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 zu  aufs  neue  damit zu  durchtränken.  So  lange,  als  es  kräftig  ist,  vermögen  
 sie gebissene  Individuen  zu  heilen,  was  auf geheimnissvolle Weise  
 mit Hülfe von Zaubersprüehen  und unter gleichzeitiger Anwendung innerer  
 Mittel  geschieht.  Häufig  besteht  die  innere Behandlung  in Darreichung  
 eines  Aufgusses  von  Fetzen  der  wollenen  Mütze,  welche  die  Schlangen-  
 doctoren  zu  tragen  pflegen;  in  das  Zeug  dieser Kopfbedeckung,  welche  
 niemals  abgelegt wird,  geht nach der Behauptung der Leute  die Kraft über,  
 welche  als  Heilmittel  gegen  den  Schlangenbiss  dient.  Zuweilen  sind  es  
 unbekannte  Kräuter  und Wurzeln,  mittelst  deren  die Kur bewerkstelligt  
 wird,  die  Hauptsache  dabei  ist  aber  immer  die  Person  des  Kurirenden  
 selbst.W 
 er  Schlangendoctor werden will, wird von einem bereits practicireii-  
 den  gegen hohes Honorar  in  die Lehre  genommen;  derselbe lehrt ihn,  wie  
 er  sich  giftfest  zu  machen hat, und überwacht  die  Procedur,  welche  nicht  
 ungefährlich  sein  soll,  insofern  häufig  dabei  Schwindel,  Betäubung  etc.  
 eintreten.  Sind  auch  die heftigsten Gifte glücklich genommen,  so weiht der  
 Lehrer  den Adepten  in  die Kunst  ein,  Andere  zu heilen,  und  entlässt  ihn  
 dann  als promovirten  Schlangendoctor. 
 Dies  ist  die  Darstellung,  wie  man  sie  gewöhnlich  von  den  Leuten  
 hört und wie  sie  fast  allgemein  auch  von Verständigen geglaubt wird.  Die  
 wissenschaftliche Kritik muss  dagegen  mit  dem  höchsten Misstrauen  auf-  
 treten,  da  so Manches  dabei nicht nur unverständlich,  sondern sogar widersinnig  
 erscheint.  So  gilt  es  für  erwiesen,  dass  auch  das Gift  der  tödlichsten  
 Schlangen,  in  den  Magen  gebrächt,  unschädlich  ist,  da  es  in  seiner  
 Zusammensetzung nicht resorbirbar ist und  also  keine Delirien  etc.  veranlassen  
 kann.  Ferner  dürfte  man  als  widersinnig  bezeichnen,  dass  die  
 Kraft  des  Schlangendoctors  in  seine  Kleidungsstücke übergeht  und,  als  
 Gegengift  bei  einer zweiten  Person  innerlich  gegeben, wirken kann. 
 Sicher  ist  nur,  dass  gewisse  Menschen  vermöge  ihrer  besonderen  
 Ausdünstung für manche Thiere  ein Gegenstand  des Widerwillens sind und  
 nie von  ihnen  angegriffen  werden.  Wir  sehen  dies  an  einigen  als Thierbändiger  
 berühmten Personen  in Bezug  auf höhere Thiere  ebenso  deutlich  
 wie wir  es  täglich  in Betreff  der  verschiedenen  Parasiten  des  Menschen  
 beobachten  können.  Das  eine  Individuum  scheint  geflohen  zu  werden,  
 während  ein  anderes  beständig  geplagt ist,  ohne  dass man  im  Stande ist,  
 den Grund  dafür  anzugeben. 
 So mag  es  auch mit  dem Abscheu und  der Furcht der  Schlangen  vor  
 den  Doctoren  der  Fall  sein,  welche  das  Gift  vielleicht nur  geniesen,  um  
 Andere  zu  schrecken,  obgleich möglicher Weise  in  ihrer Ausdünstung  eine 
 Arzneien  der  Eingeborenen. 207 
 Veränderung  dadurch  bewirkt  werden  könnte.  Auf  der  anderen  Seite  
 steht  aber  fest,  dass  die  Eingeborenen  im  Besitz  vieler  ausgezeichneter  
 Heilmittel  sind,  deren Kenntniss  für  das Wohl der Menschheit  sehr wün-  
 schenswerth wäre.  Abgesehen  von  den  Gegengiften  gegen  Schlangenbiss,  
 kennen  sie  treffliche Mittel  gegen  den  in  Süd-Afrika  sehr häufigen Bandwurm, 
   welcher hier  öfters  den  stärksten  Gaben Kousso widersteht,  gegen  
 Dysenterie, Malariafieber  u.  a.  Diese Stoffe sind  vielfach auch von Weissen  
 probirt worden,  und  ich  selbst kenne Fälle,  wo  sie  sich  erfolgreich zeigten,  
 während  die kräftigsten Mittel  unserer Materia  medica  fehl schlugen.  Die  
 Medicinen werden  immer von  den  Schwarzen selbst unter geheimnissvollen  
 Gebräuchen  verabreicht,  ohne  dass man  im Stande ist,  die Natur derselben  
 festzustellen;  sie bewahren  das  Geheimniss  unverbrüchlich. 
 Im  einzelnen Falle  den  Beweis  zu  fahren,  ob wirklich  eine Heilung,  
 von  einem  anders  tödtlichen  Schlangenbiss  stattgefunden  hat,  erscheint  
 fast unmöglich.. Häufig misslingt  die  Injection  des  Giftes,  auch wenn  eine  
 deutliche  Verwundung  stattgefunden  hat,  häufig  hat  die  Schlange  kurz  
 vorher  schon  durch  einen Biss  das Gift entleert,  oder es wird eine unschädliche  
 Schlange  für  eine giftige gehalten. 
 Im  allgemeinen  gilt  den Schwarzen  sowohl,  wie  den  Farmern  jedes  
 zu  den  Amphibien  gehörige  Thier  für giftig,  und  es werden  die  schrecklichsten  
 Geschichten  über  die Wirkung  ihres Bisses  von Leuten  erzählt,  
 welche behaupten,  Augenzeugen  dabei gewesen  zu  sein.  So  erklären  sie  
 die  häufige  bunte  Eidechse  Süd-Afrikas  (Trapelus  hispidus)  für  eins  der  
 giftigsten  Thiere.  Selbst  Schmetterlinge halten  sie  für giftig,  besonders  
 den  Todtenkopf  (Acherontia Atropos),  welcher wohl  mit  den Kartoffeln  
 in  diesem  Lande  eingeführt  worden  ist.  Er  findet  sich  häufig  in  der  
 ganzen  Colonie und wählt  seinen Aufenthalt gern  in hohlen Bäumen,  wo  
 zuweilen  gleichzeitig  die  wilden  Bienen  ihre  Nester  bauen.  Man  kennt  
 daher  den  Schmetterling  allgemein  unter  dem Namen  „Beemoth“  und hält  
 seinen  Stich  für absolut tödtlieh;  dass dieses harmlose Thierchen mit seinem  
 Säugrüssel  überhaupt nicht im  Stande  ist,  zu  stechen,  berücksichtigen  die  
 Thörichten  nicht.  Ich  hörte  die  Behauptung  seiner  Schädlichkeit  auch  
 einst  von  einem Manne,  der zu  den  gebildetsten  Familien  am  Cap  zählte,  
 und  als  ich  ihn  auf das Unverständige  aufmerksam machte,  antwortete  er  
 sehr kaltblütig:  In Europa  möchte  das  Thier  vielleicht ungiftig  sein,  in  
 Afrika wäre  es  aber höchst gefährlich,  er wüsste  das  ganz  sicher. 
 Eben  so  gelten  viele  unschuldige Nattern für  sehr giftige Schlangen;  
 und  häufig  genug  mag  die  Hülfe  des  Schlangendoctors  gegen  den Biss  
 solcher  ohne  Grund  gefürchteten  Geschöpfe  nachgesucht  werden.  Auch