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 der  Lebensweise  und  des  Klimas  in  Afrika  sieb  zu  einem  Grade  von  
 Indolenz  und Gleichgültigkeit gesteigert hat,  der im Erfolg  der Beständigkeit  
 chinesischer Zustände  durchaus  gleich  ist.  Unter  „Holländern“  sind  
 hier  die  Abkömmlinge  der  Einwanderer  in  der  holländischen  Zeit  zu  
 verstehen,  welche  allerdings  nicht reinen Ursprungs  sind.  Es  findet  sich  
 unter  ihnen  viel  fremdes,  besonders  französisches  Blut,  diese  Elemente  
 haben  sich  aber untergeordnet und mit  den Holländern  amalgamirt,  deren  
 Spräche und Sitten  sie  angenommen haben.  Sogar die Namen der Familien  
 sind  dabei  umgeändert worden,  so dass jetzt Wewije anstatt Vivier, Voesse  
 ftir Fouche, Filie für Yilliers etc. geschrieben wird.  Alle diese Nachkommen  
 der früheren Einwanderer nennen sich mitStolz „Afrikaner“ und haben meist  
 einen starken Hass gegen  sämmtliche „Uitlander“, unter welchen die wirklichen  
 Holländer besonders  schlecht ungeschrieben  sind.  Wenn ich  an die  
 Behauptungen  denke,  welche  von  verschiedenen  Schriftstellern  über  den  
 Einfluss  und  das  Auftreten  der  englischen  Nation  am  Cap  aufgestellt  
 worden  sind,  so muss  ich  sagen,  ich  kann nicht verstehen, wie  es möglich  
 gewesen  ist,  dass  solche Urtheile  gefällt  werden  konnten;  allerdings  der  
 Einfluss  ist  ein  tyrannischer,  aber  er  ist  es  nur insoweit,  als  immer  die  
 grössere Bildung  und  höhere  Cultur  ihre Einwirkung  tyrannisch  auf die  
 Zurüekstehenden  ausübt.  Ich  will  die Art  und Weise nicht vertheidigen,  
 wie  die  Engländer  in  den  Besitz  der  Capcolonie  kamen,  es  war  kaum  
 etwas Anderes wie  das Recht des  Stärkeren,  aber  sicher ist,  dass  das  Cap  
 ohne  dieselben .elendiglich verkommen würde. 
 Der  Engländer  baut  besseres Getreide  und Futter,  züchtet  besseres  
 Rindvieh,  Pferde  und  Schaafe  als  der  eingeborene  Afrikaner,  welcher  
 Alles  der  gütigen Mutter Natur  überlässt,  und  zwingt ihn  dadurch,  wenn  
 er nicht ganz  zu Gruude gehen will, herauszugehen aus seinem Schlendrian,  
 oder Raum  zu  geben.  So  ist  der Boer  nach  und  nach  dem  englischen  
 Einfluss  gewichen hinauf nach  den  Freistaaten  Und  nach  Natal,  wo  ihm  
 der Yortheil  des  besseren Bodens  eine  Concurrenz möglich machte;  doch  
 weiter  und  weiter  wird  er  gedrängt,  bis  er  zähneknirschend  nachgiebt,  
 oder  auf  seinem  Eigensinn beharrend,  ein  kümmerliches Dasein  zwischen  
 der  fortschreitenden  englischen Bevölkerung  fristet.  Viel  haben  auch  die  
 verkehrten Massregeln  der  englischen  Regierung  dazu  beigetragen,  dass  
 die  Boeren  endlich  in  Masse  auf brachen  und  das  Land  verliessen;  der  
 internationale Hass war aber jedenfalls die Grundursache dafür,  die anderen  
 sind  nur  als Gelegenheitsursachen  aufzufassen.  Besonders  hat  die plötzliche, 
   zum  grossen  Schaden  des  Landbaues  ausgeführte  Aufhebung  der 
 Dehne.  Der  Kaffernkönig  Sandili. 91 
 Sklaverei  der  englischen  Regierung Feinde  gemacht  und  viele  Familien  
 durch  die  enormen materiellen Verluste zur Auswanderung  veranlasst. 
 Die  plötzliche  Reduction  der  Arbeitskraft  setzte  die  Farmer  ausser  
 Stand,  das Land  in  grösserer Ausdehnung zu  bebauen,  und nöthigte  dieselben  
 sich Weideplätze  zu  suchen,  auf denen  sie  den Verlust durch Ausdehnung  
 der Viehzucht  ersetzen  konnten. 
 In  den meisten Districten  von British Kaffraria,  welche Provinz  erst  
 von  den Engländern  angelegt wurde,  herrscht  die Sprache und Sitte  dieser  
 Nation  vor,  die  holländischen  und  deutschen Elemente  haben  sich  untergeordnet  
 und coquettiren häufig genug mit Anglicismus, so dass die englische  
 Bevölkerung verbreiteter  erscheint,  als  sie wirklich ist. 
 Gegen  5 Uhr  rückte ich in Duhne ,  sive S tu tte rh e im ,  ein und kam  
 gerade  zurecht,  um  eine  Horde  Kaffern  zu  Pferde  ankommen  zu  sehen.  
 Die  wilden  Gestalten,  entweder  ganz  nackt,  oder  nur  mit  der  National-  
 kleidung,  dem Caross,  bedeckt,  sprangen  von  den  dürftigen Pferden  und  
 erfüllten  alsbald  die  Trinkstube,  lim  ihren  Körper  durch  etwas  Brandy  
 gegen  die feuchte  Abendluft  zu  stärken.  Der Wirth  des Hotels,  welcher  
 sah,  dass  ich  an  den  farbigen Burschen  einiges  Interesse  nahm,  wies mir  
 eine lange,  hagere Figur,  die sich weidlich an dem edlen Alkohol zu ergötzen  
 schien,  als S a n d ili,  den berühmten  
 Kaffernkönig,  welcher  der  englischen  
 Regierung  so  viel  Kopfzerbrechen  
 verursacht hat. 
 Die Umstände waren  entschieden  
 gegen mich,  indem der feine Regen  
 ununterbrochen  niederströmte,  
 und  der Zeiger  schon  nahezu  5 Uhr  
 anzeigte,  doch:  „Wer  den  Augenblick  
 ergreift,  das  ist  der  wahre  
 Mann!“  dachte  ich  bei  mir  und  
 packte  eiligst  meine  photographischen  
 Apparate  aus.  Die  Verhandlungen  
 mit  dem  edlen  Kaffer-  
 fürsten  begannen,  und  wenn  Ihro  
 Majestät  auch  anfangs  2  L.  für die  
 Ehre, sich von mir abnehmen zu lassen, 
 rtg.  is. 
 Sandili,  Häuptling  der  Gaika  (Ama-Ngqika). 
  verlangten, so  kamen wir endlich doch zum Abschluss mit einer Flasche  
 Brandy, welche ich  der  durstigen Kehle  des hohen Herrn  bewilligte.  Von  
 einem Zimmer  aus  visirend,  eine  alte  Mauer  als  Hintergrund  benutzend,