
 
        
         
		man  In  Afrika  als  einen  „Garten“  bezeichnet,  d.  h.  eine  kahle  Fläche,  
 etwa  einen  Morgen  gross,  welche  allein  durch  eine  niedrige,  von  Gras  
 überwachsene Dornenumfriedigung  und  einige  Stoppeln  von  Kafferkorn  
 die  Thätigkeit  menschlicher Hände  .erkennen  liess.  Von  diesem  Platze  
 aus  wusste  der Führer  sich  wieder  zurecht zu  finden,  wie  der  muntere  
 Galopp,  den  er  anschlug,  alsbald  verrieth,  und  er  brachte uns  binnen  
 kurzer  Zeit zu  den  Pütten,  aus  welchen  die  benachbarten  Vaal-Penze  
 ihren  Wasservorrath  schöpfen.  Ihr  Dorf  war  nahebei,  und  wir  ritten  
 ohne  weiteren Aufenthalt  nach  demselben  herüber,  um über  das Verbleiben  
 des Wildes Nachricht zu  erhalten. 
 Der Mochuane  als  Abgesandter des Häuptlings  ist unumschränkter  
 Gebieter über Alles, was  er im Besitz  dieser  unglücklichen Paria’s  findet;  
 selbst  der  grössten  Grausamkeit  und  Härte  gegenüber  wagt  keiner  der  
 Bakalahari’s Widerstand zu leisten, weil  er weiss,  dass  dieser  sehr  schwer  
 bestraft  werden  würde.  Der Zjambok  ist  von Anfang  an  das Mittel,  um  
 die  Befehle  des  hohen  Herrn  eindringlicher  zu machen,  und  das  ganze  
 Verfahren meist  ein  so  hartes,  dass  diese  armen Wüstenbewohuer  lieber  
 den  Löwen in  ihrem Dorfe  sehen  als  einen  vornehmen Mochuanen. 
 Das  lärmende,  bramarbasirende  Auftreten  eines  solchen  hat  viel  
 Aehnlichkeit mit der Art und Weise,  wie  früher  die  russischen Grossen  
 in  den Dörfern ihrer Leibeigenen verfuhren,  und  es  zeigt,  dass  niedrig  
 gesinnte Geister in  allen Ländern  ein Vergnügen  in  der Unterdrückung  
 des  Schwachen  finden.  Diese  Knechtigung  durch  den  Stärkeren  ist  
 härter,  als  wahre Sclaverei,  und  doch  wagt  selten  Jemand  gegen  den  
 Despotismus  der Mächtigen  aufzutreten, während Tausende von Stimmen  
 sich  unisono  gegen  den Namen Sklaverei  erheben.  Die Missionäre  fanden  
 wohl  bereitwillig Gehör,  als  sie  den Bechuanen von  der Gleichberechtigung  
 mit den Weissen  erzählten,  aber ich kann mich nicht erinnern  
 je   einen Bekehrten  gesehen  zu  haben,  den  sie  von  der Gleichberechtigung  
 seiner  armen Brüder,  der Bakalahari’s, überzeugt hätten. 
 In  unserer  Gegenwart  erlaubten  wir  dem  Abgesandten  Secheli’s  
 nicht die  armen Vaal-Penze  grausam  zu behandeln,  ihre  scheuen,  misstrauischen  
 Blicke verriethen indessen  deutlich, woran  sie von  früher her  
 gewöhnt waren.  Als wir nach  dem Wagen zurückritten,  begleitete  uns  
 fast die  ganze Bevölkerung,  um zu  helfen zur Nacht  einen Kraal  für  die  
 Ochsen  zu machen,  damit  sie  gegen  einen möglichen Angriff des Löwen  
 geschützt wären.  Wir trafen  die Wagen  jedoch  schon  dicht  am Dorfe  
 und  die Gefahr war  daher  nicht so  gross,  zumal  da  das Raubthier  seine  
 Flucht  gegen  den Wind  fortgesetzt  hatte.  Wir  entliessen  die  Leute, 
 nachdem wir  einige  der Männer  als Pfadfinder  für  den nächsten Morgen  
 beordert hatten, welche  sich  auch zu  dieser Zeit richtig  einstellten. 
 Der  afrikanische  Jagdzug  war  bei  unserem Aufbruch  am  8.  vollständig: 
   Voran  zogen  die Vaal Penze mit ihren Assegaien und  unseren  
 Gewehren,  darauf folgten wir  selbst gemächlich im Sattel  hängend,  bis  
 der  Augenblick  zu  angestrengter  Thätigkeit  erscheinen  würde;  hinter  
 uns  wieder  die  Achterrijder  und  eine Anzahl  Bechuanen  zu  Fuss.  So  
 zogen wir  für  eine  Stunde  etwa  dahin,  bis  die Vaal Penze, welche  stets  
 die Augen  auf den Boden  geheftet  hielten,  plötzlich Halt  machten  und  
 ilirje Zeigefinger  deuteten  schweigend  auf eine Fährte  am Boden.  Aller  
 Blicke  richteten  sich  schweigend  auf die Stelle, und „Tutla!“ *) — „Eh!“  
 tönte  es  leise  im  Kreise.  Es  war  die  frische  Spur  einer  weiblichen  
 Giraffe mit seinem halbwüchsigen  Jungen,  welche  am Morgen  hier  vorbeigekommen  
 war.  Schweigend  wurde  die  Fährte  aufgenommen,  und  
 mit kaum minutenlangen Unterbrechungen folgten  die Pfadfinder im  lebhaften  
 Schritt  den  im Gestrüpp  mitunter  sehr  schwer  kenntlichen Spuren, 
  unbeirrt durch die mannigfachen Wendungen  der weidenden Thiere;  
 doch nachdem  wir  nahezu  3  Stunden  auf  der Fährte  fortgegangen  waren, 
   ohne  das Wild in Sicht zu bekommen,  drehte  die Spur völlig  in  den  
 Wind  und  in Folge  dessen verschwand jede Hoffnung. 
 Nach  einem  kurzen  Absatteln  machten  wir  uns  wieder  auf  den  
 Heimweg und waren noch nicht weit  gezogen,  als wir plötzlich  auf eine  
 andere Giraffe  stiessen,  deren Erscheinung  wie  ein  elektrischer  Schlag  
 unter  die Gesellschaft fuhr.  Ein Achterrijder  räumte  sofort  den Sattel,  
 die  ändern bemühten  sich  das Pferd Wieder  einzufangen,  und  während  
 ich  gezwungen war  auf meinen unglückseliger Weise zurückgebliebenen  
 Gewehrträger  zu  warten,  segelte  Mr.  M’Cabe  bereits  lustig  in  Front.  
 Sobald ich mich in Besitz  der Büchse  gesetzt hatte,  folgte ich nach  und  
 die  fliegende Gangart meines  Pferdes  brachte mich  schnell  in  ziemliche  
 Nähe  der Giraffe,  gerade  als mein Gefährte  abgesprungen war und  seine  
 Kugeln  dem Wilde  zuschickte. 
 Es war  das  erste Mal,  dass  ich  diesen  thierischen Koloss,  dessen  
 Kopf  beständig  über  den  kleineren Bäumen  erschien,  in  solcher  Nähe  
 sah, und  die  langsamen,  gemächlichen Galoppsprünge liessen mich ver-  
 mutlien,  dass  die  Kugeln  sassen  und  seinem  Lauf  schnell  ein  Ende 
 *)  So  schreibt  Livingstone  das  Wort,  doch  ist  es  entschieden  falsch  anfge-  
 fasst,  da  es  ganz  anders  klingt,  als  „ü"  in  Batlapi,  Mohatla  etc;  es  nähert  sich  
 etwa  einem  „Tukhoa“,  wie  es  anch  Lichtenstein  geschrieben  hat. 
 Dr.  O. Fritsch,  Drei  Jahre  in  Süd-Afrika.  23