stillschweigende Musterung bis zur Ankunft des Dollmetschers, nach welchem
Gassisioe alsbald gesendet hatte, gewährte auch mir Müsse, die verschiedenen
Personen gehörig ins Auge zu fassen.
Der Häuptling ist bereits in vorgerückten Jahren, seine Gestalt gebeugt,
das Gesicht hager, Von gutmüthigem Ausdruck; in den Augen,
welche rastlos umherwandern, prägt
sich Misstrauen aus, eingegeben von
Furcht. Vielleicht zeigte sich das
Letztere bei dieser Gelegenheit stärker,
als gewöhnlich, da die Eingeborenen
stets Misstrauen hegen gegen
Jeden, der in das Land kommt,
ohne Händler zu sein. Die Boeren
sind das Gespenst, welches die guten
Leutchen in beständiger Angst
und Aufregung erhält, und der Verdacht,
ein Emissär von ihnen zu
sein, tritt dem Besucher des Landes
häufig entgegen, wenn nicht der
Handel hinreichenden Grund für
Fig. 56. Gassisioe, Häuptling der Bawanketsi. s e j n Kommen abgiebt. Zur Beschwichtigung
eines solchen Verdachtes
trägt die äussere Erscheinung, Kleidung u. s. w. des Reisenden
mehr bei, als irgend etwas Anderes, und diese Sachen werden daher
einer genauen Besichtigung unterworfen. Die Boeren können nur schwer
ihre Eigentümlichkeit, sich zu tragen, gänzlich verleugnen, und die Eingeborenen
sind damit hinlänglich vertraut, um einen verkappten Boer
leicht zu entdecken. Ausserdem ist ein Europäer für die Bewohner des
Innern sehenswerth als ein lebendiges Modenjournal, das bis ins kleinste
Detail studirt wird, indem Nachäfferei europäischer Sitten und Gebräuche
eine der Hauptschwächen der Bechuanen ist. Der bedeutende Mann unterscheidet
sich von dem gemeinen Pöbel durch seine europäische Kleidung,
was insofern nicht ganz grundlos ist, als nur der tüchtige Jäger im Stande
ist, einen solchen Aufwand zu bestreiten.
Alles, was zur Häuptlingsfamilie gehört, hat durch die Abgaben des
Volkes genug, um sich herauszuputzen, und häufig sieht man die Leute in
den lächerlichsten, für das Land ganz unpassenden Trachten herumstol-
ziren, wie die Krähe, die sich mit den Pfauenfedern schmückte. Die Bewunderung
auffallender, besonders glänzender Kleidung geht soweit, dass
ich überzeugt bin, ein europäischer Lakei könnte in seiner goldbetressten
Livree das ganze Land durchreisen und würde mit ein wenig Unverschämtheit
sich überall fürstliche Aufnahme verschaffen können; kein
Mensch würde es wagen, einem augenscheinlich so bedeutenden Manne
etwas zu verweigern.
Gassisioe, sowie seine männlichen Verwandten waren selbstverständlich
in europäischer Kleidung, wenn auch nicht ganz nach der neuesten
Mode. Der Häuptling befand sich noch im Negligé, welches er gewöhnlich
den grössten Theil des Tages über trägt, d. h. er hatte eine wollene
Nachtmütze auf, eine bunte Steppdecke von gedrucktem Kattun über
seinem Hemd und Hosen und gewirkte Schlafschuhe an den Füssen.
Während ich diese Attribute des hohen Herrn, welche den etwas dummen
Ausdruck des Gesichts nicht wenig erhöhten, mit geheimem Lächeln betrachtete,
wollte es mich fast wie Heimweh beschleichen, indem gewiss ein
oder das andere dieser Kleidungsstücke meiner theueren Heimath den Ursprung
verdankte.
Wie angenehm stach nicht gegen diesen alten Philister seine junge
Gemahlin ab, welche nebst zwei anderen Frauen links vom Häuptling an
der Erde auf Kuhhäuten lagerte. Ihr intelligenter, ausdrucksvoller Kopf
mit dem niedrigen, kronenartigen Haarschopf der Bechuanenfrauen, war
in der That der einer Königin. Dabei sass derselbe auf einem stattlichen
Halse und üppigen Schultern, welche einen reichen Schmuck lavendelblauer
Glasperlen trugen und dadurch ihre kräftige, dunkelbraune Färbung
im angenehmen Contraste zeigten. Der Schakalkaross, welcher wie eine
Toga die Gestalt umhüllte, war auf der linken Schulter lose zusammengenestelt
und liess den vollen wohlgeformten Arm unverhüllt, cler nur von
einigen Messingringen umspannt wurde.
Die Musterung meiner Person war endlich beendigt und schien ein
günstiges Resultat geliefert zu haben, wie ich aus den sich aufheiternden
Gesichtern schloss, wenn ich auch die abgebrochenen Bemerkungen im
Sechuana nicht verstand. Die Königin Motuane hatte sich dabei stillschweigend
verhalten, doch das lebhafte Umherwandern ihrer dunklen
Augen und das Wetterleuchten, welches zeitweise ihr intelligentes Gesicht
iiberzog, verrieth, dass sie eine regè Theilnahme für die Verhandlung
hegte.
Der Dollmetscher war unterdessen erschienen, und mit seiner Hülfe
nahm die Unterhaltung ihren Gang, beginnend wie gewöhnlich mit dem
Fragen nach Neuigkeiten und dann übergehend auf meine Reisezwecke,
Inhalt des Wagens, beabsichtigten Aufenthalt im Lande u. s. w. Der
Dr. O. Fritsch, Drei Jahre in Süd-Afrika. 20