2 3 0 C ap . X V I I . E r n e u t e r A u fb ru c h — Crad'ock.
Pferden weiter geschleppt, und wenn die Hände auch öfters fester das Gewehr
umspannten aus Verlangen, einem vorbeiziehenden Vogel oder dem
davonspringenden Muishond eins aufs Fell zu brennen, so erlaubte doch
die Eile der Eeise es nicht, der Jagdlust nachzugeben.
Am Nachmittag gegen 5 Uhr erreichten wir Grahams-Town, wo ich in
dem früher schon von mir bewohnten Phoenixhotel wieder Wohnung nahm.
Hier wurden nun dienöthigen Provisionen, Utensilien u. dgl. eingekauft,
und es fehlten nur noch die Ochsen und ihr Oberhaupt, der Treiber, eine
Person, deren Wichtigkeit man erst begreift, wenn man sich einige Male
genöthigt gesehen hat mit unzuverlässigem Gelichter zu reisen, oder wie
der Afrikaner sagt „zu reiten“. (Der Landeseingeborene „reitet“ nämlich
nieht nur im Sattel, sondern auch in der Karre und selbst im Ochsenwagen;
.ein unserem Fahren entsprechendes Wort fehlt im hiesigen Lexikon.)
Ochsen wurden endlich erstanden, und zwar fiel meine Wahl auf ein
Gespann von 10 Zuluochsen, reizende, schmucke Thierchen von gedrungenem
Bau mit feinen, schlanken Hörnern; man dürfte selten eine Anzahl
derselben von so einnehmendem Aeussern finden.
Wohl! Sie nahmen auch mich ein, nicht blos durch ihr Aussehen,
sondern auch durch die Anerkennung, welche sie bei Anderen fanden; ich
kaufte die Ochsen und bedurfte nun nur noch des Treibers, um mich reisefertig
zu nennen. Doch dies Geschäft erwies sich schwieriger, als ich ver-
muthet hatte. Die Aussichten auf einen lustigen Kaffernkrieg waren so
günstig, dass die Häuptlinge ihre Unterthanen grösstentheils zurückgerufen
hatten, und auch die unabhängigen Leute wollten nicht gern den Schauplatz
verlassen, wo eine so reiche Beute an Vieh und Gütern nur auf die
dreiste Hand zu warten schien, welche sie sich aneignen sollte. Die Saat
der europäischen Philanthropistenpolitik fing an zu reifen, indem die Kaffern
seit Zurückgabe des transkeyanischen Gebietes stets unverschämter wurden
und nun mit den Fingoe’s der Colonie gemeinschaftliche Sache zu machen
drohten zur Vertreibung der Weissen.*)
Endlich fanden sieh zwei Individuen, deren Aussehen wenig meinen
Wünschen entsprach, doch in Ermangelung Besserer engagirte ich sie, um
nur erst fort zu kommen. Nach ewigem Hin- und Herrennen und Reden
war Alles so weit gediehen, dass gegen den Abend des 13. zum Aufbruch
geblasen werden konnte; das Commandowort war gegeben, aber wo blieb
die Ausführung!
*) D ie e n e rg is c h e n M a s sreg e in d e r c o lo n ia le n B e h ö rd e n b e se itig te n die d a m
a lig e G e fa h r w e n n a u c h n ic h t g a n z o h n e B lu tv e rg ie s s e n .
A u s rü s tu n g in G rah am s-T ow n . A u fb ru c h m it d em O ch senw ag en . Un g lü ck sfall. 2 3 1
Man denke sich den belebten Hofraum eines Hotels erfüllt mit den
zehn wilden, kleinen „Beestern“, die, seit einem Monat nicht im Joch,
offenen Kampf begannen mit meinem taprigen Treiber und Voorloöper*),
sowie einem weissen Diener, von denen keiner ihnen völlig gewachsen
war, weil Einer an Altersschwäche litt, der Andere an zu vielem Gin und
der Dritte an Sachunkenntniss.
Bald mischten sich in den ungleichen Kampf, gebeten und ungebeten,
hülfreicbe Hände der verschiedensten Gestalt: Zufällig vorbeikommende
Soldaten, Ochsentreiber und Müssiggänger. Auch weibliches Publikum
aus dem Hause mengte sich mit grösstem Eifer in den Trubel, und die
Wirthin des Hotels hielt mit höchst eigener Hand acht der Ochsen an ihren
Riemen, bis eine geeignetere Person sie von dieser ungewohnten Beschäftigung
ablöste.
Endlich wurde der Kampfplatz auf die Strasse verlegt, sicherlich nicht
zum Naehtheil derer, welche sich an dem Tumult erfreuten. Der querstehende
Wagen mit dem langen Gespann sperrte denVerkehr, und allmälig häuften
sich verschiedene Fuhrwerke mit schimpfenden Kutschern, Reiter auf Pferden,
die durch den Lärm stetig geworden waren, und ähnliches Strassen-
publikum in höchst erbaulicher Weise an. Krachend brach von Zeit zu Zeit
eins der Jochscheite, und ein bereits glücklich eingespanntes Oechslein erfreute
sich aufs neue seiner Freiheit, obgleich sofort Dutzende von Händen
sich thätig zeigten, es des theuer erkämpften Gutes wieder zu berauben.
Viele Hunde sind des Hasen Tod! So brachte die etwa dreifache
Zahl von Personen auch das widerspänstige Zugvieh zum Naehgeben, und
fort ging es endlich in wilden Sprüngen aus der wieder sich lichtenden
Strasse. Weit sollte aber die Reise nicht gehen; denn wenige hundert
Schritte ausserhalb des Ortes liefen die Ochsen, von der Peitsche erschreckt,
plötzlich aus dem Wege eine Bank hinauf, und das Ueberschlagen des
Wagens wurde n u r dadurch verhindert, dass glücklicher Weise der Schlossnagel
brach und dem Vordergestell Spielraum gewährte, sich aufzurichten.
So wurde denn wieder'ausgespannt und ich ritt zurück, um sobald als möglich
den Schaden ausbessern zu lassen.
Dies war schnell genug geschehen, und schon am nächsten Morgen
ging die Reise weiter; doch die Gefahr war darum noch nicht vorüber; zu
wiederholten Malen entging das Fuhrwerk nur durch reinen Zufall schwerem
Unglück, da der ungeschickte Treiber die noch nicht ordentlich eingefahrenen
Ochsen durchaus nicht zu beherrschen verstand. Einmal
*) V o o r lo o p e r i s t d e r M an n , w e lch e r d a s v o rd e rs te G e sp a n n O c h s e n fü h rt.