
Da kam zu nachtschlafender Zeit der Litjin-Beamte, er wolle meinen Karawanenpaß
sehen und, was dehn das überhaupt sei, daß ich ohne amtliche
Begleitung daherkomme, „wie ein Dieb“ habe der Hsiendschang gesagt.
Er solle bei Tag kommen, wenn er etwas wolle, jetzt schlafe ich schon,
schickte Li ihn fort, und ich ließ dem Beamten noch meine Meinung aus-
richten, persönlich wollte ich keine Zeit damit vertrödeln. Ein Yamen-Bote
mit einem Briefe wurde mir mitgegeben. War es die Folge davon oder
ein selbständiges Unternehmen des Beamten in Gwangdung, daß dort ein
großes Polizeiaufgebot in die Herberge kam; jedenfalls vermutete der
Führer desselben in meinen Kisten Opium und wollte sie mit seinen
chinesischen Schlüsseln öffnen. Der kleine, gerade in solchen Fällen außerordentlich
brauchbare Li stritt eine Zeitlang mit ihm, dann begann er ihn
fürchterlich zu beschimpfen, zerrte den langen Kerl am Kragen, und beschwichtigend
zog dieser mit seiner ganzen Gesellschaft ab. Zu wundern
ist es ja nicht, daß die Chinesen in jedem reisenden Europäer einen Opium-
schmuggler zu sehen beginnen, nachdem sie die zwei französischen Missionäre
dabei ertappt haben, und ich weiß, daß es auch andere nahezu
berufsmäßig tun. Wenn jetzt nach Yünnanfu vorausberichtet wurde, daß
man mich in solchem Verdachte hat, konnte es bei meinem Einzug in die
Hauptstadt Verzögerung oder aufsehenerregende und bei der jetzigen politischen
Spannung mit den Franzosen und Engländern, die nur auf einen
Grund lauerten, uns etwas nachzureden, doppelt unangenehme Auftritte
geben. Ich war daher froh, daß ich von der nächsten Nachtstation Schödse
aus noch rechtzeitig durch einen Expreßbrief — sonst wäre es durch einen
eigenen Boten zu tun gewesen — den deutschen Konsul verständigen konnte,
dem es ein leichtes war, die telephonische Weisung an die Torwache zu
erwirken, mich und meine Karawane glatt durchzulassen. In den nächsten
Tagen hatte ich meist zwei „Soldaten“ als Begleitung mit, meist recht
lächerliche Gestalten mit wenig wirksamer Bewaffnung, einmal den einen
mit einem riesengroßen Gewehr mit zerbrochenem Kolben und ohne Patronen,
den anderen mit einem dreiviertel Meter langen Spieß. Je näher an
Yünnanfu, desto schlechter werden die Herbergen am Wege. Hübsche
Stellen gibt es noch gegen Luföng zu, eine alte, mehrbogige Brücke über
den von Dadschwangkou kommenden Bach, die ganz mit Gesträuch überwuchert
ist, dann einen schönen Ausblick auf das von Lodse kommende
Flüßchen, das unter Luföng sich durch eine S-förmig gekrümmte Schlucht
windet, von einem Kamm aus, der schon mit einigen subtropischen
Sträuehern zwischen der anfangs November noch ganz grünen Steppe
bewachsen ist. Dann wird das Land kahl, bunte Farben zeigen sich an den
Rändern der Talschaft; wenig geneigte, dünnblätterige Mergelschichten und
darüber rote Sandsteinbänke. L ao y agw an ist eine sehr ansehnliche, in
den Karten fehlende Ortschaft vor dem Aufstiege zur Wasserscheide gegen
den Pudu-ho. Über ihr fand ich in einer Hecke die interessante Eriolaena
malvacea. In Erdhöhlen am Wege wohnen Aussätzige, schauerliche Gestalten,
die sich ihren Lebensunterhalt von den Reisenden zusammenbetteln. Vorne
erscheint die Kette des Hsi-schan, links steigt, nachdem Nganningdschou
verlassen ist, das Gebirge gegen Fumin gleich vom Weg an, dazwischen
etwas nach links schneidet der Sattel von Bitjigwan durch, und am 8. November
zog ich in Yünnanfu ein, wo mir Freund S t i e b r i t z wieder
Wohnung gab.