
Vor dem Anstieg zum nächsten Rücken kommen wir an dem ansehnlichen
Dorf Sosokou vorbei. Es liegt zusammengedrängt auf einer Schulter
des Hanges, von einer Erdmauer umgeben. Am Wege ist ein Pfahl mit
einem Kreuzbalken eingesteckt und droben kläfft ein junger Hund ganz
jämmerlich, den man daran festgebunden hat. Es ist das Zeichen der
Fehde bei den Lolo. Als wir später wieder vorbeikamen, kläffte er nicht
mehr. Hätten aber wir der Tierquälerei ein Ende gemacht, so hätten wir
wohl unsere Köpfe damit verwirkt. Ein wenige Jahre nach seiner Errichtung
schon zerfallener Wachtturm steht auf der Höhe. Diesmal konnten
wir an dem schönen Walde des Soso-liangdse, anscheinend dem einzigen
noch erhaltenen der Gegend, nur vorbeireiten, denn es fehlte die Zeit zu
einem Aufenthalt, aber wir setzten seine Untersuchung. aufs Programm der
Rückreise, und verbrachten die Nacht beim Ältesten vdn Sikwai, einem
besonderen Freund der Mission in Ningyüen. Auch sein Haus hat nur
einen Raum und die unter dem Feldbett zum Trocknen ausgelegten Moose
mußte ich nach allen Seiten verschanzen, damit nicht Hühner und Schweine
alles durcheinanderscharren. Das Dorf liegt in einem anderen Talsystem,
in einem ziemlich breiten, aber trockenen und weniger grünen Talweg,
der im Norden scharf zurückbiegt, den geradeaus über einen ansehnlichen
Rücken nach Osten führenden Weg noch einmal und jenseits einer Welle
gleich wieder kreuzt und dann in wieder nach Norden gerichtetem Bogen
in einer tiefen Schlucht die Bergkette zwischen dem rechts 450 m über
ihm gelegenen Muki-liangdse und dem viel höheren, vielleicht 4000 'm erreichenden
Berg über Tjiaodjio durchbricht. Auf der erwähnten Landwelle,
die von Norden in das breite Tal bis an den südlichen Bug des Flüßchens
hereinreicht, liegt über Reisfeldern das Dorf S anw an g h o , eine kleine
Chinesenniederlassung mit einem Militärposten. Das Tal hallte vom Klagegeheul
der Lolo in ihrem nahen Dorfe und auf dem gegenüberliegenden
Hügel, wo sie im Kiefemwäldchen an einem großen Feuer einen Toten
verbrannten. Überall sieht man roten Sandstein, darunter aber im Flußdurchbruch
ist grauer Tonschiefer aufgeschlossen und vor uns unten im
Becken von Tjiaodjio liegen bunte Mergel darüber. In einer kahlen Ebene
sieht man den von einer großen neuen Steinmauer im Viereck umgebenen
Ort unweit des von Norden kommenden Hauptastes unseres Flüßchens
liegen. Mehrere Kilometer unterhalb vereinigt, eilen die Wässer in anscheinend
engem Tale dem Yangdse zu, in den sie sich fast eiben Grad
weiter südlich ergießen; erst von hier ab gestaltet sich die Landschaft
durch die vopi Yangdse aus tief einschneidende Erosion allmählich etwas
großartiger. Mittags trafen wir in T jia o d jio ein: der Beamte halte einen
Opiumausrottungskommissär zu Besuch und keinen Platz in seinem kleinen
Yamen, verschaffte uns daher Unterkunft im Tempel.
Der Opiumkommissär hatte noch keinen Opiummohn bei den Lolo
gefunden, aber, meinte man, vielleicht sei im nächsten Talbecken solcher,
die Soldaten haben aber große Furcht, dorthin zu gehen. Die Beamten,
die mit dieser „Expedition“ wohl ihre Aufgabe, das Lololand vom Opium
zu säubern, für erledigt hielten, bewarben sieh nun um unsere Begleitung,
in der sie sich vor den Lolo sicherer fühlen mochten, und wir legten den
gemeinsamen Aufbruch für 8 Uhr früh fest. Nachdem es die Nacht durch
geregnet und den Berg über dem Orte angeschneit hatte, warteten und
warteten wir an dem kalten Morgen des 23. April bis 9 Uhr, da schickten
wir ins Yamen und erhielten zur Antwort, die Soldaten hätten noch nicht
ihren Reis gegessen. Das war uns zu ärgerlich und wir machten uns mit
einem Lolo als Führer auf den Weg. Wir hatten in nordöstlicher Richtung
einen kleinen Rücken zu überschreiten und hielten uns dort lange
auf, denn in der Mulde eines Bächleins und an ihren Hängen gab es
manches zu sammeln, spärliche Reste eines schonungslos ausgerotteten
Waldwuchses: auch die Sockenblume Epimedium acuminatum ist ein Zeuge
davon. Vor uns lag das Becken von Lemoka, das ein von Nordwest kommendes
Flüßchen durchströmt und in seinem nordöstlichen Winkel durch
einen Engpaß verläßt. Es wendet sich nach Ost, aber den Ausblick über
sein weiteres Tal verstellen mehrere Rücken, welche der an klaren Tagen
von Suifu ferne am Yangdse aus sichtbare Lungtou-schan überhöht. Wir
hatten ihn schon früher in der Richtung des Weges gesehen, und, ihm
möglichst nahe zu kommen, war meine Absicht, da seine Lage vom Wege
Dungtschwan—Suifu aus bestimmt war und ich so meine Aufnahme an
Bekanntes anschließen konnte. Wir waren schon lange unten in der Ebene,
da erschienen erst auf der Höhe die Beamten mit dem Aufgebot der 32
Männer starken Garnison von Tjiaodjio und ließen sich durch Trompetenblasen
ankündigen. Wir aber wandten uns zur heißen Quelle, die nahe
vor dem Engpaß über dem mit Tamariskengebüsch (Myricaria Germanica)
eingefaßten, wie alle hier, leicht durchwatbaren Flüßchen aus Kalkgestein
hervorquillt. Ihre Wärme schätzten wir auf 45 C. Eine alte Mauer ist
ganz vom heißen Wasser überronnen und Algen, besonders Cyanophyzeen,
bilden ihre bezeichnende Vegetation. In fingerdicken zähen und gallertigen
Schichten überzieht die ziegelrote Hypheotrix coriacea die ganze Mauer,
schwärzliches Scytonema und dunkelgrünes Phormidium pseudotenue, erfüllen
das fließenden Wasser selbst. Wir aßen dort zu Mittag und währenddessen
sammelten sich die umwohnenden und auf den Feldern arbeitenden Lolo
an, kauerten sich um uns auf den Boden und betrachteten uns neugierig.
Wie die Hunde lasen sie die von uns weggeworfenen Hühnerknochen auf
und nagten die Fleischreste ab. Man wTundert sich nicht, daß sie
D ’O llonne, der mit De G debrient zuerst ihr Land betrat und hier bis an