Die Quelle, deren Verfehlen uns so sehr in Verlegenheit gesetzt
hatte, war gekennzeichnet durch einige Gruppen niedriger Mimosen rings
um die Pfütze, deren zerstampfter Boden verrieth, dass sie den Wasserbedarf
für einen weiten Distrikt hergeben musste. Ich sandte das Vieh nach
dieser Stelle zurück, und als es sich gehörig erfrischt hatte, wurde die
Reise nach K o s s i fortgesetzt, wo wir erst tief in der Nacht anlangten.
Trotz der späten Stunde töntenoch ein wüstes Getöse von Tanzenden und
Singenden aus dem Orte heraus, und ich spannte daher etwas entfernt davon
aus, um wenigstens für die Nacht Ruhe zu haben. Als am ändern
Morgen das Herabkommen des Viehes zum Wasser meine Ankunft ver-
rathen hatte, fehlte es wieder nicht an Besuch beim Wagen; ich dachte
aber diesmal billig weg zu kommen, durchfuhr am Mittag den Ort, bis ich
eine ziemliche Entfernung erreicht hatte, und schickte dann die'Ochsen
zurück, um sie noch einmal zu tränken.
Mit betrübter Lohgerbermiene kam indessen mein Voorlooper nach
einiger Zeit zurück und äusserte in lakonischer Kürze: „Sir! die osse
dorst noch.“ *) Auf mein Befragen über den Grund dieser auffallenden
Naturerscheinung wurde mir mitgetheilt, dass die liebenswürdigen Bewohner
des Ortes mein Vieh vom Wasser zurückgetrieben hatten. Ich
sah bald, dass die Sache auf Erpressung abgesehen war, doch musste ich
gute Miene zum bösen Spiel machen, da ich bis Kuruman wieder eine
wasserlose Strecke zu durchziehen hatte bei einer Entfernung von zwei
Tagereisen.
Schnell war mein stolzes Rösslein gesattelt, und ich ritt hinunter in
der angenehmen Aussicht einer stundenlangen Verhandlung, deren Ende
ich voraus kannte, ohne dass es mir jedoch vergönnt war, damit anzufangen.
Nach einigem Herumfragen wurde mir der „Kapitain“ des Dorfes
gewiesen, welcher zugleich auch „die baas is van die water1, **) und die
Verhandlung nahm ihren Anfang vor einer Corona von Galgengesichtern,
wie ich sie selten in schönerer Auswahl beisammen gesehen habe. Ebensowenig
als es die Würde des sogenannten Kapitains erlaubt hatte, sich
selbst vorzustellen, fand es der alte Sünder für passend, selbst zu verhandeln
, sondern bediente sich eines Dollmetschers, um seine Gedanken
besser verbergen zu können. Es ist in allen diesen Orten Sitte, dass
man die hervorragendste Persönlichkeit um Erlaubniss fragt, auszuspannen
; ich hatte diese Anfrage umgangen dadurch, dass ich beide Male ent*)
Herr, die Ochsen dursten noch.
**) Her Herr ist über das Wasser.
fernt vom Dorfe ausgespannt hatte, aber dieser Kunstgriff, den Plagereien
der Dorfbewohner zu entgehen, hatte gerade ihren Zorn erregt und musste
ihnen für die Erpressung zum Vorwand dienen.
Es war rührend zu hören, mit welcher Kaltblütigkeit man mir auseinandersetzte,
die Leute hätten mich, weil ich ein Doctor wäre, doppelt (!)
nöthig, d. h. sie müssten mich ausser den gewöhnlichen Betteleien auch
noch um Medicinen plagen, und ich hätte daher ein grosses Unrecht begangen,
so einfach durchzuziehen.
Es lag dieser Gedankengang ihnen allzu uahe, als dass sie ihn ganz
hätten unterdrücken können, obgleich die meinerseits absichtlich vermiedene
Anfrage um Erlaubniss auszuspannen stets den eigentlichen Vorwand
für ihre Handlungsweise abgab.
Hätte ich ernstlichen Widerstand geleistet, so würde die erwähnte
Unterlassungsünde das Recht auf ihre Seite gebracht haben, und Water-
boer hätte sicher gegen mich entschieden, obgleich diese Häuptlinge die
Gerechtigkeit wenigstens dem Scheine nach streng aufrecht erhalten. Die
Leute gaben sich, wohl wissend, dass ich.den Schutz des Häuptlings genoss,
alle erdenkliche Mühe, mir das begangene Unrecht begreiflich zu
machen, und die lange Verhandlung endete darauf wie vermuthet in der
Forderung, ich sollte für die Erlaubniss, die Ochsen zu tränken, 1 Pfund
Café entrichten. Gnädigst bewilligte ich dies „dem Baas van die water“)
der nun auf einmal auch Holländisch sprechen konnte, als er die Menge
des Café vergrössert wünschte, für die verlorene Zeit aber musste ich
mich durch die gewonnene Einsicht in afrikanische Rechtsverhandlungen
entschädigt halten. Die Erfahrungen dieser Stunden gewährten mir
Stoff zu mannigfachen Betrachtungen über den Charakter und die Sitten
des Volkes, aber auch über die Annehmlichkeiten eines Landes, wo ausser
unserem Herrgott da oben noch ein besonderer „Baas“ ist über die einzige
Pfütze Wasser für Meilen im Umkreise, aus der der Verschmachtende
seinen Durst zu stillen vermag.
Vielleicht wundert sich der Leser, woher es kam, dass die Bewohner
der Ortschaften, die ich passirte, stets wussten, ich sei ein Doctor, und vermuthet,
dass ich mein Diplom äusserlich am Wagen angeschlagen hatte,
oder dass ich nach der Weise des Dr. Eisenbart meinen Hanswurst bei
mir hatte, um den Leuten von den Wunderkuren des Reisenden zu erzählen
und ihnen so das Lesen zu ersparen. Nichts von dem! Seit der
Stunde, wo ich meinen Fuss auf das andere Ufer des Orange-River gesetzt
hatte, ging die Nachricht meines Kommens durch das Land, und obgleich
ich den Leuten ausdrücklich verbot, meinen Stand zu nennen, um Ruhe