104 Capitel VIII. Queens-Town — Bloemfontein.
hohen Grade steigert. Dies zeigt sieh durch den schlechten Zustand, in
welchem sich Brustleidende hier hei feuchtem Wetter befinden, im Unterschied
von Europa, wo warme, feuchte Witterung eher reizmildernd einwirkt
und der kalte, trockene Nord-Ost der hauptsächlich gefürchtete
Wind ist. Der diesem entsprechende Süd-Ost des Cap hat trotz des
Staubes, welchen er regelmässig mit sich bringt, nicht den störenden Einfluss
auf die Brustleidenden, den man erwarten sollte; sie befinden sich
bei dieser Witterung immer besser.
Im allgemeinen darf man aber das Cap nicht ohne Weiteres als einen
zuträglichen Aufenthaltsort bei Brustaffectionen bezeichnen; wenn der
Luftwechsel als solcher die Besserung -nicht bewirkt, das Klima selbst hat
auch mancherlei bedenkliche Schattenseiten. Wer einen gesunden, kräftigen
Körper hat, der kann sich wohl ungestraft den Schädlichkeiten äus-
setzen, die dort unvermeidlich sind, wie plötzlicher, jäher Temperaturwechsel,
Hitze und Staub in dem einen Theil des Jahres, übermässiger
Regen in dem anderen; doch wer einen leidenden Körper hat, durfte wohl
sicherlich günstigere Gegenden zum Aufenthalt finden.
Der Ruf des gesunden Klimas beschränkt sich für dieCölonie wesentlich
auf das Fehlen schwerer Epidemien, abgesehen von den Pocken,
welche zuweilen grassiren, und den in Malariagegenden herrschenden
Sumpffiebem, die sich in ungesunden Jahren epidemisch über ihre gewöhnlichen
Bezirke als sogenanntes „Low Fever“ der Engländer verbreiten.
Die Fieberanfälle.sind dabei meist unregelmässig und zuweilen
sehr wenig ausgesprochen, die Mattigkeit und die sich mehr und mehr
steigernde Entkräftung treten in den Vordergrund.
Rheumatismen, acut oder chronisch, sind stets sehr verbreitet und
führen häufig zu Herzfehlern, aber auch andere Erkältungskrankheiten
sind zahlreich.' Besonders bemerkenswerth ist darunter ein Halsleiden,
die Angina tonsillaris, welche Krankheit.beim Wehen des Süd-West epidemisch
zu werden pflegt. Die Capstädter fürchten diese Luftströmung,
Kloofwind genannt, weil sie über die Kluft zwischen Tafelberg und Löwenkopf
herabkommt, ganz besonders, und anfällige Personen wagen während
demWehen desselben kaum das Haus zu verlassen. Er ist ganz im Gegensatz
zu dem rauhen, aber gesunden Süd-Ost von milder, feuchter Beschaffenheit,
stellt am Cap einen Regen bringenden Wind dar und tritt
also im Winter häufiger auf als im Sommer.
Was die Zeit der herrschenden Regen anbetrifft, so nimmt man an,
dass die Zitzikamma und die Karoo die Wetterscheide dafür abgiebt.
Während im Natallande, dem Norden der Colonie und den Freistaaten,
Zeit der Regen. Bodenbeschaffenheit. 105
die Gewitter des Sommers die Hauptregenzeit ausmachen, entsprechend
unseren Augustregen, hat der Süden der Colonie und das Cap die meisten
Regen im Winter. Die Regenmenge ist aber überhaupt eine sehr unbestimmte
und ganz verschieden in den einzelnen Jahren; meist folgen sich
eine Reihe trockener und feuchter Jahre in gewissen Perioden, welche
häufig aus? fünf zu bestehen scheinen. 1863 war dieser Theorie gemäss
das letzte einer trockenen Periode, 1864 war ein sehr feuchtes Jahr, es
sollten nun eigentlich noch vier ähnliche folgen, indessen litt das Land
schon 1865 wieder bedeutend an Wassermangel. Das Beobachten einer
Folge trockener Jahre hat wohl viel dazu beigetragen, der herrschenden
Ansicht einer sich fort und fort steigernden Austrocknung Siid-Afrika’s in
weiteren Kreisen Anhänger zu verschaffen.
Dass nun das Land von einer feuchten Periode nicht mehr Nutzen
zieht und der Pflanzenwuchs sich nicht kräftiger in einer solchen Zeit erhebt,
hat grossentheils seinen Grund in dem Boden. Wenn Optimisten,
wie ich deren Viele in Capstadt antraf, versichern, der Boden sei der beste
und bedürfe nur Wasser, um Alles zu liefern, was man nur wünschen kann,
so erleidet dies, wie ich jetzt aus eigener Anschauung weiss, sehr wesentliche
Einschränkungen. Wo zerfallender Granit, Syenit oder Schiefer an
den Abhängen der Berge reiches Material für den Pflauzenwuchs gewährt,
ist der Boden gut genug, und bei hinreichendem Wasser dürfte e rden
Fleiss des Landmannes reichlich lohnen; doch der zerfallende Sandstein
und Quarzit, wie er in der Colonie auftritt, ist ebenso unfruchtbar wie
gewisse Mergelschichten, „Brackground“ genannt, welche weite Districte
des Innern bedecken. Diese Mergel, von röthlicher Farbe mit geringem
Salzgehalt, sind für Wasser so undurchdringlich, dass selbst nach dem
anhaltendsten Regen das Wasser nicht mehr wie zolltief eindringt, und
Nichts vermag auf tdemselben zu wachsen ausser Salicornien und ähnlichen
Pflanzen. Viele Thonarten weichen zwar im Wasser auf, sie sind
aber so fett und schwer, dass die. Luft nicht hinreichend in dieselben ein-
dringen kann, um eine üppige Vegetation zu ermöglichen, so dass grosse
Strecken Landes vorhanden sind, welche nie reichen Anbau zu tragen
vermögen.
Die Pessimisten, fussend auf diese Eigenthümlichkeiten, verachten
das Land gänzlich und meinen, es sei gar Nichts nütze, welches Urtheil
z. B. von dem Berichterstatter für die englische Regierung, S i r George
C la rk e , in Rücksicht auf die Freistaateu gefällt worden ist, die er be-
zeiebnete als „a country not worth having“ *); doch gehen auch diese zu
*) Ein Land nicht des Besitzens werth.