
rechten Seitentales ein Plätzchen, das mir für einen Aufenthalt geeignet
schien, sowohl was Landungsmöglichkeit als Pflanzenwelt betraf. Da beschatteten
mächtige Bäume den Steilhang, Liquidambar Formosana,
Castanops-is fissa, Myrica esculenta und Schima crenata. Unter ihnen bildet
der große Farn Gleichenia glauca ein Dickicht, an dessen zähen Stengeln
ich mich hinaufarbeitete, die Moose des Bodens, wie die tropische Bazzania
tridens sammelnd. Den Seitenbach entlang gab es noch einiges, die neue
Ficus sordida, Embelia parviflora, Polypodium coronans, im ganzen aber
war die Ausbeute nicht groß, und nach einem weiteren günstigen Platz
fahndete ich vergebens. Nur die Dörfer der Miao an den steilen, aber
nicht hohen, grijnen Talhängen und hie und da am Flusse konnten die
Aufmerksamkeit fesseln, bis wir in Tientang anlegten.
Dort ist das Tal nicht mehr so schmal, viel Sand ist abgelagert und
offenbar zu mächtig, als daß das Ufergebüsche darin Halt finden könnte,
wohl aber wurzelt Pterocarya stenopiera in der Überschwemmungszone;
ihre geraden Stämme mit dem festen Nußholz halten dem Wasser stand.
Die Landschaft wird reizlos, nur im geologischen Bau zeigt sie wieder
etwas Abwechslung, indem die bisher seit Sandjio fast horizontale Grauwacke
gegen Gudschou zu senkrecht quer über den Fluß einfällt und
dann von östlich einfallendem Konglomerat, das bauchig gewölbte Felsen
bildet, und darüber von Mergel überlagert ist. Viele Schiffmühlen an der
Mündung eines Flüßchens von links zeigen die Nähe der Stadt G u d schou
an, die man auch in wenigen Minuten vom Flusse erreicht. Hier war meine
Bootfahrt am 19. mittags zu Ende, aber auf die Karawane mußte ich noch
einen Tag warten, denn sie wollte sich von der gemeinsamen Unterkunft
Tientang hieher etwas mehr Zeit lassen. Mir war es ganz willkommen,
denn gleich gegenüber der Stadt auf einem ganz flachen, niedrigen Hügel
winkt ein Hain beim Tempel Yanggu-miao, der Photinia subumbellata
und Davidsoniae, Pyracantha discolor und die .schöne, blaue Porana Sinensis
lieferte, hauptsächlich aber aus Quercus variabilis besteht, im Südwesten
auf dem steilen Hange des Baotie-schan aber ein größeres Wäldchen, das
ich am Nachmittage des 20. Juli besuchte. In der Buschwiese beim
Aufstiege dorthin blühte gelb die Orchidee Habenaria Linguella, ebenso
Striga lutea und Wikstroemia Indica, dem Seidelbast verwandt, und
Lycopodium cernuum rankt am Boden unter dem Grase; der Wald aber beherbergt
Clerodendron mandarinorum, einen mächtigen Baum, mit großen
weißen, duftenden Blüten übersät, Firmiania simplex, Castanea Henryi,
Eriobotrya Japonica, Liquidambar Formosana, Myrica rubra, Aleurites
Fordii, Birken, Pappeln und anderes. Für den Abmarsch am nächsten
Morgen blieb es mir Vorbehalten, die eigentliche Stadt zu sehen und da
staunte ich über den Unterschied gegenüber allem, was ich bisher von
Chinesenstädten kannte. Ich hätte mich unter einem neuen Volke gewähnt,
als ich zwischen den hohen mehrstöckigen, mit Gold und anderen Farben
bemalten, reich geschnitzten und in Stein skulpturierten Häusern der
Hauptgeschäftsstraße dahinritt, die einen geradezu prächtigen Eindruck
machen, wenn man dieses nicht gewohnt ist. So unvergleichlich größer
kann der Wohlstand hier doch nicht sein; ein Handelsmittelpunkt ist
Gudschou wohl, aber doch mitten im Lande von „Tu-jen“ oder „Pendi“,
von Eingeborenen, und daher kann es nicht etwa die Bauart schon länger
als drüben in Yünnan ansässiger Chinesen sein, die den Unterschied
hervorruft. Oder besteht ein indirekter Zusammenhang mit dem heißen
Klima in dieser nur 300 m hohen Lage, daß gerade von hier ab nach
Osten der gleiche Städtetypus herrscht?
Gegen meinen Willen hatte man mir eine Bedeckung von 16 Soldaten
nebst sechs Polizisten mitgegeben, denn gegen die Provinzgrenze zu sei
es sehr unsicher. Der Weg quert das breite Tal des Seitenflusses nach
Nordosten. Hier gibt es Baumwolle und zum erstenmal, daß ich sie in China
sah, etwas Weinreben, diese an Spalieren an oder über Wassertümpeln
anscheinend nur als Obstfrucht gezogen. Durch ein Tälchen steigen wir
auf das Sandsteingebirge an, das über dem letzten Mergel liegt. Der Weg
war an zwei Stellen verfallen und mußte umgangen oder die Lasten an
solchen Stellen auf die Schultern genommen werden. Bald erfuhren wir,
daß vor zwei Stunden auf dem Sattel vor uns eine 20 Leute starke
Trägerkarawane chinesischer Kaufleute von ungefähr ebensovielen Räubern
überfallen und ausgeraubt worden war. Sie hatten mehrere Leute verwundet,
von den Waren die wertvollen, angeblich für 3000 $, ausgesucht
und waren damit rasch verschwunden. Bei der Mittagsrast schlossen sich
mir noch viele Leute an, die den Vorteil einer sicheren Reise mit meiner
Bedeckung haben wollten. Bald begegneten wir zwei Verwundeten, die,
ohne daß ihnen das reichlich verlorene Blut auch nur abgewischt worden
wäre, in rasch gefertigten Tragstühlen heruntergeschafft wurden. In einem
kleinen Eßhaus auf dem Sattel lag ein dritter mit einem Stich durch die
Lunge, den Mund voll Blut. Mich um ihn zu kümmern, hätte keinen
Zweck gehabt, denn für den Fall läßt sich, wie ich wußte, überhaupt
nicht viel machen, imd, beginne ich mit europäischen Mitteln, so kann
der Chinesenarzt, dem er dann in die Hände fällt, die.Kur doch nicht
fortsetzen. Wenige hundert Schritte weiter war der Überfall erfolgt, die
Räuber hatten sich im hohen Grase eines Hohlweges versteckt gehabt;
Blutflecke und Papierfetzen zeigten noch von ihrer Tätigkeit. Es sollen
Hunan-Leute gewesen sein, die in die andere Provinz gekommen waren.
Denn da sagen die Behörden: Die sind nicht aus unserem Bereich und
drüben • können wir sie nicht verfolgen, die Hunanbehörden aber: Die