
Nordosten von Dali jenseits des Sees, der etwas niedrigere Gipfel mit den
Tempeln noch %twas weiter nordöstlich, und wird von der Seite, wo ich
jetzt war, am besten von Hwangdjiaping aus bestiegen. Mit der Reise
dorthin verließ ich das Gebiet der Lolo, die ich auf meinem Weg allerdings
nur auf den Märkten zu sehen bekommen hatte; trotzdem war es
mir in Hedjing geglückt, eine ihrer bunten Mädchenhauben zu kaufen,
die mit Silberplättchen und eingeführten Beinknöpfen geziert ist.
Ein langer Tagemarsch brachte mich am 19. Mai von Biendjio nach
Hwangdjiaping im nächsten Paralleltale durch zwar trockenes, aber Pflanzenreiches
Land. Die. unteren Hänge bedecken Mengen der Selaginella in-
volvens unter zerstreuten Büschen der klebrigen Dodonaea viscosa und des
zarten Phyllanthus Emblica, dann fand sich in der Steppe eines flachen
Rückens der winzige blaue Enzian Gentiana napulifera, meist kaum 3 cm
hoch, aber mit oft mehr als einem Dutzend 5 cm langer saftiger Knollenwurzeln,
und eine ebenfalls dick rübenwurzelige Wolfsmilch, die neue
Euphorbia porphyrastra, die nur durch die purpurnen Deckblätter ansehnlich
wird, gleich darauf auf Kalk am Beginne der Wälder wilde Ficus
superba und die Firmiania maior, durch größere rosa Blüten und größere
Blätter und Früchte von der bekannten angepflanzten Sterkuliazee verschieden.
Nach dem starken Marsche benutzte ich die Gelegenheit, den mir aus
Yungbei bekannten Père G dilbaüd z u sprechen, der jetzt in Dali wohnt
und die eine Stunde von H w a n g d jia p in g entfernte Nebenstation Dapingdse,
ehemals der Aufenthaltsort des berühmten D e l a v a y , z u besuchen gekommen
war. Er ist ein fanatischer Franzose und hat mir gegenüber
von allen Missionären am wenigsten mit seinen Tendenznachrichten zurückgehalten.
Nachdem ich aber-später, selbst wieder besser unterrichtet, nicht
umhin gekonnt hatte, ihn brieflich über -unseren Standpunkt aufzuklären,
schwieg er bei einem späteren Wiedersehen über Kriegsfragen vollständig.
Seine Stelle in Yungbei nahm jetzt S alvat ein, der wegen seines von der
Regierung entdeckten großzügigen Opiumschmuggels aus dem viel besseren
Dali dorthin versetzt worden war.
Während ich die Karawane ein Stückchen weiter schickte, machte ich
mich dann mit meinen Leuten und zwei Tragtieren an die Besteigung des
D ji-sc h a n . Nicht weit auf dem vorgestrigen Wege zurück, dann rechts
am Hange hinauf, wird sein Nordostrücken erreicht und weiter, eben
unter ihm hin, ein größerer Tempel am Fuße des Steilaufstieges zum
Gipfel. Dort eingezogen, mußte ich mich bei Gelegenheit des üblichen
Tempelgeschenkes in ein regelrechtes Fremdenbuch eintragen, in dem ich
auch den Namen des französchen Reisenden B acot fand. Noch am Abend
des 21. Mai stieg ich auf deh Gipfel, denn,- war das Wetter auch heute
nicht schön, so konnte man nicht wissen, ob es nicht morgen noch viel
schlechter sein werde. Erst im Zickzack über eine Schutthalde, die mit
schlingender großblütiger Aristolochia Yunnanensis, rosa überlaufener Deutzia
longifolia, Berberitzen und anderem bewachsen ist, dann an einer aus
grünem Diabas bestehenden Felskante steil in ausgehäüenen Stufen, auf
ein Stückchen mit Stiften, Ketten und Geländern versichert, wie der schönste
Alpenvereinsweg, geht es noch 325 m hinauf zum 3350 m hohen Gipfel.
Oben steht wieder ein Tempel mit reicher Schmiedearbeit in Kupfer, an
einem ändern war ich unterwegs vorbeigekommen, ein dritter klebt an
einem schmalen Felsband über schwindelndem Abgrund; nachmittags von
der Sonne beschienen, ist er noch von Dali aus weiß leuchtend zu sehen.
Die Aussicht war keineswegs befriedigend, denn alle Fernblicke waren verdeckt,
aber doch eindrucksvoll genug der Überblick über die 20 Tempel,
die am Südosthang des Berges gegen Bintschwan hinab zerstreut liegen;
beim untersten grüßt ein mächtiger Obelisk herauf. Im Nordosten setzt
sich die Bergkette fort in einer niedrigeren, aber durch die Einfachheit
ihrer Form und Steilheit ihrer allseitigen Abstürze Eindruck machenden,
nahezu wagrecht gelagerten, etwa 300 m mächtigen Kalkbank über rotem
Sandstein, der einen dunkelgrauen Dahamit überlagert und auch den
unteren Teil des Dji-schan bildet. So kann man weder im Verlauf von
Oberflächenformen, noch im tektonischen Bau der höher gelegenen Teile
etwas vom Vorhandensein des „yünnanesischen Bogens“ erkennen, den
D eprat sich hier durchziehend denkt. Einzelne Tannen und Eiben krönen
den Grat über dem Lithocarpus-Wedd und Stecheichenbusch; unter ihnen
entfalten Zitterpappeln und Weiden ihr zierliches Laub, und nur auf der
west-östlich gerichteten Gipfelkante breiten sich auf Moderboden zwischen
Moospolstem der preiselbeerähnliche, büschelige Zwergstrauch Vaccinium
Delavayi und die .Erica-ähnliche Gaultheria cardiosepala aus. Prachtvoll
blühten hohe Sträucher des Rhododendron rarosquameum, Blüte an Blüte,
groß, etwas ungleichseitig, zart rosa und purpurn gepunktet, während noch
nichts von den Blättern zu* sehen ist, ganz einzeln nur die 3 m hohe
Magnolia Taliensis mit großen schneeweißen, nickenden, weit offenen
Blüten ebenfalls vor völliger Entwicklung des Laubes. Der Abstieg führte
von der Unterkunft zunächst am Hange der Bergkette weiter, dann von
einem Sattel über den entgegengesetzten Hang nach Nordwesten an den
Ostfuß jener Kette, die vom. Örl-hai nach Norden zieht.
Es war meine Absicht, in dieser Kette, die das Yangdse-Becken nach
Westen abgrenzt und im Süden Heischanmen, im Norden Mangan-schan
heißt, wenigstens einen Berg zu ersteigen. In Djiangying traf ich die Karawane
glücklich im schlechtesten Hause eingenistet. Der Weg führt auf einer
waldbedeckten, welligen, ungefähr 2300 m hohen Fläche am Fuße der Bergkette,
wohl einem Rest eines beckenartigen Teiles des Yangdse-Tales, das