gender Stamm gebildet wird, welcher oben die von dem jährigen Wüchse
gebildete Krone trägt.
Zur Zeit waren die Bäume in ihrer schönsten Entwickelung, indem
der ganze Wald prangte mit den verzweigten Blflthenschäften, deren
Blumen von brennend orangerother Färbung sind und sieh dicht gedrängt
Fig. 65. Aloewald bei Liteyana.
den Stengeln einseitig anfügen. Die röhrenförmige Corolle ist zum Ueber-
laufen voll von Nektar, welcher sich wie eine Thauperle auf jeder Blume
erhebt und Nektarinien sowie Insekten zum reichlichen Mahle einladet.
Wir menschlichen Leckermäuler machten uns nach beendeter Arbeit
ebenfalls an das Austrinken der Aloebliithen und betrieben diese angenehme
Beschäftigung, bis der orangerothe Pollen unsere Gesichter von
einem Ohre bis zum anderen überzog und uns bemalten Wilden ähnlicher
machte, wie gesitteten Europäern. Der Geschmack des Nektars selbst ist
angenehm süsslich, doch kann man es nicht leicht vermeiden, beim Aussaugen
den Pollen in den Mund zu bekommen, welcher etwas widerlich
schmeckt.
Wir übernachteten in der Nähe eines Secheli’schen Yiehpostens, um
Milch zu unserer frugalen Abendmahlzeit zu erhalten, welchen Stoff wir
mit Hosenknöpfen einzukaufen hatten. Blanke Hosenknöpfe sind im
ganzen Bechuanenlande ein gangbarer Artikel, indem die Eingeborenen
dieselben weniger zur Befestigung ihrer Beinkleider brauchen, welches
Kleidungsstück noch immer als ein Luxusartikel betrachtet wird, als vielmehr
zum Schmuck ihrer Ledertaschen, Carosse u. s. w., woran sie
häufig reihenweise aufgenäht werden. Für 4 Hosenknöpfe wurde schon
eine ganz ansehnliche Kalabasse mit Milch verabreicht, aber als wir versuchsweise
ebensoviel Schillinge dafür anboten, wies man den Handel mit
Entrüstung zurück. Den Werth des Goldes kannten indessen die Leute
gut genug, was daraus hervorging,, dass sie einen dargereichten Sovereign
mit grösster Bereitwilligkeit annahmen. Der Yorrath von Hosenknöpfen
war bald erschöpft, aber dies brachte uns wenig in Verlegenheit,
da wir diese durch Schiessgürtel unnöthig gewordenen ZierratheH an den
eigenen Unaussprechlichen noch besassen und unbedenklich zum Messer
griffen, um das todte Capital zii verwerthen.
Kurz nach Dunkelwerden erhob sich in dem benachbarten Posten
ein gewaltiger Aufruhr, als dessen Ursache sich das plötzliche Erscheinen
eines Leoparden herausstellte, welcher bereits öfters sich seinen Tribut in
Gestalt einer Ziege oder eines Schaafes geholt hatte; diesmal verjagten
ihn indessen die wachsamen Hirten und trieben den Ziegendieb ohne
seine Beute zurück in die nahen Felsklüfte, in deren unzugänglichen Höhlungen
er seine Wohnung aufgeschlagen hatte. •
Diese Klüfte sind der Abfall des Berges, auf dem die erste Stadt der
Bakuena’s stand, und wo Secheli ein wohl eingerichtetes, von Europäern
erbautes Haus besass, das noch heutigen Tages in einem guten Zustande
ist.*) Am 30. erstiegen wir den Berg, um den Ort in Augenschein zu
nehmen, und fanden die Gipfelfläche ganz bedeckt mit den Spuren der
früheren Niederlassung in Gestalt von Aschenhaufen, Knochen und
Scherben von Geschirr; von Baulichkeiten stand aber nur noch das
erwähnte Haus. Steinwälle, welche die- zugänglichen Lücken des Felskranzes
absperren, machen den Ort zu einer Art Festung, aber der Wassermangel
dürfte dieselbe' schwerlich bei längerer Belagerung haltbar
erscheinen- lassen.
Wenn man sieht, in was für einem verhältnissmässig hohen Zustande
von Civilisation Secheli schon in seinem ältesten Wohnplatze gelebt hat,
während er jetzt wieder zu seiner r o h e n Bechuanenhütte zurückgekehrt
. ist, sieht man leicht, dass nicht das Erkennen des in der höheren Cultur
*) Ein Beweis, dass die von den Boeren im Jahre 1852 ausgeführte Eroberung
des Ortes keineswegs von dem Vandalismus begleitet war, wie ihre
Feinde behaupten wollen.
Dr. 9. Fritsch, Drei Jahre in Süd-Afrika. - 22