206 Cap. XV. Pieter-Maritzburg -— D’Urban.
zu aufs neue damit zu durchtränken. So lange, als es kräftig ist, vermögen
sie gebissene Individuen zu heilen, was auf geheimnissvolle Weise
mit Hülfe von Zaubersprüehen und unter gleichzeitiger Anwendung innerer
Mittel geschieht. Häufig besteht die innere Behandlung in Darreichung
eines Aufgusses von Fetzen der wollenen Mütze, welche die Schlangen-
doctoren zu tragen pflegen; in das Zeug dieser Kopfbedeckung, welche
niemals abgelegt wird, geht nach der Behauptung der Leute die Kraft über,
welche als Heilmittel gegen den Schlangenbiss dient. Zuweilen sind es
unbekannte Kräuter und Wurzeln, mittelst deren die Kur bewerkstelligt
wird, die Hauptsache dabei ist aber immer die Person des Kurirenden
selbst.W
er Schlangendoctor werden will, wird von einem bereits practicireii-
den gegen hohes Honorar in die Lehre genommen; derselbe lehrt ihn, wie
er sich giftfest zu machen hat, und überwacht die Procedur, welche nicht
ungefährlich sein soll, insofern häufig dabei Schwindel, Betäubung etc.
eintreten. Sind auch die heftigsten Gifte glücklich genommen, so weiht der
Lehrer den Adepten in die Kunst ein, Andere zu heilen, und entlässt ihn
dann als promovirten Schlangendoctor.
Dies ist die Darstellung, wie man sie gewöhnlich von den Leuten
hört und wie sie fast allgemein auch von Verständigen geglaubt wird. Die
wissenschaftliche Kritik muss dagegen mit dem höchsten Misstrauen auf-
treten, da so Manches dabei nicht nur unverständlich, sondern sogar widersinnig
erscheint. So gilt es für erwiesen, dass auch das Gift der tödlichsten
Schlangen, in den Magen gebrächt, unschädlich ist, da es in seiner
Zusammensetzung nicht resorbirbar ist und also keine Delirien etc. veranlassen
kann. Ferner dürfte man als widersinnig bezeichnen, dass die
Kraft des Schlangendoctors in seine Kleidungsstücke übergeht und, als
Gegengift bei einer zweiten Person innerlich gegeben, wirken kann.
Sicher ist nur, dass gewisse Menschen vermöge ihrer besonderen
Ausdünstung für manche Thiere ein Gegenstand des Widerwillens sind und
nie von ihnen angegriffen werden. Wir sehen dies an einigen als Thierbändiger
berühmten Personen in Bezug auf höhere Thiere ebenso deutlich
wie wir es täglich in Betreff der verschiedenen Parasiten des Menschen
beobachten können. Das eine Individuum scheint geflohen zu werden,
während ein anderes beständig geplagt ist, ohne dass man im Stande ist,
den Grund dafür anzugeben.
So mag es auch mit dem Abscheu und der Furcht der Schlangen vor
den Doctoren der Fall sein, welche das Gift vielleicht nur geniesen, um
Andere zu schrecken, obgleich möglicher Weise in ihrer Ausdünstung eine
Arzneien der Eingeborenen. 207
Veränderung dadurch bewirkt werden könnte. Auf der anderen Seite
steht aber fest, dass die Eingeborenen im Besitz vieler ausgezeichneter
Heilmittel sind, deren Kenntniss für das Wohl der Menschheit sehr wün-
schenswerth wäre. Abgesehen von den Gegengiften gegen Schlangenbiss,
kennen sie treffliche Mittel gegen den in Süd-Afrika sehr häufigen Bandwurm,
welcher hier öfters den stärksten Gaben Kousso widersteht, gegen
Dysenterie, Malariafieber u. a. Diese Stoffe sind vielfach auch von Weissen
probirt worden, und ich selbst kenne Fälle, wo sie sich erfolgreich zeigten,
während die kräftigsten Mittel unserer Materia medica fehl schlugen. Die
Medicinen werden immer von den Schwarzen selbst unter geheimnissvollen
Gebräuchen verabreicht, ohne dass man im Stande ist, die Natur derselben
festzustellen; sie bewahren das Geheimniss unverbrüchlich.
Im einzelnen Falle den Beweis zu fahren, ob wirklich eine Heilung,
von einem anders tödtlichen Schlangenbiss stattgefunden hat, erscheint
fast unmöglich.. Häufig misslingt die Injection des Giftes, auch wenn eine
deutliche Verwundung stattgefunden hat, häufig hat die Schlange kurz
vorher schon durch einen Biss das Gift entleert, oder es wird eine unschädliche
Schlange für eine giftige gehalten.
Im allgemeinen gilt den Schwarzen sowohl, wie den Farmern jedes
zu den Amphibien gehörige Thier für giftig, und es werden die schrecklichsten
Geschichten über die Wirkung ihres Bisses von Leuten erzählt,
welche behaupten, Augenzeugen dabei gewesen zu sein. So erklären sie
die häufige bunte Eidechse Süd-Afrikas (Trapelus hispidus) für eins der
giftigsten Thiere. Selbst Schmetterlinge halten sie für giftig, besonders
den Todtenkopf (Acherontia Atropos), welcher wohl mit den Kartoffeln
in diesem Lande eingeführt worden ist. Er findet sich häufig in der
ganzen Colonie und wählt seinen Aufenthalt gern in hohlen Bäumen, wo
zuweilen gleichzeitig die wilden Bienen ihre Nester bauen. Man kennt
daher den Schmetterling allgemein unter dem Namen „Beemoth“ und hält
seinen Stich für absolut tödtlieh; dass dieses harmlose Thierchen mit seinem
Säugrüssel überhaupt nicht im Stande ist, zu stechen, berücksichtigen die
Thörichten nicht. Ich hörte die Behauptung seiner Schädlichkeit auch
einst von einem Manne, der zu den gebildetsten Familien am Cap zählte,
und als ich ihn auf das Unverständige aufmerksam machte, antwortete er
sehr kaltblütig: In Europa möchte das Thier vielleicht ungiftig sein, in
Afrika wäre es aber höchst gefährlich, er wüsste das ganz sicher.
Eben so gelten viele unschuldige Nattern für sehr giftige Schlangen;
und häufig genug mag die Hülfe des Schlangendoctors gegen den Biss
solcher ohne Grund gefürchteten Geschöpfe nachgesucht werden. Auch