich,  
 indem mir  alsbald  der Gedanke  aufstieg,  zu  sehen,  wie  weit  der Weisse  
 von  eingeborenen Häuptlingen  Gerechtigkeit  zu  erlangen  vermöchte. 
 Gassisioe’s  Zutrauen  zu mir hatte  in  der letzten Zeit  immer noch  zugenommen, 
   er machte mich  sogar  eines Tages  zu  seinem  Geheimsekretair,  
 um  einen Brief für  ihn  zu  schreiben,  und  nannte mich  öfter  seinen Bruder  
 und Blutsfreund,  aber  trotzdem wagte  der Häuptling  es  nicht,  gerade  zu  
 Gunsten  eines Europäers  gegen  einen  Stammesangehörigen  aufzutreten. 
 Die  ganze  Sache  war  ihm  offenbar  sehr  unangenehm,  er  hörte  nur  .  
 mit  halbem  Ohre  zu  und  half  sich  schlauer  Weise  dadurch  aus  der  
 Klemme,  dass  er mich  nicht zu verstehen  behauptete,  mir  aber  versprach  
 für  den nächsten Tag  einen  besseren  Dollmetscher  zu  suchen.  Bei  kaltblütiger  
 Ueberlegung musste ich mir indessen  sagen, dass mir ja   gar nichts  
 Besseres  geschehen  könnte,  als  auf  so  bequeme  WeiSe  einen  nutzlosen  
 Burschen  los  zu  werden,  ich  engagirte  daher  einen  zufällig im Orte  anwesenden  
 Griqua,  um mich  nach  der  nächsten Niederlassung  zu bringen,  
 und  als  ich  am Morgen  deö 16.  von Gassisioe Abschied  nahm,  erklärte  ich  
 die Sache  für  abgethan. 
 Mein Wagen war  sehon  früh  am Morgen  voraus  gegangen,  und  ich 
 folgte  demselben  zu  Pferde  in  der Absicht,  ihn  beim  ersten  Ausspann  
 wieder  einzuholen,  da ich meinem  neuen Treiber nicht  traute.  Ich  erfreute  
 mich  an  dem  angenehmen  Morgenritt  durch  die  frische,  hügelige Landschaft, 
  wo  hier und  da  die  spitzen Dächer  eines Kafferdörfchens  auftauchten, 
   beschattet von Ricinusbäumen,  oder  ein  kleines  Gärtchen  am Wege  
 mit Mais, Taback und Kürbissen  bepflanzt  als  schwache  Spuren  industrieller'Thätigk  
 eit  die Wildniss  unterbrach,  welche  an  anderen Stellen  wieder  
 so  ursprünglich  aussah,  dass  man  glauben konnte,  eines Menschen  
 Fuss  habe  dieselbe noch nie  betreten. 
 An  einem  derartigen  Platze  erhob  sich  plötzlich hinter  einem Felsen  
 die  dunkle,  nackte  Gestalt  eines Kaffern,  und  mein  Pferd  sprang  scheu  
 zur Seite,  als  der Eingeborene  den Arm  gegen mich  ausstreckend mit  donnernder  
 Stimme  ein —  „Guten  Tag“  herüberrief.*)  Ich  möchte  wohl  
 wissen, was  ein  durch  überirdische Mächte  plötzlich  mitten  in  die Wild-  
 niss  versetzter  deutscher Spiessbürger  sagen würde, wenn  ihn  ein  schwarzer  
 Menschenfresser mit  einem  freundlichen  „guten  Tag“  begrüsste.  Er  
 würde wahrscheinlich mit  offenem  Munde  dastehen  und  den Dank  schuldig  
 bleiben,  obgleich  die  Sache  gar  nicht  so  wunderbar  ist,  als  sie  aussieht. 
   Von  jedem Weissen nimmt man  im  Innern  an,  dass  er Holländisch  
 spricht,  von  welcher Sprache  auch  ein Theil  der Eingeborenen  gern  die  
 gebräuchlichsten  Ausdrücke  und  Redensarten  aufschnappt  und  zu  geeigneter  
 Zeit wieder  an  den Mann  zu bringen  sucht,  um  sich  damit gross  
 zu  thun.  So  erklärt  sich  ein  derartiger Gruss,  wie  man  ihn  oft  genug zu  
 hören  bekommen  kann;  es  geht  aber  aus  der Verbreitung  der  holländischen  
 Sprache  hervor,  wie mächtig  der Einfluss  ist,  welchen  die  alten  
 Colonisten und Boeren  selbst  auf die  Stämme  des  Innern  ausgeübt haben.  
 Trotz  der  zahlreichen  englischen  Händler  und  Missionäre,  welche  seit  
 langen  Jahren  im  Gebiete  der Bechuanenstämme leben,  ist  es  doch  eine  
 Ausnahme,  dass  man  einen  Dollmetscher  findet,  der  Englisch  spricht,  
 während  kein Mangel  an  solchen  ist,  die  fertig Holländisch  zu  sprechen  
 vermögen. 
 Ich  hatte,  wie  begreiflich,  meine  europäischen  Begriffe  von Afrika  
 längst  abgelegt,  wesshalb  ich  es  ohne  Schwierigkeit über  mich  brachte,  
 dem Grtissenden  mit  einem  würdevollen:  „Goeden  dag,  mijn  friend!“  zu  
 danken,  und  setzte  dann  lächelnd  in  der Rückerinnerung an unser gutes,  
 spiessbürgerliches Deutschland  meinen Ritt  fort  auf  dem Wege,  welcher 
 *)  Eigentlich:  Goeden Dag!  Es klingt  dies  aber  im  afrikanischen Holländisch  
 fast  gleich.