90 Cap. VII. Port Elisabeth — Queens- Town.
der Lebensweise und des Klimas in Afrika sieb zu einem Grade von
Indolenz und Gleichgültigkeit gesteigert hat, der im Erfolg der Beständigkeit
chinesischer Zustände durchaus gleich ist. Unter „Holländern“ sind
hier die Abkömmlinge der Einwanderer in der holländischen Zeit zu
verstehen, welche allerdings nicht reinen Ursprungs sind. Es findet sich
unter ihnen viel fremdes, besonders französisches Blut, diese Elemente
haben sich aber untergeordnet und mit den Holländern amalgamirt, deren
Spräche und Sitten sie angenommen haben. Sogar die Namen der Familien
sind dabei umgeändert worden, so dass jetzt Wewije anstatt Vivier, Voesse
ftir Fouche, Filie für Yilliers etc. geschrieben wird. Alle diese Nachkommen
der früheren Einwanderer nennen sich mitStolz „Afrikaner“ und haben meist
einen starken Hass gegen sämmtliche „Uitlander“, unter welchen die wirklichen
Holländer besonders schlecht ungeschrieben sind. Wenn ich an die
Behauptungen denke, welche von verschiedenen Schriftstellern über den
Einfluss und das Auftreten der englischen Nation am Cap aufgestellt
worden sind, so muss ich sagen, ich kann nicht verstehen, wie es möglich
gewesen ist, dass solche Urtheile gefällt werden konnten; allerdings der
Einfluss ist ein tyrannischer, aber er ist es nur insoweit, als immer die
grössere Bildung und höhere Cultur ihre Einwirkung tyrannisch auf die
Zurüekstehenden ausübt. Ich will die Art und Weise nicht vertheidigen,
wie die Engländer in den Besitz der Capcolonie kamen, es war kaum
etwas Anderes wie das Recht des Stärkeren, aber sicher ist, dass das Cap
ohne dieselben .elendiglich verkommen würde.
Der Engländer baut besseres Getreide und Futter, züchtet besseres
Rindvieh, Pferde und Schaafe als der eingeborene Afrikaner, welcher
Alles der gütigen Mutter Natur überlässt, und zwingt ihn dadurch, wenn
er nicht ganz zu Gruude gehen will, herauszugehen aus seinem Schlendrian,
oder Raum zu geben. So ist der Boer nach und nach dem englischen
Einfluss gewichen hinauf nach den Freistaaten Und nach Natal, wo ihm
der Yortheil des besseren Bodens eine Concurrenz möglich machte; doch
weiter und weiter wird er gedrängt, bis er zähneknirschend nachgiebt,
oder auf seinem Eigensinn beharrend, ein kümmerliches Dasein zwischen
der fortschreitenden englischen Bevölkerung fristet. Viel haben auch die
verkehrten Massregeln der englischen Regierung dazu beigetragen, dass
die Boeren endlich in Masse auf brachen und das Land verliessen; der
internationale Hass war aber jedenfalls die Grundursache dafür, die anderen
sind nur als Gelegenheitsursachen aufzufassen. Besonders hat die plötzliche,
zum grossen Schaden des Landbaues ausgeführte Aufhebung der
Dehne. Der Kaffernkönig Sandili. 91
Sklaverei der englischen Regierung Feinde gemacht und viele Familien
durch die enormen materiellen Verluste zur Auswanderung veranlasst.
Die plötzliche Reduction der Arbeitskraft setzte die Farmer ausser
Stand, das Land in grösserer Ausdehnung zu bebauen, und nöthigte dieselben
sich Weideplätze zu suchen, auf denen sie den Verlust durch Ausdehnung
der Viehzucht ersetzen konnten.
In den meisten Districten von British Kaffraria, welche Provinz erst
von den Engländern angelegt wurde, herrscht die Sprache und Sitte dieser
Nation vor, die holländischen und deutschen Elemente haben sich untergeordnet
und coquettiren häufig genug mit Anglicismus, so dass die englische
Bevölkerung verbreiteter erscheint, als sie wirklich ist.
Gegen 5 Uhr rückte ich in Duhne , sive S tu tte rh e im , ein und kam
gerade zurecht, um eine Horde Kaffern zu Pferde ankommen zu sehen.
Die wilden Gestalten, entweder ganz nackt, oder nur mit der National-
kleidung, dem Caross, bedeckt, sprangen von den dürftigen Pferden und
erfüllten alsbald die Trinkstube, lim ihren Körper durch etwas Brandy
gegen die feuchte Abendluft zu stärken. Der Wirth des Hotels, welcher
sah, dass ich an den farbigen Burschen einiges Interesse nahm, wies mir
eine lange, hagere Figur, die sich weidlich an dem edlen Alkohol zu ergötzen
schien, als S a n d ili, den berühmten
Kaffernkönig, welcher der englischen
Regierung so viel Kopfzerbrechen
verursacht hat.
Die Umstände waren entschieden
gegen mich, indem der feine Regen
ununterbrochen niederströmte,
und der Zeiger schon nahezu 5 Uhr
anzeigte, doch: „Wer den Augenblick
ergreift, das ist der wahre
Mann!“ dachte ich bei mir und
packte eiligst meine photographischen
Apparate aus. Die Verhandlungen
mit dem edlen Kaffer-
fürsten begannen, und wenn Ihro
Majestät auch anfangs 2 L. für die
Ehre, sich von mir abnehmen zu lassen,
rtg. is.
Sandili, Häuptling der Gaika (Ama-Ngqika).
verlangten, so kamen wir endlich doch zum Abschluss mit einer Flasche
Brandy, welche ich der durstigen Kehle des hohen Herrn bewilligte. Von
einem Zimmer aus visirend, eine alte Mauer als Hintergrund benutzend,